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23.10.2006 14:53

Mannesmann-Prozess (26.10.06): "Verurteilung wäre ein Pyrrhus-Sieg für Aktionäre"

Florian Klebs Pressearbeit, interne Kommunikation und Social Media
Universität Hohenheim

    Sechs Fragen an Prof. Dr. Hans-Peter Burghof, Experte für Bankwirtschaft & Finanzen, Universität Hohenheim

    Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Management und Aufsichtsrat von Mannesmann schwere Untreue vor: Nach der verlorenen Übernahme-Schlacht gegen Vodafone habe der Aufsichtsrat dem scheidenden Vorstand den Abschied mit einer Millionenprämie vergoldet. Am kommenden Donnerstag wird die Hauptverhandlung wieder aufgenommen. Können Aktionäre auf ein Urteil hoffen, das sie vor der Selbstbedienungsmentalität ihrer Manager schützt?

    PROF. DR. BURGHOF: Im Gegenteil: Eine Verurteilung wäre ein echter Pyrrhus-Sieg. Er könnte dazu führen, dass Vorstände bei Übernahmeversuchen künftig ihr Unternehmen nicht mehr bissig genug verteidigen. Für die Aktionäre bedeutet dies, dass ihr Unternehmen unter Wert verkauft wird, weil ihre Manager den Preis nicht auf die maximale Höhe treiben. International gesehen wären dann deutsche Unternehmen künftig billig zu haben und über einen Ausverkauf darf man sich dann nicht wundern. Eigentlich müssten Vorstände danach im Interesse der Aktionäre den Sitz ihres Unternehmens ins Ausland verlagern, wo solche Abschiedsprämien legal sind.

    Abschiedsprämien können auch im Vorfeld vertraglich vereinbart werden. Das Gericht stößt sich daran, dass der Aufsichtsrat dem Management nachträglich und ohne rechtliche Grundlage ein Millionengeschenk aus dem Firmenvermögen machte.

    PROF. DR. BURGHOF: Als Beauftragter der Aktionäre ist es die Aufgabe des Managers, den Preis für das Unternehmen in einer Übernahmeverhandlung so hoch wie möglich zu schrauben. Ob er sich dann tatsächlich gut schlägt, lässt sich erst im Nachhinein beurteilen. Wenn ein Manager genau weiß, wie hoch seine Abschiedsprämie ist, wird er Dienst nach Vorschrift tun und schauen, dass er alles mitnimmt, was ihm der Vertrag bietet. Wenn er weiß, dass er nach einer guten Leistung mit einer kräftigen Erfolgsprämie rechnen kann, ist das ein ganz anderer Anreiz, eine gute Show zu bieten. Man kann in einer solchen nicht schriftlich fixierten Erfolgsprämie ein implizites Vertragselement sehen: Es steht zwar nicht im Vertrag, ist aber allen Beteiligten bekannt und sollte daher auch für alle verbindlich sein.

    Sie meinen, Klaus Esser hatte von Anfang an mit gutem Gewissen eine solche Prämie im Blick?

    PROF. DR. BURGHOF: Ich gehe davon aus, dass Klaus Esser eine solche Prämie antizipiert hat: Er wusste, dass solche Ex-post-Prämien internationale Usance sind, und er wusste, dass sein Aufsichtsratschef Josef Ackermann von der Deutschen Bank sich an den internationalen Usancen orientiert.
    Und eins muss man Herrn Esser bei allem menschlich verständlichen Neid auf seine außerordentlich hohe Belohnung zugestehen: Er hat in den Verhandlungen eine wirklich gute Show geliefert und den Aktienkurs seines Unternehmens gewaltig in die Höhe getrieben. Seine Abschiedsprämie liegt unbestritten nur im Promille-Bereich dessen, was er in der Übernahmeverhandlung an Marktwertsteigerung für das Unternehmen erzielt hat. Was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass sich ganz allgemein die Unternehmensvorstände seit einigen Jahren ihre teilweise nicht sehr überzeugenden Leistungen immer besser entlohnen lassen.

    Gerade aus dem Grund erhoffen sich viele Aktionäre von einer Verurteilung der Aufsichtsräte von Mannesmann ein Korrektiv.

    PROF. DR. BURGHOF: Nicht nur die Vorstandsgehälter, auch die Einkommen anderer erfolgreicher Menschen in unserer Gesellschaft fallen heute viel zu hoch aus. Die Einkommensentwicklungen in unserer Gesellschaft laufen leider auseinander - das ist auch meine Meinung. Aber: Der Mannesmann-Prozess wird - unabhängig von seinem Ausgang - daran gar nichts ändern. Wenn sich ein Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates exzessiv bereichern will, so ist dies auch über explizite vertragliche Vereinbarungen möglich. Vor allem aber: Gerichte sollten nicht festlegen, wie Vorstände entlohnt werden. Sie richten hier viel mehr Schaden als Nutzen an. Wir brauchen ganz andere Instrumente, um die Vorstandsgehälter im Griff zu behalten.

    Zum Beispiel?

    PROF. DR. BURGHOF: Es gibt in Deutschland einen Corporate Governance Kodex, nach welchem Aktiengesellschaften die Gehälter ihrer Vorstandsmitglieder offen zu legen haben. Dieser Kodex ist allerdings nicht rechtsverbindlich. Die Unternehmen müssen nur bekanntgeben, inwieweit sie sich an den Kodex halten. Die Anzahl der Unternehmen, die diesen Kodex weitgehend befolgen, sollte sicher noch deutlich ansteigen. Und auch der Grad der Transparenz bei vollständiger Befolgung des Kodexes ist sicher noch nicht das Maß aller Dinge.
    Um Vorstandsgehälter zu begrenzen, brauchen wir in erster Linie solche Transparenz, da nur dies den Druck der Öffentlichkeit und vor allem eine Kontrolle durch die Eigentümer ermöglicht. Daher muss auch die Macht der Aktionäre gestärkt werden. So sollte eine Gruppe der Aufsichtsräte nur mit der Gestaltung und Vereinbarung der Vorstandsentlohnung beauftragt werden, um möglichst unbeeinflusst von anderen Interessen hier die richtigen Anreize zu setzen. Nur so können wir erreichen, dass sich die Gehälter tatsächlich mehr an der Leistung orientieren.

    Und mittelfristig wieder sinken?

    PROF. DR. BURGHOF: Ich fürchte, dass die Entwicklung der Vorstandsgehälter letztlich durch die Entwicklung unserer kulturellen Werte bestimmt wird. So definieren sich meinem Eindruck nach in den angelsächsischen Ländern und vor allem in den USA die Menschen viel stärker über den wirtschaftlichen Erfolg und konsequenterweise beobachten wir hier auch die höchsten Gehälter im Management. In Skandinavien beispielsweise spielt dagegen der Wert der Bescheidenheit eine größere Rolle und die Vorstandsgehälter fallen eher moderat aus. Soweit die Globalisierung eine stärkere Orientierung am dominierenden amerikanischen Modell bedeutet, ist der Trend zu höheren Vorstandsgehältern kaum zu stoppen.

    Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
    Prof. Dr. Hans-Peter Burghof, Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen
    Tel.: 0711 459-22901, E-Mail: burghof@uni-hohenheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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