Statt mehr Konkurrenz wäre im Gesundheitswesen mehr Kooperation der Leistungserbringer notwendig / Private Zuzahlungen verschärfen soziale Ungleichheiten
Die Privatisierung von Gesundheitskosten und der harte Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern sind für einige Probleme im deutschen Gesundheitssystem mitverantwortlich. Zu diesem Schluss gelangen die Mannheimer Soziologen
Dr. Claus Wendt vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) und Dr. Christof Wolf vom Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA). "Der Trend zu steigenden privaten Zuzahlungen wird unserer Einschätzung nach dazu führen, dass vor allem ärmere Menschen nicht mehr alle notwendigen Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen können oder wollen", so Claus Wendt vom MZES. Ein allgemeiner und chancengleicher Zugang zu wichtigen Gesundheitsleistungen sei so auf Dauer nicht zu gewährleisten.
Der starke Wettbewerb auf dem Gesundheitssektor ist nach Wendts Einschätzung schädlich für die immer wichtiger werdende Kooperation zwischen Kliniken, Pflegediensten und anderen sozialen Dienstleistern. Der Anreiz, wichtige Informationen über Patienten und Behandlungsmaßnahmen aus Wettbewerbsgründen nicht an die Konkurrenz weiterzugeben, sei unter diesen Bedingungen hoch, so Wendt.
Deutsche Gesundheitsdienstleister arbeiten nach den Erkenntnissen von Claus Wendt also zu häufig gegeneinander statt miteinander. "Das ist besonders bedenklich, da mit einem wachsenden Anteil älterer Menschen auch die Zahl der multimorbiden Patienten steigt. Diese Menschen sind auf ein hohes Maß an Kooperation zwischen ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung sowie dem Pflegesektor und weiteren sozialen Dienstleistungen angewiesen. Wenn die Leistungserbringer nicht zusammenarbeiten, geht das direkt zu Lasten des Patienten", betont Wendt.
Das deutsche Gesundheitssystem ist nach Einschätzung des Soziologen für diesen negativen Aspekt des Wettbewerbs besonders anfällig. Claus Wendt: "In Deutschland haben wir eine relativ strikte Trennung zwischen ambulanter Versorgung, stationärer Behandlung und dem Pflegesektor. In Kanada, Schweden oder Dänemark kooperieren diese Sektoren deutlich intensiver."
Dargelegt sind diese Zusammenhänge in dem Sonderband "Soziologie der Gesundheit" der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS). Gemeinsam mit Christof Wolf vom ZUMA ist Claus Wendt Herausgeber dieser Fachpublikation. In "Soziologie der Gesundheit" werden mit dem Komplex der Lebenschancen und Lebensrisiken klassische Themen der Medizin- und Gesundheitssoziologie in einem aktuellen Kontext aufgegriffen. Enthalten sind auch neue Erkenntnisse zu besonders dynamischen Forschungsfeldern wie dem Vergleich europäischer Gesundheitssysteme, der EU-Gesundheitspolitik und der Bewertung des Gesundheitssystems durch die Bevölkerung. Co-Autoren sind internationale Experten wie Thomas Gerlinger, Michael Wadsworth, Theodore R. Marmor, William C. Cockerham, Bernhard Badura und Friedrich W. Schwartz.
Weitere Informationen:
Soziologie der Gesundheit
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
Sonderhefte Bd. 46
VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006
ISBN: 3-531-15296-3
Dr. Claus Wendt
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Tel.: +49-621-181-2819
claus.wendt@mzes.uni-mannheim.de
PD Dr. Christof Wolf
Wissenschaftlicher Leiter für den Bereich gesellschaftliche Dauerbeobachtung
Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA)
Tel.: +49 621 1246-153, -184, -0
wolf@zuma-mannheim.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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