Bad Neuenahr-Ahrweiler, 23.10.2006. - Beim diesjährigen Kreissparkassenvortrag in Bad Neuenahr-Ahrweiler stellte Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Institut für Finanzwissenschaften und Volkswirtschaftslehre der Universität Freiburg, die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherung auf die Probe. Er berichtete in seinem pointierten Vortrag, der gemeinsam von der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen und der Kreissparkasse Ahrweiler veranstaltet wurde, über die demographischen Herausforderungen für die deutsche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Pflegeversicherung, so Raffelhüschen, war nie und wird nie ein "Generationenvertrag" sein; dafür sorgten die "Kardinalfehler", die bereits bei ihrer Einführung gemacht wurden: Die Einzahlungen wurden lohn- bzw. rentenabhängig gestaltet und die Beiträge kinderabhängig gestaffelt. Mit der Grundidee der Bismarckschen Sozialversicherung habe das nichts mehr zu tun. Der zweite Fehler bestand nach Meinung Raffelhüschens darin, dass in den 90er Jahren ein Generationenvertrag ins Leben gerufen wurde, ohne dass die vertragserfüllende Generation da gewesen wäre.
Auch in der Gesundheitsversorgung sieht Raffelhüschen große Ungerechtigkeiten, auch hier sei die Umverteilung zwischen Jung und Alt maßgebend: Die meist gesunden Jungen zahlten mehr ein als die meist kranken Alten. Da die Gesundheitsversorgung aber keine Rücklagen kenne, sondern eine Umverteilung praktiziere, hat die Krankenversicherung bei der demographischen Entwicklung zu mehr Alten ein Einnahmeproblem. Allein dieser "demographische Effekt" wer-de die Beitragssätze auf knapp 20 Prozent anwachsen lassen - rechne man den Kostendruck durch den medizinisch-technischen Fortschritt dazu, würden es eher um 28 Prozent sein. Die Lösung des Problems sieht Raffelhüschen nicht auf der Einnahmenseite; im Kern sei ein Steuerungsproblem auf der Ausgabenseite zu beheben, da auf Dauer nicht für alle alles medizinisch Notwendige durch die Gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden könne - es müsse rationiert werden.
In Bezug auf die Altersversorgung legte Raffelhüschen außerdem anschaulich dar, dass die Familie ihre ursprüngliche Aufgabe der Versorgung aller ihrer Mitglieder nicht verlieren sollte: Die Familie sollte nicht zu einem Museumsstück degradiert werden, denn es drohe ein finanzielles Debakel für die Kollektivkassen, wenn der Staat hier die alleinige Verantwortung überlassen bekommt. Außerdem vertritt Professor Raffelhüschen noch immer die Blümsche Aussage, dass die Renten sicher seien. Eine "Basisrente" sei zwar deutlich geringer als die bisherige, Anstiege in der Rente gebe es bis 2009 und wohl auch darüber hinaus nicht, jedoch sei die grundsätzliche Finanzierung nachhaltig gesichert.
Kurzlebenslauf
Bernd Raffelhüschen ist Professor für Finanzwissenschaft und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er studierte in Kiel, Berlin und Aarhus (Dänemark) Volkswirtschaftslehre und wurde an der Universität Kiel promoviert; an der gleichen Universität habilitierte er sich für das Fach Volkswirtschaftslehre. Zahlreiche Auslandsaufenthalte führten ihn u.a. in die USA und in die skandinavischen Länder.
Die Forschungsschwerpunkte von Professor Raffelhüschen liegen in den Bereichen der Sozial- und Steuerpolitik, insbesondere der Alterssicherung sowie der dynamischen Fiskalpolitik. Neben seiner Mitwirkung an internationalen Forschungsprojekten beteiligt er sich an der Arbeit politisch beratender Gremien, zum Beispiel als Mitglied der Rürup-Kommission oder als Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft.
Die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler gGmbH wurde 1996 vom Land Rheinland-Pfalz und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) gegründet. Direktor der Gesellschaft ist der Philosophieprofessor Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann. Wissenschaftlich-interdisziplinäre Arbeitsgruppen widmen sich der Erforschung und Beurteilung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen für das individuelle und soziale Leben des Menschen und seine natürliche Umwelt. In wissenschaftlicher Unabhängigkeit führt die Akademie einen Dialog mit Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft. Damit will sie zu einem rationalen Umgang der Gesellschaft mit Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen beitragen.
http://www.europaeische-akademie-aw.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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