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08.03.2000 13:05

Wie kommt der Sauerstoff ins Myoglobin?

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Wie kommt der Sauerstoff ins Myoglobin?
    Neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen von Proteinen mit Gasmolekülen

    Der weltweit bekannte Physiker Hans Frauenfelder (Los Alamos National Laboratory) hat das Myoglobin als das »Wasserstoffatom des Biophysikers« bezeichnet. So wie der Physiker die Prinzipien des Aufbaus aller Atome des Periodischen Systems anhand von Untersuchungen des Wasserstoffatoms verstehen lernte, könne der Biophysiker generelle Regeln der Physik von Proteinmolekülen durch das Studium von Struktur/Funktions-Beziehungen an Myoglobin erkennen. Myoglobin ist ein kleines Protein (Eiweiß), das den vom roten Blutfarbstoff Hämoglobin aus der Lunge in alle Bereiche des Körpers transportierten Sauerstoff im Muskel speichert.

    Unklar war bislang, wie die Struktur, die Strukturdynamik und die Funktion im Myoglobin zusammenhängen. Die Funktion ist klar: Speicherung eines Sauerstoffmoleküls am Eisen-Ion, der sogenannten Hämgruppe, im Zentrum des Proteins bis zu dem Zeitpunkt, wo es im Metabolismus (Stoffwechsel) benötigt wird. Dem Betrachter einer hochaufgelösten Röntgenstruktur von Myoglobin fällt auf, daß es keinen Kanal gibt, der dem Sauerstoff einen Zugang zu seinem Bindungsplatz am Hämeisen erlaubt. Offensichtlich sind kurzzeitige Strukturfluktuationen erforderlich, um Türen ins Innere des Proteins zu öffnen, durch die der Sauerstoff zur Bindungsstelle gelangen kann.

    Licht in diese Zusammenhänge haben Untersuchungen gebracht, die von zwei Arbeitsgruppen der Universität Ulm (Prof. Dr. Gerd Ulrich Nienhaus, Leiter der Abteilung Biophysik, und Robert Waschipky) und der Technischen Universität München (Prof. Dr. Fritz G. Parak, Andreas Ostermann) durchgeführt worden sind (die Zeitschrift »Nature«, London, berichtet darüber in ihrer Ausgabe vom 9. März 2000 in dem Beitrag »Ligand Binding and Conformational Motions in Myoglobin«). Die Arbeiten vermitteln Einsichten in die strukturellen Details der Wanderung des Sauerstoffmoleküls im Proteininneren.

    Zur Aufklärung der molekularen bzw. strukturellen Prozesse waren verschiedene Kunstgriffe erforderlich. Zum einen ließen die Biophysiker anstelle von Sauerstoff Kohlenmonoxid (CO) an das Eisen binden. Diese Bindung kann durch einen Laserblitz leicht gespalten werden, so daß sich daraufhin verfolgen läßt, wie das CO seinen Bindungsplatz verläßt und sich im Protein umherbewegt. Wesentlich war aber ein weiterer Trick: für die Untersuchungen wurde nicht das natürliche, sondern ein gentechnisch modifiziertes Myoglobin verwendet, bei dem die Aminosäure Nr. 29, ein Lysin, durch ein Tryptophan ersetzt ist. Dadurch wird die Rückbindung des CO nach dem »Abblitzen« drastisch verlangsamt, was präzise Röntgenstrukturanalysen von Zwischenzuständen ermöglicht. Durch Temperaturabsenkung auf -168° C gelang es, Schnappschüsse der Proteinstruktur in verschiedenen Stadien der Bewegung aufzunehmen und so eine Art Film anzufertigen, der den Weg des CO-Moleküls durch das Protein beschreibt.

    Die Ergebnisse konnten nur durch enge Zusammenarbeit einer spektroskopisch orientierten Arbeitsgruppe und einer Röntgenstrukturgruppe erzielt werden. Die Ulmer (spektroskopische) Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Nienhaus hat durch umfangreiche Analysen der Rückbindungskinetik nach Abblitzen des CO von seinem Bindungsplatz am Hämeisen mit Hilfe der Infrarot-Schwingungen des CO Moleküls die energetischen Verhältnisse des Systems erforscht. Dies ermöglichte die Vorhersage von CO-Bindungsplätzen im Protein. Am Physik-Department der TU München wurden dann Tieftemperatur-Röntgenstruktur- Untersuchungen bei 105 K (-168 °C) durchgeführt.

    Wechselwirkungen von Proteinen mit kleinen, zweiatomigen Gasmolekülen sind essentiell für verschiedenste biologische Prozesse. Hier wurde zum ersten Mal experimentell verfolgt, wie sich ein Gasmolekül im Protein bewegt. Dabei ist die Erkenntnis von wesentlicher Bedeutung, daß Bereiche des Proteins diffusionsartige Bewegungen ausführen, wodurch sich Kanäle öffnen, die dem Sauerstoff oder CO den Eintritt ins Proteininnere ermöglichen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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