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01.03.2000 12:13

3.200 bayerische Jugendliche über ihr Gottesbild befragt

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    "Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur." Mit diesem Motto beklagt die Frauenbewegung die Tatsache, dass Gott nur in männlichen Bildern beschrieben wird. Wie sich Schülerinnen und Schüler Gott vorstellen und welchen Einfluss ihre eigene Geschlechtsidentität auf das Gottesbild hat, wollen Religionspädagogen von der Universität Würzburg herausfinden.

    Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Ziebertz und Diplom-Theologe Ulrich Riegel vom Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts haben 3.200 Neuntklässler an 28 bayerischen Schulen aller Schulformen befragt. Die Wissenschaftler wollen letzten Endes Einsichten gewinnen, mit denen sich die Konzepte religiöser Erziehung in der Schule weiter entwickeln lassen. Ihr Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

    Astrid, Teresa, Robert und Simon besuchen ein Gymnasium in Unterfranken. Ihnen wurde eine Liste mit Eigenschaften vorgelegt, auf der sie vier ankreuzen sollten, die am besten zu ihnen passen. Astrid und Simon machten ihre Kreuze bei aggressiv, durchsetzungsfähig, kraftvoll und logisch. Teresa und Robert dagegen wählten die Eigenschaften bescheiden, mitfühlend, romantisch, sentimental.

    Astrid und Simon kreuzten also Eigenschaften an, die man eher bei einem Mann als bei einer Frau erwarten würde. Umgekehrt gelten die Eigenschaften, die Teresa und Robert auswählten, als typisch weiblich. Weil in der Studie nicht nur das biologische Geschlecht, sondern auch die Geschlechtsidentität der Schüler berücksichtigt werden soll, sind Astrid und Robert für die Wissenschaftler besonders interessant, denn sie haben Eigenschaften angekreuzt, die üblicherweise dem anderen Geschlecht zugeordnet werden.

    Bei der Frage nach ihrem Gottesbild zeigte sich, dass dieses bei Astrid und Robert abstrakt ist, während Simon und Teresa sich Gott als eine Person vorstellen: Für Simon ist Gott wie ein strenger, für Teresa wie ein barmherziger Vater. Dagegen meinte Astrid, Gott sei für sie eine höhere Macht, die alles am Leben hält, und Robert stellt sich unter Gott eine alles umfassende Liebe vor.

    Sind Astrid und Robert Sonderfälle oder deuten sie eine Situation an, die in naher Zukunft der Normalfall sein kann? Benutzen Jugendliche, deren Geschlechtsidentität auf einen freien Umgang mit den gesellschaftlichen Rollenerwartungen hinweist, die Gottesbilder der großen Religionen als eine Art Steinbruch, aus dem sie sich ihre eigenen Vorstellungen von Gott herausmeißeln? Macht es dabei einen Unterschied, welche Geschlechtsidentität das Mädchen oder der Junge hat? Solchen Fragen gehen die Würzburger Wissenschaftler nach.

    Zwei Trends zeichnen sich laut Prof. Ziebertz bei der Auswertung der Umfrage ab: Zum einen sind Astrid und Robert keine Sonderfälle. Es gibt bemerkenswert viele Schülerinnen und Schüler, die bei der Selbsteinschätzung geschlechtsuntypische Eigenschaften ankreuzen. Bei den Schülerinnen liegt der Anteil der so genannten maskulinen Mädchen bei 13 Prozent und bei den Schülern machen die "femininen Jungen" 11 Prozent aus. Zum anderen ist das Gottesbild der Jugendlichen überwiegend abstrakt: So stellen sich 39 Prozent Gott als eine Macht oder Energie vor. Dagegen sehen nur 24 Prozent Gott als Vater oder Freund.

    Die weitere Auswertung der Daten gilt der Frage, ob es Zusammenhänge zwischen beiden Trends gibt. Existiert bei Jugendlichen eine neue Selbstständigkeit im Umgang mit sozialen und religiösen Vorbildern? Welche Einsichten ergeben sich daraus für eine zeitgemäße schulische Bildung? Welche Bedingungen müssen an Lehr- und Lernmittel sowie an die Aus- und Fortbildung von Lehrern gestellt werden? "Und", so Ziebertz und Riegel, "in einer feministisch sensibilisierten Welt müssen auch Kirche und Religionsunterricht sensibel sein für eine Sprache, in der 'der eine Gott' und 'die zwei Geschlechter' vermittelt werden können."

    Kurzfassung:
    3.200 bayerische Jugendliche über ihr Gottesbild befragt

    Das Gottesbild der Jugendlichen ist heute überwiegend abstrakt: Die Mehrheit stellt sich Gott als eine Macht, Kraft oder Energie vor. Gott als Vater oder Freund zu sehen, ist dagegen "out". Dieser Trend ist bei einer Studie zum Vorschein gekommen, die Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Ziebertz und Diplom-Theologe Ulrich Riegel von der Universität Würzburg durchführen: Die Religionspädagogen haben 3.200 Neuntklässler an 28 bayerischen Schulen aller Schulformen über ihr Gottesbild befragt. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihrer Studie einen Beitrag zu einer Konzeption religiöser Erziehung leisten zu können, die den Freiheiten der modernen Gesellschaft Rechnung trägt. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Ziebertz, T (0931) 888-4838, Fax (0931) 888-4840, E-Mail:
    hg.ziebertz@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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