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02.03.2000 08:06

Struktur des ostdeutschen Gifts aufgeklärt

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Forscher wollen Toxaphen durch Mikroorganismen zersetzen

    Jena (02.03.00) In etlichen ostdeutschen Kellern und Gartenschuppen liegen wohl noch Säckchen mit der Aufschrift "Melipax". Unter diesem Produktnamen ist in der DDR das hochwirksame Pflanzen- und Fischgift "Toxaphen" - dem DDT vergleichbar - hergestellt und in großen Mengen eingesetzt worden. Während die Substanz aus chlorierten Kohlenwasserstoffen in den USA nur bis 1982 hergestellt werden durfte, gab es in der DDR nie ein Anwendungsverbot; erst nach der Wiedervereinigung wurden Herstellung und Verwendung gestoppt. "Keiner weiß heute, wo das Gift hingekommen ist", sagt PD Dr. Walter Vetter. Der Schadstoffspurenanalytiker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena fand zusammen mit seinen Kollegen von der Lebensmittelchemie noch vor kurzem einen Sack in Thüringen.

    Walter Vetter ist Toxaphen bereits seit vielen Jahren auf der Spur. In seiner Habilitation ist es ihm gelungen, die Struktur umweltrelevanter Komponenten des Gemischs, das über 600 Verbindungen enthält, weitgehend aufzuklären. "Eine vollständige Aufklärung der chemischen Struktur aller Verbindungen ist bei einem solch umfangreichen Gemisch kaum möglich", schränkt er ein.

    Anlass für das schwierige und zeitaufwendige Unterfangen waren Proben antarktischer Robben, die zwei unbekannte Komponenten enthielten. Wie sich - sehr viel - später herausstellte, handelte es sich um Rückstände von Toxaphen. Heute weiß Walter Vetter, dass das weltweit verbreitete Pestizid mit der warmen Luft aufsteigt und in den kälteren Regionen wieder niedergeht. Dort in den polaren Gebieten reichert sich das Gift dann in Fischen und Robben in hohen Konzentrationen an. Dass dadurch z. B. die Eskimos bedroht sind, will Dr. Vetter nicht bestätigen - eine gewisse Gefährdung besteht für sie allerdings, gibt der Jenaer Forscher zu.

    Toxaphen ist vor allem deshalb so gefährlich, weil sich bestimmte Bestandteile, die so genannten Octa- und Nonachlorverbindungen, im Körper nicht abbauen und dort angereichert werden, hat Vetter ermittelt. Hingegen können sich Hexa- oder Heptachlorverbindungen im Menschen nicht gefährlich anreichern.

    Über die Nahrung - v. a. Fische - aufgenommen, wird Toxaphen im menschlichen Fettgewebe gespeichert. Bisher kann man noch nicht festlegen, ab welcher Konzentration Toxaphenkomponenten toxisch wirken, denn nur wenige Wissenschaftler verfügen über die entsprechende analytische Ausstattung und Erfahrung. Doch die Nachweismöglichkeiten verbessern sich - auch dank des 39-jährigen Jenaer Wissenschaftlers, der zwei von drei für den Nachweis geeignete Leitstrukturen mitentdeckt hat.

    Unübersehbar wird mit den verbesserten Methoden immer häufiger Toxaphen in den verschiedensten Lebensmitteln und Umweltproben entdeckt. "Dennoch ist Toxaphen geradezu prädestiniert, übersehen zu werden", verweist Vetter auf ein weiteres Problem. Das Gift wird in den Böden, auf die es aufgebracht wurde, durch Mikroorganismen teilweise abgebaut.

    Diese Erkenntnis will Vetter nun gemeinsam mit Mikrobiologinnen der Jenaer Universität nutzen, um Toxaphen aus belasteten Böden zu entfernen. Untersucht werden soll in einem neuen Projekt, welches die idealen Bedingungen für den Toxaphenabbau durch Mikroorganismen sind und wie der Abbau durch solche Organismen optimiert werden kann. Doch bis die ostdeutschen und amerikanischen Kläranlagen mit diesen neuen Organismen bestückt werden können, muss noch viel geforscht werden, schraubt Walter Vetter all zu hohe Erwartungen zurück.

    Ansprechpartner:
    PD Dr. Walter Vetter
    Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena
    Dornburger Str. 24
    07743 Jena
    Tel.: 03641/949657
    Fax: 03641/949652
    E-Mail: b5wave@rz.uni-jena.de


    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Axel Burchardt M. A.
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931041
    Fax: 03641/931042
    E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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