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24.11.2006 15:32

Blaulicht stoppt Putzfimmel

Saar - Uni - Presseteam Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    SPERRFRIST: 26.November 2006, 19:00 Uhr

    Wissenschaftler entdecken Möglichkeit, mit Licht das Verhalten von Zellen und Tieren zu steuern:
    Mit Blaulicht kann die "Putzleidenschaft" der kleinen Taufliege Drosophila ein- und ausgeschaltet werden

    Der Botenstoff cAMP ist ein wichtiges Signalmolekül; er steuert grundlegende biologische Prozesse und ist vermutlich auch mitverantwortlich für kognitive Leistungen des Gehirns wie Intelligenz und Gedächtnis. Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung der Saarbrücker Zoologie hat jetzt eine Methode entwickelt, um diesen Botenstoff durch kurze Lichtblitze in lebenden Zellen und Tieren zu erzeugen. Bei Fliegen lassen sich damit Verhaltensänderungen an- und wieder abschalten, was an der Universität des Saarlandes untersucht wurde. Die besonders hohe zeitliche Auflösung dieses neuen lichtgesteuerten "Werkzeugs" sollte es ermöglichen, die Rolle von cAMP bei komplexen biologischen Fragestellungen, etwa den zellulären Vorgängen im Gehirn, besser zu verstehen, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von Nature Methods, die soeben erschienen ist.

    Um auf Veränderungen der äußeren Bedingungen reagieren zu können, müssen in einem Organismus verschiedene Signalketten geschaltet werden. Meist wird ein Signal zunächst von einem Rezeptor erkannt und dann über so genannte sekundäre Botenstoffe weitergeleitet. Dabei handelt es sich um kleine, wasserlösliche Moleküle, die sich durch Diffusion in Zellen leicht ausbreiten. cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat) ist ein solcher Botenstoff. Er überträgt beispielsweise das vom Stresshormon Adrenalin übermittelte Signal von der Plasmamembran einer Leber- oder Muskelzelle ins Zellinnere, wo es dann zum Abbau von Glykogen kommt. Dabei ist Adrenalin nur eines von vielen Hormonen und anderen Signalmolekülen, die die cAMP-Produktion in Gang setzen. cAMP beeinflusst Funktionen wie Herzschlag, Sekretion, Zellwachstum und vermutlich auch Intelligenz und Gedächtnis. Um diesen besonderen Botenstoff und sein Wirken weiter zu erforschen, wäre es ideal, wenn es sich schnell und wiederholbar in der lebenden Zelle bzw. im lebenden Tier erzeugen ließe.

    Enzyme, die cAMP herstellen, werden Adenylatcyclasen genannt. Im Jahr 2002 wurde von einer japanischen Gruppe erstmals ein Proteinkomplex aus einem grünen Einzeller, dem Geißeltierchen Euglena gracilis, beschrieben, bei dem es sich um eine Blaulicht-aktivierte Adenylatcyclase handelt (Iseki et al., Nature 415, 1047): Das Enzym erhöht blaulicht-abhängig die cAMP-Konzentration. Das Team um Professor Georg Nagel hat - zunächst am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt und später an der Universität Würzburg - in Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen von der Humboldt Universität Berlin, dem Forschungszentrum Jülich, der Universität des Saarlandes und einer Gruppe in Japan hat Bestandteile dieses Komplexes erstmals funktionell in tierischen Zellen exprimiert. Dazu wurde das Gen für eine der beiden Untereinheiten des Proteinkomplexes in Eizellen des südafrikanischen Krallenfrosches Xenopus laevis eingebracht und führte dann zur Produktion des entsprechenden Proteins. Wurden diese Eizellen mit Blaulicht belichtet, so kam es zu einem Anstieg in der cAMP-Konzentration. Für die Forscher war dies der Beleg, dass mit Blaulicht die Enzymaktivität ausgelöst worden war.

    Noch interessanter waren die Versuche mit transgenen Tieren, in diesem Fall der kleinen Taufliege Drosophila. Auch hier hatten die Forscher mithilfe einer Genfähre das Gen für die photoaktivierte Adenylatcyclase (PAC) in die Fliege eingeschleust. Das entsprechende Protein wurde nun in den Nervenzellen der kleinen Fliege exprimiert - und führt, wie Dr. Martin Schwärzel von der Universität des Saarlandes zeigen konnte, zu signifikanten Verhaltensänderungen: Werden Fliegen mit einem feinen Puder bestäubt, so fangen sie sofort an, sich zu putzen. Diese "Putzleidenschaft" kann bis zu 30 Minuten andauern. Auch transgene Tiere zeigen bei dieser Versuchsanordnung zunächst ein intensives Putzverhalten, wird jedoch Blaulicht eingeschaltet, so erstarrt die Fliege quasi - sie bewegt und putzt sich auch nicht mehr. Wird das Blaulicht wieder ausgeschaltet, so kehrt die Fliege innerhalb weniger Sekunden zu ihrer ursprünglichen Tätigkeit zurück.

    "Mit unseren Untersuchungen konnten wir demonstrieren, dass man dieses aus einem kleinen Einzeller stammende Enzym tatsächlich einsetzen kann, um die Konzentration des wichtigen Botenstoffs cAMP räumlich und zeitlich zu kontrollieren", erklärt Profesor Nagel. Die Vorteile der Methode liegen auf der Hand: Die aus Euglena stammende lichtaktivierte Adenylatcyclase wird von einem einzigen Gen kodiert, es bedarf keiner chemischen Veränderungen, auch die Zugabe eines Chromophors ist nicht erforderlich - jede Untereinheit des Enzyms besitzt einen eigenen Blaulicht-Photorezeptor - , das Substrat (ATP) ist in ausreichender Menge vorhanden und das Protein wirkt in der Zelle nicht toxisch. "Damit haben vor allem Neurobiologen ein ideales Werkzeug, um Signalpfade im Tiermodell zu studieren und Fragen beispielsweise zum Lernen und zur Gedächtnisbildung bei Drosophila aufzugreifen", betonen Nagel und Schwärzel.

    Originalpublikation:

    Saskia Schröder-Lang, Martin Schwärzel, Reinhard Seifert, Timo Strünker, Suneel Kateriya, Jens Looser, Masakatsu Watanabe, U Benjamin Kaupp, Peter Hegemann & Georg Nagel,
    Fast manipulation of cellular cAMP level by light in vivo, Nature Methods, Advanced Online Publication, 26. November 2006

    Link zum Film:
    http://www.uni-saarland.de/fak8/bi13wn/zoologie/neue_datei2.html
    (Film und Bilder ab Montag 27.11.06 verfügbar)

    Kontakt:
    Dr. Martin Schwärzel
    Universität des Saarlandes
    Telefon: +49 681 302 58137
    Fax: +49 681 302 66 52
    E-mail: m.schwaerzel@mx.uni-saarland.de

    Prof. Dr. Georg Nagel
    Universität Würzburg, Julius-von-Sachs-Institut, Würzburg
    Telefon: + 49 931 888 6143
    Fax: + 49 931 888 6158
    E-mail: nagel@botanik.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    regional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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