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07.11.2006 13:00

DJI-Kinderbetreuungsstudie: Wer betreut Deutschlands Kinder?

Andrea Macion Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Jugendinstitut e.V.

    WER BETREUT DEUTSCHLANDS KINDER?
    Umfassend Auskunft auf diese und weitere aktuelle Fragen rund um das Thema Kinderbetreuung gibt die soeben als Buch im Beltz Verlag erschienene Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts.

    Angesichts der Debatten um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildung vor der Schule sowie den Ausbau der Kindertagesbetreuung liefert die vom BMFSFJ geförderte Studie längst überfällige empirische Daten zu bislang mitunter unbelegten Meinungen oder "gefühlten" Zuständen.
    Die bundesweite repräsentative Elternbefragung von 8.000 Privathaushalten mit Kindern bis zum Alter von sieben Jahren kommt u. a. zu folgenden Ergebnissen:

    Erfolgsstory Kindergarten, aber wo bleiben die Zwei- bis Vierjährigen?
    Seit Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz besuchen nahezu alle Kinder ab vier Jahren den Kindergarten. Nur zehn Prozent des Altersjahrgangs der Fünf- bis Sechsjährigen erreicht dieses Angebot nicht. Darunter sind häufiger Kinder aus benachteiligten Familien.
    Auch Kinder mit Migrationshintergrund sind recht gut in den Kindergarten integriert. Die, die nicht hingehen, kommen aus bildungsfernen Familien.
    Dieser Altersbereich ist also, was die Betreuung angeht, gut versorgt.
    Problematisch sieht es dagegen für den Altersbereich der zwei- bis vierjährigen Kinder aus.

    Eltern wünschen sich mehr Betreuungsangebote, die früher zur Verfügung stehen:
    Nach der Elterngeldphase, d.h. nach dem ersten Lebensjahr des Kindes steigt der Bedarf nach außerhäuslicher Betreuung.
    31 Prozent der befragten Eltern wünschen sich einen Betreuungsplatz für das zweite Lebensjahr und 60 Prozent für das dritte Lebensjahr der Kinder.

    Wo bleiben die Zwei- bis Vierjährigen?
    Im für die Sprachentwicklung relevanten Alter zwischen zwei und vier Jahren besuchen nur wenige Kinder eine Kindertageseinrichtung. Insbesondere Migrantenkinder würden hier von einem erweiterten Angebot profitieren, denn bei 60 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund ist Deutsch zu Hause nicht die Hauptsprache.

    Im Westen nichts Neues?
    In Westdeutschland wird selbst dann, wenn beide Eltern berufstätig sind, nicht einmal jedes fünfte Kind unter drei Jahren in einer öffentlichen Kindertageseinrichtung betreut. Das heißt gut 80 Prozent der betroffenen Eltern sind auf Lösungen jenseits der institutionellen Betreuung angewiesen.
    Berufstätige Alleinerziehende müssen sich zu 70 Prozent ohne Unterstützung durch öffentliche Betreuung arrangieren.

    Private Betreuung ist schichtabhängig:
    In Familien der unteren Schichten betreuen häufiger ausschließlich die Eltern selbst. Tagesmütter und andere bezahlte Helfer sind vor allem eine Betreuungsform bei besser gestellten Familien. Sie nehmen auch häufiger Betreuung durch Großeltern, Nachbarn und Freunde in Anspruch.
    Wenn der Zugang zu knappen Ganztagsplätzen über das Kriterium der Erwerbstätigkeit der Eltern erfolgt, kommen Kinder aus besser gestellten Elternhäusern zum Zug.
    Gut zwei Drittel der Mütter mit Kindern unter drei Jahren leben nach einem traditionellen Familienmodell.
    Wo das Betreuungssystem gut ausgebaut ist, sind auch Mütter mit geringeren Ressourcen (Bildung, Einkommen) häufiger erwerbstätig.

    Kostenfrage ist nicht allein entscheidend:
    Das Einkommen der Eltern ist nicht allein ausschlaggebend für den Besuch des Kindergartens. Das heißt wenn Kinderbetreuung weniger kosten würde, gingen nicht automatisch mehr Kinder in den Kindergarten oder die Krippe - dies gilt auch für untere Einkommensschichten.
    Der Nichtbesuch von Betreuungseinrichtungen hat unterschiedliche Ursachen wie Erwerbs- und oder familiale Konstellation, Einstellungen, Werte und Normen etc. Kosten fallen dann nur als zusätzlicher Faktor ins Gewicht.

    Großeltern sind neben den Eltern wichtigste private Betreuer:
    Die Mehrheit der Kinder in Deutschland wächst mit einem Betreuungsmix auf: Ein Drittel aller Kinder wird in beträchtlichem Umfang von den Großeltern betreut.

    Berufstätige Eltern wollen flexiblere Öffnungs- und Nutzungszeiten bei Betreuungsplätzen:
    Zusätzlich ist ein bedarfsgerechter Ausbau von Ganztagsplätzen für drei- bis sechsjährige Kinder zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Westdeutschland von Nöten.
    Daneben müssen auch die Betreuungszeiten zukünftig flexibler sein und an Arbeitszeiten angepasst werden. Probleme sind: fehlende Über-Mittag-Betreuung sowie Abdeckung von Tagesrandzeiten. Deshalb sind zusätzliche Ergänzungsangebote, Verbund- und Netzwerklösungen nötig.

    SOS - und keiner ist da:
    Für jedes siebente Kind ist im Notfall (Erkrankung, Arztbesuch o. Ä.) keine Betreuungslösung vorhanden.

    Familienfreundliche Betriebe sind gefragt:
    Eltern finden einen Betrieb dann besonders familienfreundlich, wenn er ihnen die Möglichkeit zu einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung bietet und wenn er ihnen erlaubt, auch in Notfallsituationen flexibel zu reagieren.

    Konsequenzen für Politik und Praxis:
    o Für außerhäusliche Betreuung nach der Elterngeldphase muss in Westdeutschland das Angebot weiter ausgebaut werden, in Ostdeutschland muss das vergleichsweise hohe Angebot erhalten bleiben.

    o Wie das Erfolgsmodell Kindergarten zeigt, scheinen statt einer generellen Gebührenfreiheit für Kinderbetreuung eher gezielte Hilfen dort angebracht, wo besonders große Hürden vorhanden sind (z.B. finanziell stark Benachteiligte).

    o Die eigentliche Herausforderung liegt darin, das Angebot für Kinder zwischen zwei und vier Jahren auszubauen. In diesem für die Sprachentwicklung relevanten Alter besuchen nur wenige Kinder eine Kindertagesstätte. Insbesondere Migrantenkinder würden hier von einem erweiterten Angebot profitieren.

    o Zusätzliche Angebote, Verbund- und Netzwerklösungen müssen den Ausbau des Ganztagsangebots ergänzen, um eine flexiblere, an Arbeitszeiten angepasste Betreuung zu ermöglichen. Der Zugang zu Ganztagsplätzen sollte stärker als bisher vom Erwerbsstatus der Eltern entkoppelt werden, um soziale Benachteiligung zu vermeiden.

    o Durch den wachsenden Unterstützungsbedarf von Familien sind zunehmend Orte für Kinder und Familien wie Eltern-Kind-Zentren bzw. Mehrgenerationenhäuser gefragt.

    o Weil die ersten Lebensjahre entscheidende Bildungsjahre sind, müssen die öffentlichen Angebote hinsichtlich frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung deutlich bildungsorientierter werden. Dies stellt besondere Anforderungen an die Qualifikation des Erziehungspersonals. Auch in der Tagespflege muss eine Qualifizierung stattfinden.

    o Wenn Bildung als langfristige Zukunftsinvestition betrachtet wird, muss es bei den politischen Akteuren einen Blickwechsel von der konsumtiven hin zur investiven Sicht bei der Kinderbetreuung geben.


    Weitere Informationen:

    http://www.dji.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     


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