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10.11.2006 11:29

Tübinger Poetikdozentur im Wintersemester: Péter Esterházy und Terézia Mora

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Vorlesungen vom 21. bis 24. November

    Die Poetik-Dozentur im Wintersemester 2006/07 bestreiten zwei Schriftsteller, die auf unterschiedliche Weise Grenzgänger zwischen Ungarn und Deutschland, zwischen ost- und westeuropäischer Literatur sind: Péter Esterházy und Terézia Mora.

    Die Tübinger Poetik-Dozentur, gestiftet von der Würth-Gruppe in Künzelsau, wird seit mittlerweile zehn Jahren vom Deutschen Seminar der Universität Tübingen ausgerichtet. Einmal im Jahr, im Wintersemester, werden zwei Autorinnen/Autoren eingeladen, die Vorlesungen und Lehrveranstaltungen sowohl für Studierende und Lehrende der Universität als auch für eine breitere interessierte Öffentlichkeit anbieten.

    Veranstaltungstermine (alle Vorlesungen im Kupferbau, Hörsaal 25):

    Peter Esterházy spricht an drei Abenden unter dem Obertitel "Einführung in die schöne Literatur" sowohl über die Hintergründe seines eigenen Schreibens als auch generell über Bedingungen und Perspektiven des europäischen Gegenwartsromans.

    1. Vorlesung: Dienstag, 21. Nov., 20 Uhr
    2. Vorlesung: Mittwoch, 22. Nov., 20 Uhr
    3. Vorlesung: Freitag, 24. Nov., 20 Uhr

    Am Ende dieser dritten Vorlesung gibt Péter Esterházy das Thema für den Wettbewerb zum 18. Würth-Literaturpreis bekannt.

    Terézia Moras Vorlesung trägt den Titel: "Das unbeanspruchte Gebiet oder Was fängt die Dichterin in ihrer Zeit mit dieser an". Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Erfahrung, in einem totalitären Staat gelebt zu haben, auf die Schreibweise auswirkt.

    Vorlesung Terézia Mora: Donnerstag, 23. Nov., 20 Uhr

    Péter Esterházy wurde 1950 in Budapest geboren. Seine Familie, die einem der glanzvollsten Adelsgeschlechter Europas angehört, wurde 1951 von den kommunistischen Machthabern enteignet und in ein abgelegenes Dorf im Norden Ungarns deportiert. Im Alter von sieben Jahren kehrte Esterházy nach Budapest zurück, wo er von 1969 bis 1974 Mathematik studierte. Danach arbeitete er vier Jahre lang als Systemorganisator. Seit 1978 ist er freiberuflicher Schriftsteller. Er lebt in Budapest, hält sich aber seit den neunziger Jahren auch immer wieder für längere Zeit in Berlin auf. Für seine Romane "Harmonia Caelestis" und "Verbesserte Ausgabe" erhielt Péter Esterházy im Mai 2004 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. "Harmonia Caelestis" (deutsch von Terézia Mora) ist ein höchst ungewöhnlicher Familienroman: eine nicht-chronologische Chronik des Geschlechts der Esterházys, die ein faszinierendes Panorama der Geschichte Ungarns und Mitteleuropas bis ans Ende des 20. Jahrhunderts entfaltet. Zugleich ist der Text ein poetisches Vexierspiel, das mit den Familien-Ahnen immer auch die literarischen 'Väter' des Autors wiederauferstehen lässt. Diese Verbindung von geschichtlicher Erinnerung, Analyse der innerfamiliären seelischen Verstrickungen und brillanter erzählerischer Artistik kennzeichnet Esterházys gesamtes Werk. Schon in seinen frühen Romanen wie dem Erstling "Fancsiko und Pinta" (1976), der subtilen Darstellung einer Kindheit in den fünfziger und sechziger Jahren, oder "Die Hilfsverben des Herzens" (1985), einem Buch über den Tod der Mutter, besticht Esterházys Fähigkeit, die emotionale Dichte des Familienlebens zu vergegenwärtigen, ohne jemals in einen sentimentalen oder larmoyanten Ton zu verfallen. Péter Esterházy ist ein Meister des lakonischen Stils, dem alle sprachlichen Register - das Komische, Frivole und Obszöne so gut wie das Melancholische und Schockierende - zu Gebote stehen. Seine Bücher sind mittlerweile in mehr als 15 Sprachen übersetzt; sie wurden mit zahlreichen bedeutenden europäischen Literaturpreisen bedacht.

    Terézia Mora, 1971 geboren in Sopron (Ungarn) als Kind einer deutschsprachigen Familie, studierte zunächst in Budapest, dann ab 1990 an der Humboldt-Universität Berlin Hungarologie und Theaterwissenschaft. Außerdem absolvierte sie ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie und arbeitete kurzzeitig als Drehbuchdramaturgin. Seit 1998 ist sie freie Autorin und Übersetzerin. Für ihre Übertragung von Péter Esterházys Roman "Harmonia caelestis" erhielt sie den Jane-Scatcherd-Übersetzerpreis. Auch ihre schriftstellerischen Arbeiten wurden früh mit Preisen ausgezeichnet: u.a. erhielt sie 1999 den Ingeborg-Bachmann-Preis, 2000 den Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis und 2005 den Preis der Leipziger Buchmesse.
    War Terézia Mora bereits mit ihren noch in Ungarn spielenden Erzählungen "Seltsame Materie" (1999) aufgefallen, so wird ihr erster Roman "Alle Tage" seit seinem Erscheinen im Herbst 2004 anhaltend als literarisches Ereignis gefeiert. Die Geschichte des Bürgerkriegs-Flüchtlings Abel Nema, der in einer fremden Großstadt des Westens strandet, verblüfft durch sprachliche Virtuosität und wirklichkeitsgesättigte Milieusicherheit. Abel Nema, der am Beginn des Romans kopfüber wie eine gekreuzigte Fledermaus an einem Kinderklettergerüst hängt, ist eine (Christus)-Figur des modernen Exils. Dem Verlust der Heimat (man mag an Jugoslawien denken) korrespondiert ein Verlust der Identität: Abel hat als Kind den Vater verloren, als Jugendlicher den Freund (in dem Augenblick, als er ihm seine Liebe gestand). Zwar spricht der Exilant zehn Fremdsprachen fehlerfrei, aber er spricht sie steril und ohne Akzent. Es ist ihm nicht mehr möglich, vorbehaltlos zu kommunizieren. Frauen zieht der vage, unverbindliche Mann seltsam an und gerät schließlich in eine Scheinehe. Die nackteste Stelle aber, die er als Ehemann zeigt, ist eine Pockennarbe auf seinem Arm.
    Terézia Mora, aufgewachsen in einem deutsch-ungarischen Grenzgebiet, erweist sich als kühne Autorin, die sensibel ist für die Schrecken des Ausgesetztseins in den "hysterischen Zeiten" der Globalisierung und der epidemischen Bürgerkriege.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Dorothee Kimmich
    Deutsches Seminar
    Wilhelmstraße 50
    72074 Tübingen
    07071-2975323
    07071-295321

    EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit o Michael Seifert
    Wilhelmstr. 5 o 72074 Tübingen
    Tel.: 0 70 71 o 29 o 7 67 89 o Fax: 0 70 71 o 29 o 5566

    Wir bitten um Zusendung von Belegexemplaren!


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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