Sind Kinderkliniken über Abrechnungspauschalen finanzierbar? Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) versammelte am 23.11. in Berlin Vertreter aller an der pädiatrischen Versorgung beteiligten Gruppen, um diese Frage zu beantworten und um konkrete Perspektiven für die Wirtschaftlichkeit von Kinderklinken zu erarbeiten.
"Die Notwendigkeit einer optimalen medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Kinder- und Jugendärzte muss nicht diskutiert werden, wohl aber die wirtschaftliche Perspektive der Kinder- und Jugendmedizin", so Prof. Dr. Frank Riedel, DGKJ. "Uns geht es um die Zukunftssicherung der Kinderkliniken, die flächendeckend das gesamte Leistungsspektrum der Pädiatrie anbieten, und unverzichtbar sind für das gesunde Aufwachsen unserer Patienten. Diese Leistung wird aber über die geltenden Abrechnungspauschalen noch nicht ausreichend honoriert."
Grundlage für die Vergütung von Krankenhausleistungen ist ein Fallpauschalensystem auf Basis von "Diagnosis Related Groups" (DRGs). Das DRG-System weist im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin gravierende Mängel auf, die sich für einzelne Häuser als existenzbedrohend erweisen, da es erbrachte Leistungen nicht ausreichend vergütet. Zwar zeigt sich das System als `lernend?, doch benötigt dieser Lernprozess so viel Zeit, dass die finanziellen Lücken die Häuser in eine Überlebenskrise bringen können. Um dem entgegenzuwirken, muss das DRG-System die Strukturen für das gesamte Fach Kinder- und Jugendmedizin kostendeckend abbilden, und hierzu ist die Unterstützung durch Kostenträger und Politik notwendig.
Vor diesem Hintergrund hält die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin folgende Punkte fest:
- Der hohe Personalbedarf insbesondere im Pflegebereich wird im DRG-System nicht ausreichend abgebildet. Bis zu 80% der Gesamtkosten in der Kinder- und Jugendmedizin entfallen auf diesen Posten, der nach einem 13 Jahre alten System berechnet wird, welches von überholten Pflege- und Arbeitsbedingungen ausgeht. Hier ist eine Aktualisierung dringend erforderlich, um insbesondere den hohen Pflegeaufwand in der Kinder- und Jugendmedizin angemessen zu vergüten.
- So genannte "seltene Erkrankungen" mit sehr geringen Patientenzahlen sind charakteristisch für die Kinder- und Jugendmedizin. Für viele von ihnen wurde noch keine eigene DRG ermittelt, und eine entsprechende Kostenabbildung ist somit noch nicht möglich. Hier muss dringend nachkalkuliert werden, um auch dem von einer seltenen Erkrankung betroffenen Patienten die angemessene Behandlung gewährleisten zu können.
- Ein besonderes Problem der Finanzierung von Kinderkliniken ist die schlechte Abbildung der Hochleistungsmedizin und damit insbesondere der Kinder- und Jugendmedizin an Universitätskliniken. Dabei ist die hier stattfindende enge Verzahnung von Forschung und Behandlungsfortschritt Voraussetzung für die ständige Entwicklung der bestmöglichen Versorgung kranker Kinder in Deutschland. Die nötigen zusätzlichen Vorhaltekosten können nicht von einem für die gesamte Kinder- und Jugendmedizin einheitlichen DRG-System abgebildet werden. Die Unterfinanzierung der Hochschulmedizin wirkt sich für die Kinder- und Jugendmedizin mit ihren hoch spezialisierten Bereichen besonders gravierend aus. - Hier bedarf es eines individuelleren Lösungsansatzes. Wie sich auch die Wissenschaftsministerien der Länder an der Finanzierung der Versorgungsmedizin beteiligen, um geeignete `Forschungspatienten? zu finden, müssen für die Erarbeitung des Fortschritts auch die Krankenkassen in Verantwortung genommen werden, da sie diese Leistungen an ihre Versicherten weitergeben.
- Kinderkliniken und -abteilungen bieten hochspezialisiertes Wissen und kindgerechte Versorgung. Eine ambulante Nutzung dieser Versorgung wird vor allem an Universitätskliniken derzeit nicht adäquat vergütet, obwohl der § 116b des Sozialgesetzbuchs dieses ausdrücklich vorsieht - allerdings nur in einer "Kann-Regelung". Bei konsequenter Umsetzung durch Kostenträger, Krankenhäuser und Politik könnte die feste Verankerung der Spezialambulanzen im kinder- und jugendmedizinischen Versorgungssystem auch wirtschaftliche Perspektiven eröffnen.
Noch immer werden nur 70% der Kinder- und Jugendlichen von pädiatrischen Spezialisten stationär behandelt, die übrigen werden z.B. auf Erwachsenenstationen untergebracht oder von Erwachsenenmedizinern betreut (die Vielzahl der in der ambulanten Erwachsenenmedizin behandelten Kinder ist hierin nicht berücksichtigt). Ein Missstand, dem nach Ansicht der DGKJ durch eine entschiedenere Steuerung leicht abzuhelfen wäre.
"Letztendlich bietet das DRG-System auch eine große Chance", meint Prof. Dr. Hansjosef Böhles, Präsident der DGKJ. "Wenn kinderspezifische DRGs nur in kindgerechten Einrichtungen angewendet werden dürften, wäre wahrscheinlich die optimale Versorgung von Kindern und Jugendlichen flächendeckend und auf hohem Niveau wirtschaftlich gesichert."
Pressekontakt
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
Dr. Sybille Lunau | Referentin Öffentlichkeitsarbeit | Eichendorffstraße 13 | 10115 Berlin
Tel.: (030) 308 777 9-14 | Fax: (030) 308 777 9-99 | http://www.dgkj.de | e-mail: presse@dgkj.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Recht, Wirtschaft
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Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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