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30.11.2006 09:46

NRWs religiöse Landschaft: Ergebnisse der RUB-Tagung

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Nicht von der Religion, sondern von den sozio-ökonomischen Bedingungen hängt eine erfolgreiche Integration in erster Linie ab. Auch wirken viele Faktoren zusammen, wenn sich Parallelgesellschaften bilden. Religionsgemeinschaften bieten Zuwanderern ein erstes soziales Netz. Sie sollten aber nicht zur "Sackgasse" werden, sondern den Weg in die Gesellschaft öffnen. So lautete ein Fazit der Tagung "Region und Religion. Entwicklungen in der religiösen Landschaft Nordrhein-Westfalens" am 23. und 24. November an der Ruhr-Universität (Prof. Dr. Volkhard Krech, Religionswissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät). Vertreter christlicher, muslimischer, jüdischer und buddhistischer Vereinigungen diskutierten u. a. die Fragen: Können Religionsgemeinschaften Parallelgesellschaften bilden, bergen diese ein Konfliktpotenzial? Ist Recht ein Medium der Integration und wer vertritt die Religionsgemeinschaften gegenüber der Politik?

    Bochum, 30.11.2006
    Nr. 404

    Religion und Integration
    Nordrhein-Westfalens religiöse Landschaft
    RUB-Tagung: Christen, Muslime, Juden und Buddhisten im Diskurs

    Nicht von der Religion, sondern von den sozio-ökonomischen Bedingungen hängt eine erfolgreiche Integration in erster Linie ab. Auch wirken viele Faktoren zusammen, wenn sich Parallelgesellschaften bilden. Religionsgemeinschaften bieten Zuwanderern ein erstes soziales Netz. Sie sollten aber nicht zur "Sackgasse" werden, sondern den Weg in die Gesellschaft öffnen. So lautete ein Fazit der Tagung "Region und Religion. Entwicklungen in der religiösen Landschaft Nordrhein-Westfalens" am 23. und 24. November an der Ruhr-Universität (Prof. Dr. Volkhard Krech, Religionswissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät). Vertreter christlicher, muslimischer, jüdischer und buddhistischer Vereinigungen diskutierten u. a. die Fragen: Können Religionsgemeinschaften Parallelgesellschaften bilden, bergen diese ein Konfliktpotenzial? Ist Recht ein Medium der Integration und wer vertritt die Religionsgemeinschaften gegenüber der Politik?

    NRWs religiöse Vielfalt

    Über 9000 Datensätze lieferte die weltweit erste Studie, die religiöse Gemeinschaften und ihre Mitglieder in Nordrhein-Westfalen flächendeckend und detailliert erfasst. Dabei sprechen 287 religiöse Gemeinschaften und Strömungen, die landesweit auf etwa 7 000 Gemeinden und Ortsgruppen verteilt sind, für eine starke Pluralisierung der Gesellschaft. Als "Daumenregel" für die Religionsgemeinschaften und Strömungen in Nordrhein-Westfalen gilt: ein Drittel Römisch-Katholische Kirche - ein Drittel Evangelische Kirchen - ein Drittel alle anderen Religionsgemeinschaften. 25 Prozent der Bewohner Nordrhein-Westfalens, d.h. etwa vier Millionen Menschen, haben einen Migrations-Hintergrund.

    Was typisch deutsch ist

    "Politik beginnt damit, die Gesellschaft so wahrzunehmen, wie sie ist" - diesem Ziel dient letztlich auch die Auswertung der Datenfülle aus der Studie "Religiöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen". Dem ausgewiesenen Pluralismus scheint in Deutschland die tief verwurzelte Ansicht gegenüber zu stehen, Gemeinwohl sei nur in einer homogenen Gesellschaft zu erreichen. Auch hat die Unbeweglichkeit der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern - etwa Großbritannien - Tradition. Dabei kommt es auch darauf an, dass die Mehrheitsgesellschaft keine Abkapselung der Minderheiten zulässt. Integration ist die Leistung beider Seiten - der "Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft".

    Muslime - kein monolithischer Block

    Religiöse Organisationen weisen im Ruhrgebiet und in der Rheinschiene die höchste Organisationsdichte auf - das ergab die Studie: Im Durchschnitt findet man hier mehr als eine religiöse Organisation pro Quadratkilometer. So gibt es etwa eine Dichte verschiedener - kaum miteinander kommunizierender - muslimischer Religionsgemeinschaften, die so in den Ursprungsländern dieser Religion nicht vorkommt. Dies widerspricht zugleich dem Bild der "Mehrheitsgesellschaft" von den Muslimen als "monolithischem Block", das letztlich auch das Phantom der Parallelgesellschaft heraufbeschwört.

    Konflikte: Von Schulpflicht bis Kopftuchverbot

    Religionskonflikte treten derzeit etwa bei Evangeliumschristen-Baptisten in Ostwestfalen (russlanddeutsche Aussiedler) vor allem zum Thema "Schulpflicht" auf. Unter Berufung auf die Religionsfreiheit lehnen sie die staatliche Schulpflicht ab und fordern die "Heimschulung" (Antrag derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Als Mittelweg käme die Privatschule infrage: Evangeliumschristen-Baptisten wären dort in der Unterrichtsgestaltung frei, und doch stehen Privatschulen unter staatlicher (Rechts-) Aufsicht. Weitere Konflikte entstehen etwa mit Muslimen durch das Schächten, das Kopftuchverbot, Moscheenbau oder die Befreiung von koedukativem Sport- und Schwimmunterricht. Dabei werden kulturelle Konflikte häufig in religiöse Konflikte umgedeutet. Viele Konflikte mit dem Islam ließen sich durch die Anerkennung des Rechtsstatus als Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes lösen (gegenwärtig beim OVG Münster).

    Recht und Integration

    Die staatlich zu gewährleistende Religionsfreiheit reicht nach dem Bundesverfassungsgericht (BverfG) so weit, dass die gesamte Lebensführung nach den Grundsätzen des eigenen Glaubensbekenntnisses ausgerichtet werden kann. Das Religionsverfassungsrecht gibt unter bestimmten Voraussetzungen den Religionsgemeinschaften einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, Religionsunterricht an staatlichen Schulen als ordentliches Lehrfach zu erteilen. Unter bestimmten Voraussetzungen verleiht der Staat den Religionsgesellschaften den Status einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Solche korporierten Gesellschaften verfügen über Hoheitsbefugnisse, dazu gehören das Recht zur Erhebung von Steuern, die Dienstherrenfähigkeit oder die Durchführung der Anstaltsseelsorge.

    Gesucht: Ansprechpartner für den Staat

    Damit eine Religionsgemeinschaft die Vorteile der rechtlichen Anerkennung nutzen kann, braucht der Staat einen Ansprechpartner (Organisation) für eine verbindliche Kommunikation. Aus diesem Grund finden derzeit Verhandlungen zwischen muslimischen Verbänden und dem Land NRW statt. Es geht dabei um die Frage, welche Organisationen die muslimische Bevölkerung in NRW repräsentieren sollen.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Volkhard Krech, Lehrstuhl für Religionswissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/ 32-22272, E-Mail: religionswissenschaft@rub.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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