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28.11.2006 11:49

Ohne Maulkorb und Leine

Dr. Ute Schönfelder Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Studierende der Universität Jena führen am 30. November das Programm des Physikerballs von 1956 wieder auf

    Jena (28.11.06) Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Nur noch zwei Tage bleiben Stefan Ringleb und seinen Kommilitonen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena für die Proben: Am 30. November stehen sie um 19.30 Uhr in der Mensa am Philosophenweg mit jenem Satire-Programm auf der Bühne, mit dem genau 50 Jahre zuvor Studierende für einen Eklat weit über Jenas Grenzen hinaus sorgten und die dramatische Folgen für einige der Beteiligten hatten.

    Denn die Sketche und Spielszenen nahmen jene Widrigkeiten scharf aufs Korn, mit denen Studierende Mitte der 1950er Jahre in der DDR zu kämpfen hatten. "Damals standen Russisch und ein gesellschaftswissenschaftliches Bekenntnisfach verpflichtend auf dem Stundenplan jedes Studenten", so Stefan Ringleb. "Das kostete viel Zeit und Arbeit, die von ihrem eigentlichen Studium abgingen." Der 23-jährige Physikstudent ist Mitglied im Fachschaftsrat der Physikalisch-Astronomischen Fakultät, der gemeinsam mit ehemaligen Studenten des Immatrikulationsjahrganges 1953 und der Jenaer Geschichtswerkstatt die Jubiläumsveranstaltung zum 50. Jahrestag des Physikerballs von 1956 organisiert.

    "Auch außenpolitische Ereignisse spiegelten sich in dem brisanten Programm wider", ergänzt Michael Ploenus. "So stürzte der sowjetische Parteichef Chruschtschow in einer geheimen Rede Anfang 1956 den bis dahin offiziell vergötterten Stalin vom Sockel", erinnert der Projektleiter der Geschichtswerkstatt e. V. weiter. "Der Volksaufstand in Ungarn war durch die Sowjetarmee gerade blutig niedergeschlagen worden und auch an den Universitäten in der DDR rumorte es." All das floss in die Texte des Programms ein. So beispielsweise in die von Heinz Steudel verfasste Szene "Jäger und Hund", von der Staatssicherheit später nur "Ungarnszene" genannt: Ein Jäger schlägt seinen Hund und lässt ihn einen Maulkorb tragen: zu seinem eigenen Schutz, wie er einem vorbeikommendem Wanderer versichert. Und auch die Leine sei gar keine Leine, sondern das "Band der Freundschaft", das den Hund ganz freiwillig bei seinem Peiniger halte.

    "Solche Spitzen sind natürlich auch heutigen Studierenden verständlich", sagt Stefan Ringleb. "Auch wenn unsere Generation die Situation in der damaligen DDR hauptsächlich nur noch von Erzählungen der Eltern oder älterer Bekannter kennt." Insgesamt sechs verschiedene Stücke haben sich die Studierenden aus dem historischen Programm ausgesucht und einstudiert. Eine reichliche Stunde soll die Aufführung des diesjährigen Programms dauern. "Dabei halten wir uns streng an die Originaltexte", versichert der Physikstudent. Aus heutiger Sicht sei es nur noch schwer nachvollziehbar, dass für eben jene Texte einige der damals Beteiligten zu Zuchthausstrafen verurteilt wurden. "Heute ist es, denke ich, viel schwieriger, sich überhaupt Gehör zu verschaffen. Sei es mit politischen oder satirischen Programmen", so Ringlebs Einschätzung. "Damals ging es eher darum, Themen so zu formulieren, dass man dafür nicht bestraft werden konnte."

    Vor Beginn der Aufführung wird es von der Geschichtswerkstatt eine Einführung in das damalige Universitätsklima und die Nachwirkung der ungarischen Revolution geben. Im Anschluss an die Spielszenen aus dem historischen Programm wollen die ehemaligen Akteure und heutige Studenten bei einer Podiumsdiskussion ins Gespräch kommen.

    Da die Nachfrage nach Eintrittskarten für die Jubiläumsveranstaltung am 30. November ungebrochen groß ist und der 220 Sitzplätze fassende Saal in der Mensa am Philosophenweg bereits seit zwei Wochen komplett ausgebucht ist, wird es eine Wiederholung des gesamten Programms am 9. Dezember geben.

    Für die Veranstaltung am 9. Dezember können sich Interessenten unter http://www.physik.uni-jena.de/~fachsch/page/PB1956/Anmeldung.htm anmelden.

    Kontakt:
    Fachschaftsrat der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Max-Wien-Platz 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 947095
    E-Mail: fsr[at]paf.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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