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17.02.2000 15:59

Forschungsstelle "Interkulturelle Philosophie und Comeniusforschung" gegründet

Guenter Barthenheier M. A. Dezernat Kommunikation
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    Die neu gegründete Forschungsstelle für "Interkulturelle Philosophie und Comenius-Forschung" an der Universität Bamberg stellt einen Denker in den Vordergrund, der bislang als Philosoph eher vernachlässigt wird: Jan Amos Komenský, Comenius genannt. Seine integrativ-ganzheitliche Weltsicht, die auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt und schon im 17. Jahrhundert den europäischen Gedanken hervorhob, wird dabei in engen Zusammenhang mit der bewährten interkulturellen Arbeit der Bamberger Philosophie gestellt, die Prof. em. Dr. Heinrich Beck mit seinem Projekt "Kreativer Friede durch Begegnung der Weltkulturen" aufgebaut hat.

    Globale Weltordnung war seine große Utopie
    Modernes aus dem 17. Jahrhundert: Forschungsstelle für "Interkulturelle Philosophie und Comenius-Forschung" an der Universität Bamberg

    In Tschechien heißt er "Mann der Sehnsucht" oder auch "Lehrer der Nationen" - und wird dort geschätzt wie hierzulande Goethe. In Deutschland ist er, wenn überhaupt, vor allem durch seine pädagogischen Schriften bekannt. Die Philosophen vernachlässigen ihn in der Regel. Dabei ist Jan Amos Komenský (1592-1670) - meist unter dem lateinischen Namen Comenius geführt - ein ausgesprochen moderner Denker. Der Europagedanke, Globalisierungsfragen, Überlegungen zur Informationsgesellschaft - mit all dem hat sich Comenius bereits im 17. Jahrhundert beschäftigt. Natürlich auf dem Stand seiner Zeit.
    An der Universität Bamberg wurde nun eine Forschungsstelle für "Interkulturelle Philosophie und Comenius-Forschung" gegründet, die den Philosophen Comenius wieder etwas populärer machen soll. Leiter ist PD Dr. Erwin Schadel in Verbindung mit Prof. em. Dr. Dr. h.c. Heinrich Beck, dem ehemaligen Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie I. Mit der Forschungsstelle soll auch Becks jahrzehntelange fruchtbare Tätigkeit in der interkulturellen Zusammenarbeit, für die er international mit seinem Projekt "Kreativer Friede durch Begegnung der Weltkulturen" geworben hat, weitergeführt werden. (Eine Publikation unter diesem Titel ist 1995 auf Deutsch, 1996 auf Englisch und Spanisch und 1998 auf Chinesisch erschienen.)
    Die Verbindungslinie zu Comenius liegt von daher nahe, dass die interkulturelle Ausrichtung der Forschungsstelle gewissermaßen eine Aktualisierung des Anliegens von Comenius darstellt. Dessen "Pansophie" strebte nach einer ganzheitlich-integrativen Denkweise, die auf Kooperation statt Konfrontation setzt und sogar schon den Entwurf für eine globale Weltordnung enthält. Nach Comenius sollten drei Instanzen geschaffen werden: ein Weltfriedensgericht (dicasterium pacis), eine Weltorganisation der Wissenschaften (collegium lucis) und ein Konzil für alle Weltreligionen (concilium oecumenicum).
    Große Utopien also, die der Sohn eines Müllers aus dem kleinen Dorf Nivnice im südöstlichen Zipfel der Mährens da hegte. Doch war der "Mann der Sehnsucht" auch ein Mann der Tat, indem er beispielsweise das Schulwesen seiner Zeit reformierte. Als anfängliche Verwirklichung seines "Weltfriedensgerichtes" darf heute die UNO gelten. Fehlen also nur noch die beiden anderen Instanzen ...
    Der Grund für Comenius' Streben nach einer weltweiten, zumindest jedoch europäischen Einigung ("Wir Europäer sitzen gewissermaßen in einem einzigen gemeinsamen Schiff", schrieb er 1669!), ist wohl auch in seiner persönlichen Lebenssituation zu suchen. Über 50 Jahre seines Lebens verbrachte er im Exil und durchwanderte dabei ganz Europa, immer auf der Flucht vor Bürger- und Religionskriegen. Dennoch war er unglaublich produktiv. Die Mitarbeit an der geplanten zwölfbändigen Werkausgabe, die von der Deutschen Comenius-Gesellschaft in Berlin unter Vorsitz von Dr. Werner Korthaase und der Schirmherrschaft der Unesco herausgegeben wird, ist deshalb eine der Hauptaufgaben der Bamberger Forschungsstelle.
    Von besonderer Bedeutung wird die internationale Kontaktpflege sein. Nicht immer waren die Bedingungen für die Comenius-Forschung so gut wie heute. Bis 1992 gab es in Bochum die von Prof. Dr. Klaus Schaller geleitete westdeutsche "Comenius-Forschungsstelle". Der Austausch mit Wissenschaftlern der ehemaligen CSSR war bisweilen schwierig. Nach der Wende wurden die Beziehungen rasch intensiviert. Die Bamberger Forschungsstelle pflegt inzwischen sehr gute Kontakte zu Prof. Dr. Pavel Floss an der Palacký-Universität Olmütz (Tschechien).
    Für ein Netz weltweiter Verbindungen, das der Forschungsstelle nun zugute kommt, sorgte jedoch vor allem Prof. Beck durch seine zahlreichen Vortrags- und Forschungsreisen in etwa 35 Ländern, von Ägypten über Nepal bis Argentinien. Mit einer Schriftenreihe zur Triadik und Ontodynamik sollen wie schon seit einigen Jahren Kolloquien zur Thematik eines ganzheitlich-integrativen Wirklichkeitsverständnisses dokumentiert werden und die interkulturelle Diskussion über Menschenrechte angeregt werden. Ohne Zweifel hätte auch Comenius daran seine helle Freude gehabt.
    Hannelore Piehler

    Kontaktadresse:
    Forschungsstelle "Interkulturelle Philosophie und Comenius-Forschung"
    Leiter PD Dr. Erwin Schadel
    Prof. em. h.c. mult. Dr. phil Dr. hc Heinrich Beck
    Markusplatz 3
    96045 Bamberg
    Telefon: 0951/863-1891
    erwin.schadel@ppp.uni-bamberg.de
    uwe.voigt@ppp.uni-bamberg.de


    Weitere Informationen:

    http:www.uni-bamberg.de/~ba2pl1/forschung/kult/kult.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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