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01.03.2000 17:20

Neue Methode zur Tumorbehandlung wird in europaweiter Studie getestet

Monika Roegge Pressestelle Standort Essen
Universität Essen (bis 31.12.2002)

    53/2000
    1. März 2000

    Aus Mitteln ihres 5. Rahmenprogramms fördert die EU die Weiterentwicklung einer neuartigen Therapieform, der sogenannten Bor-Neutroneneinfangtherapie in den nächsten drei Jahren mit 2,1 Millionen Euro (ca. 4,2 Millionen Mark). Koordi-nator der Arbeiten, an dem zahlreiche Forschungseinrichtungen in verschiedenen Ländern Europas beteiligt sind, ist Dr. Wolfgang Sauerwein, Professor für Radiolo-gische Onkologie an der Strahlenklinik der Universität Essen. Sauerwein ist auch klinischer Leiter einer "Phase-I-Studie", in der seit 1997 Ärzte der Strahlenklinik Essen am Forschungsreaktor der Europäischen Kommission im niederländischen Petten im Rahmen eines früheren Forschungsprojektes Patienten, die an einem be-sonders bösartigen Hirntumor, dem Glioblastom, leiden, mit dieser Therapie be-handeln. Die Wissenschaftler wollen mit dieser noch nicht abgeschlossenen "Phase-I-Studie" herausfinden, wie verträglich die Methode ist - unabdingbare Vorausset-zung für einen späteren Einsatz als allgemeine Behandlungsform.

    Die Bor-Neutroneneinfangtherapie basiert auf der besonderen Eigenschaft des Bor-Isotops 10B, mit langsamen Neutronen zu reagieren - diese "einzufangen". Dabei zerfällt das Bor-Atom in einen Helium- und einen Lithiumkern, wobei relativ viel Energie frei wird. Sie wird im Gewebe in einem ganz kleinen Bereich, der etwa dem Durchmesser eine Zelle entspricht, deponiert und richtet so viele Schäden an, dass die betroffene Zelle nicht überlebt. Bei der Bor-Neutroneneinfangtherapie wird versucht, diese Reaktion in Krebszellen auszulösen, gleichzeitig aber gesunde Zellen zu verschonen.

    Die Therapie könnte, schätzt Professor Sauerwein, der Krebsbehandlung eine völlig neue Dimension eröffnen. Eine wesentliche Voraussetzung müsse aber erfüllt sein: Das Bor-Isotop dürfe sich nur in den Tumorzellen, nicht im gesunden Gewebe befinden.

    Hier liegt eine der großen Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung der Therapie. Bor im Gewebe kann man nur in großen Volumina, die sehr viele Zellen enthalten, nachweisen. Entscheidend für den Erfolg der Neutroneneinfangtherapie ist aber zu wissen, wie viel Bor sich wo in einer Zelle befindet. Eine Messmethode, um das zu ermitteln, gibt es bislang nicht. Ein wesentliches Ziel des neuen Vorhabens ist es, sie zu entwickeln.

    Weltweit stehen bislang zwei Medikamente für klinische Studien zur Bor-Neutroneneinfangtherapie zur Verfügung. Bei der ersten Studie in Europa, der "Phase-I-Studie" in Petten, wollten die Wissenschaftler vor allem die Giftigkeit und das Schädigungspotential dieser Medikamente ermitteln, um daraus auf die einem Patienten maximal zumutbare Dosis zu schließen. Im neuen Projekt soll versucht werden, die Menge des applizierten Medikaments zu steigern. Außerdem wollen die Wissenschaftler die Effizienz der Methode messen, indem sie das Verfahren auch zur Behandlung von Hirnmetastasen des Schwarzen Hauttumors anwenden. Sie sprechen auf herkömmliche Medikamente nur sehr schlecht an.

    Daneben wird eine weitere klinische Studie ausschließlich für das Klinikum Essen vorbereitet. Patienten, die wegen einer Krebserkrankung operiert werden müssen, können vor der Operation eine nicht giftige Menge eines Bor haltigen Medikaments bekommen. Nach der Operation werden dann im entfernten Tumor Menge und Verteilung des Bor-10 untersucht. Die Ärzte erhoffen sich dadurch Aufschlüsse, bei welchen Tumorarten die zur Verfügung stehenden Bor-Medikamente besonders erfolgversprechend eingesetzt werden können.

    An dem Projekt sind zahlreiche unterschiedliche Disziplinen und Institutionen be-teiligt. Dazu gehören die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission, die den für die Patientenbestrahlung benutzten High Flux Reaktor in Petten betreibt, und die in Petten angesiedelte holländische Nuclear Research and Consultancy Group (NGR), die in den Niederlanden die wesentliche Verantwor-tung für alle nuklearen Forschungsprojekte trägt. Gewonnen wurde auch die Euro-pean Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC), die eine ent-scheidende Rolle bei der klinischen Forschung zur Weiterentwicklung der Krebs-behandlung spielt. Die neuen Methoden zum Nachweis von Bor sollen an den Uni-versitäten Münster und Reims entwickelt werden. Datenerfassung und Datenmana-gement für die klinischen Studien hat die niederländische Stiftung NDDO Oncolo-gy übernommen. Die im Rahmen des Projektes behandelten Tumoren werden zentral an der Universität Bonn untersucht, alle Bilder, die zu diagnostischen Zwecken angefertigt werden, an der Universität Frankfurt gesammelt und beurteilt. Die Freie Universität Amsterdam betreut die Patienten während ihres Aufenthaltes in Holland und überprüft als "zentrale Apotheke" die Qualität der verwendeten Medika-mente. Die 40 Patienten, die in den nächsten drei Jahren in Petten bestrahlt werden sollen, kommen aus Krankenhäusern in vielen Ländern Europas.

    Redaktion: Monika Rögge, Telefon (02 01) 1 83-20 85
    Weitere Informationen: Prof. Dr. Wolfgang Sauerwein, Telefon (02 01) 7 23-20 50


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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