Verkehrssicherheit: Ein neues Innendesign von Schienenfahrzeugen soll die Sicherheit der Fahrgäste erhöhen. Auch neuartige Materialien bieten einen verbesserten Crash-Schutz. Dafür erproben TU-Wissenschaftler eine Knetmasse, die in Wagenkupplungen eingespritzt werden kann und Deformationsenergie effektiver aufnimmt als die Stoßdämpfer bei Autos.
Tritt der Straßenbahnfahrer mit viel Elan auf die Bremsen, werden die Reisenden mit einem heftigen Ruck aus ihren Gesprächen gerissen. Obwohl Gurte, Seitenaufprallschutz und ABS bei Autos zur Standardausrüstung gehören, wurde für die Fahrgastsicherheit in Schienenfahrzeugen bisher nur wenig getan. Gerade da knüpfen nun die Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) Berlin mit verschiedenen Forschungsprojekten an. Neben der Weiterentwicklung aktiver Sicherheitssysteme wie Brems- und Signalanlagen konzentriert sich ein Team vom Fachgebiet Schienenfahrzeuge vor allem auf die Verbesserung des Designs, um die so genannte passive Sicherheit zu erhöhen.
Polsterungen, Becken- bzw. Dreipunktgurte oder verbesserte Knautschzonen werden von ihnen als Schutzmaßnahmen für die Fahrzeuginsassen am Computer oder im Experiment geprüft. "Wenn wir wissen, wie sich die Energie bei einem Frontalcrash über das Schienenfahrzeug effektiv verteilen lässt", erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter Steffen Sohr, "dann prüfen wir auch geeignete Materialien, die diese Kräfte regelrecht aufsaugen." Ziel ist es nämlich, die in nur Sekundenbruchteilen nach einem Unfall auftretende Deformationsenergie gefahrenfrei für die Passagiere umzuleiten.
"Beispielsweise können die Kupplungen, die zwei Wagen verbinden, so konstruiert werden, dass sie bei einem Zusammenstoß Energie aufnehmen und die wirkenden Kräfte abdämpfen." Dafür erproben die Wissenschaftler eine Knetmasse mit bemerkenswerten Eigenschaften: Liegt sie auf dem Tisch, zerfließt sie langsam. "Doch schlägt man hart mit der Faust darauf, nimmt die Knetmasse kurzfristig die Deformationsenergie auf und springt dann in ihre ursprüngliche Form zurück", erklärt Steffen Sohr die Stoffeigenschaften von Elastomer, das in die metallenen Pufferrohre als Füllung eingespritzt werden könnte. Auf Grund vernetzter Molekülbindungen und der elektrostatischen Anziehungskräfte zwischen ihnen "schluckt dieser spezielle Puffer mehr Energie als beispielsweise ein Stoßdämpfer bei einem Auto".
Solche energiefressenden Systeme könnten die passive Sicherheit in Straßenbahnen effektiv unterstützen, verlieren jedoch bei höheren Geschwindigkeiten ihre schützende Funktion. Für Schnellzüge etwa müssen andere Lösungen gefunden werden.
"Mit einem speziellen Rechnerprogramm prüfe ich auch verschiedene Sitzanordnungen und ihre Wirksamkeit, Passagiere bei einem Aufprall abzufedern", ergänzt Steffen Sohr. Neben der Position trägt besonders die Beschaffenheit des Sitzmaterials zu einer weichen Landung bei. Eine dicke Polsterung, ein federnder Sitzfuß oder eine nachgiebige Rückenlehne bieten dem Fahrgast die Möglichkeit, sanfter mit dem Fahrzeug zu verzögern und somit schwere Verletzungen zu vermeiden.
Dass die Untersuchungsergebnisse auch auf Interesse bei den Herstellerfirmen stoßen, zeigt das Berliner Beispiel: Für die neuen Baureihen der S- und U-Bahnen werden bereits Elastomer-Puffer verwendet. Außerdem forderten kürzlich die Verkehrsexperten von SPD und CDU eine Gurtausstattung aller Züge als Konsequenz aus dem schweren Zugunglück von Brühl, bei dem acht Reisende getötet und 148 Passagiere verletzt wurden.
Datenbank
Ansprechpartner: Dipl.-Ing. Steffen Sohr und Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht, Technische Universität Berlin, Institut für Straßen- und Schienenverkehr
Fachgebiet: Schienenfahrzeugtechnik
Forschungsprojekt: "Passive Sicherheit und fahrgastsicherheitsorientierte Innenraumgestaltung von Schienenfahrzeugen"
Kontakt: Salzufer 17-19, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-22444, E-Mail: Steffen.Sohr@tu-berlin.de, Internet:
http://www.tu-berlin.de/fb10/ISS/FG9/passsich.htm
Technische Universität Berlin
Presse- und Informationsreferat
Dr. Kristina R. Zerges
Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin
Tel.: 030 / 314-22919 /-23820, Fax: 030 / 314 / 23909
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Verkehr / Transport, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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