Mechanismus durch Forscher der Charité aufgeklärt
AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN 4-2000
Alkohol ist Gift für Gehirnzellen. Eine Ahnung davon erfährt jeder, der mal einen Rausch hatte. Das Kind im Mutterleib trinkt mit, wenn eine Schwangere Alkohol konsumiert. In Deutschland führt dies bei mehr als 2500 Neugeborenen im Jahr zum sogenannten "fetalen Alkoholsyndrom": Die Kinder haben typische Mißbildungen des Gesichts und tiefliegende Ohren, einen zu geringen Schädelumfang und sind in unterschiedlichem Ausmaß geistig behindert und psychisch auffällig.
Die Ursache für die neurologischen Auffälligkeiten bei diesen Kindern liegt im millionenfachen Untergang von Nervenzellen des sich entwickelnden Gehirns. Dies konnte jetzt die Kinderneurologin Chrysanthy Ikonomidou mit ihrer Arbeitsgruppe an der Charité zusammen mit Wissenschaftlern aus Tokio und St. Louis an Ratten nachweisen und in der angesehenen Zeitschrift "Science" publizieren (287 [2000] 1056-1060).
Besonders empfindlich sind die Nervenzellen in jenem Zeitraum der Gehirnentwicklung, in der sie sich durch Ausbildung von Synapsen (Kontaktstellen) mit einander vernetzen. Bei Ratten betrifft das die Neugeborenenphase, beim Menschen beginnt die gefährliche Periode etwa ab dem 6. Schwangerschaftsmonat und reicht bis über die ersten Lebensjahre hinaus. Alkohol - dies ist schon länger bekannt - verändert die Wirksamkeit zweier für das Gehirn wichtiger Botenstoffe: Zum einen blockiert er Bindungsstellen (NMDA-Rezeptoren) für den lebenswichtigen, die Gehirnzellen aktivierenden Botenstoff Glutamat. Zum Anderen aktiviert er im Übermaß spezifische Rezeptoren für den ebenso wichtigen, die Hirnzellen hemmenden Botenstoff GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) im Gehirn.
Ikonomidou und ihre Mitarbeiter fanden nun heraus, daß in der genannten hochempfindlichen Entwicklungsphase des Gehirns diese Wirkungen von Alkohol auf die beiden Rezeptoren verheerende Folgen für die Nervenzellen haben: Millionenfach gehen sie durch programmierten Zelltod (Apoptose) zugrunde, in manchen Gehirnregionen in einem Ausmaß von bis zu 30 Prozent. Dieser Zellverlust läßt sich auch an der Verringerung des Gehirngewichts ablesen.
Ikonomidou und ihre Kollegen stellten außerdem fest, daß es bei der Giftigkeit des Alkohols für das wachsende Gehirn nicht auf die Gesamtmenge des getrunkenen Alkohols ankommt, sondern auf die Dauer der toxischen Alkoholkonzentration im Blut. Die untere Grenze davon liegt für Ratten bei 200 mg/dl während vier aufeinander folgender Stunden.
Ebenso schädlich - auch das konnte die Arbeitsgruppe zeigen - wirken auf das sich entwickelnde Gehirn bestimmte schwere Schlafmittel (Barbiturate) und Beruhigungsmittel vom Typ des Diazepam (Valium). Die Frage, ob Schwangeren oder Säuglingen diese Mittel verordnet werden sollen, muß daher sehr streng gestellt werden. Silvia Schattenfroh
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Charité
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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