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05.12.2006 11:02

Rektor Prof. Hommelhoff über das Zusammenspiel von Forschung und Universität in Deutschland

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Während der "Deutsch-Französischen Wissenschaftsdialoge" heute in der Aula der Alten Universität thematisierte Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff vor allem Exzellenzinitiative und Föderalismusreform

    Während der "Deutsch-Französischen Wissenschaftsdialoge" heute in der Alten Universität thematisierte der Rektor der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Peter Hommelhoff, vor Teilnehmern aus Deutschland und Frankreich das Zusammenspiel von Forschung und Universität in Deutschland und legte den Schwerpunkt dabei auf die Exzellenzinitiative und die Föderalismusreform. "Eine Möglichkeit, die Hürden der Antragsvoraussetzung zu nehmen, könnte gerade für Heidelberg in Anträgen mit starker interdisziplinärer Ausrichtung, insbesondere in Verbindung von Natur- und Lebenswissenschaften einerseits sowie Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften andererseits liegen", sagte der Rektor. Nach seinem Einführungsvortrag stellte Prof. Dr. Jean-Yves Mérindol, ehemaliger Präsident der Universität Strasbourg 1 und wissenschaftlicher Berater des Bürgermeisters von Paris in Sachen Forschung, die französische Lage dar, gefolgt von weiteren Rednern aus beiden Ländern.

    Hommelhoff: "Zwei Entscheidungen der Wissenschaftspolitik haben das Zusammenspiel zwischen Forschung und Universität in Deutschland nachhaltig berührt: die Auslobung der Exzellenzinitiative und die Föderalismusreform.

    1. EXZELLENZINITIATIVE
    Um die Auswirkungen in ihrem Ausmaß erfassen zu können, bedarf es eines kurzen Überblicks über die deutsche Forschungslandschaft. Diese ist charakterisiert durch die Sektoren Wirtschaft, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Die Besonderheit der Aufspaltung zwischen Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen beeinträchtigt die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Sichtbarkeit deutscher Universitäten. Hinzu kommen finanzielle und strukturelle Bedingungen, die diese Entwicklung begünstigt haben. Im Zuge der Bildungsexpansion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vervielfachte sich die Zahl der Studierenden und der Professoren. Damit veränderte sich auch der Charakter der Universitäten: weg von elitären Bildungsanstalten (weitgehend für eine privilegierte Schicht) hin zur anonymen Massenuniversität.

    Anders die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Sie konnten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kontinuierlicher entwickeln als die Hochschulen. Deren fiskalische Engpässe beförderten die Auslagerung von Forschungseinrichtungen ebenso wie die stärkere Zuständigkeit des Bundes für viele außeruniversitäre Einrichtungen. Die Relationen zwischen dem Hochschulbereich und dem außeruniversitären Bereich verschoben sich langsam aber stetig: Während die Ausgaben für die Forschungsförderung außerhalb der Hochschulen zwischen 1975 und 1990 um 110% wuchsen, konnten die Hochschulen im gleichen Zeitraum lediglich eine Steigerung um 87% verbuchen - in Baden-Württemberg übrigens sehen die Zahlen sehr viel günstiger aus als im Bund. Die außeruniversitären Einrichtungen, die im internationalen Wettbewerb deutlich besser aufgestellt sind als die deutschen Hochschulen, demonstrieren weithin wahrnehmbar zugleich, dass hervorragende Wissenschaft nicht bloß eine Frage des Geldes ist. Wissenschaft braucht neben einer guten Ausstattung vor allem Freiheiten und Gestaltungsspielraum, also effektive Autonomie. Die größere Autonomie der außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat zusammen mit ihrer finanziell besseren Entwicklung deutliche Spuren hinterlassen und zu erkennbaren Resultaten geführt. Für die Hochschulen, namentlich für die Universitäten wird es höchste Zeit, dass sie aufholen und aufholen dürfen, denn sie sind trotz all ihrer knappen Ausstattung bereit dazu.

    Die Chance hierfür bietet die Exzellenzinitiative, mit der die Politik gezielt die universitäre Spitzenforschung stärken möchte, um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken und international wettbewerbsfähig zu machen. Insgesamt werden 40 Graduiertenschulen mit jeweils rund 1 Mio. Euro und 30 Exzellenzcluster mit rund 6,5 Mio. Euro pro Jahr auf die Dauer von fünf Jahren gefördert. Daneben sollen zehn Universitäten für ihre Zukunftskonzepte zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung mit 13,5 Mio. Euro unterstützt werden. Die Entscheidungen zur ersten Ausschreibungsrunde sind Mitte Oktober gefallen: sie haben bestätigt, was viele Wissenschaftler bereits im Vorfeld befürchtet hatten: die Exzellenzinitiative kommt Natur- und Lebenswissenschaftlern sowie Ingenieuren stärker entgegen als Geisteswissenschaftlern, denen die Zusammenarbeit in großen Forschungsverbünden eher fern liegt. Zur klugen Reflexion braucht ein Philosoph zwar anregende Gesprächspartner, vor allem aber Zeit und Muße zum Nachdenken. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Tendenz auch in der zweiten Ausschreibungsrunde bestätigen wird. Eine Möglichkeit, die Hürden der Antragsvoraussetzung zu nehmen, könnte gerade für Heidelberg in Anträgen mit starker interdisziplinärer Ausrichtung, insbesondere in Verbindung von Natur- und Lebenswissenschaften einerseits sowie Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften andererseits liegen.

    Eine Entwicklung wird der Ausgang der Exzellenzinitiative unangezweifelt beschleunigen: die Differenzierung der Hochschullandschaft. Von einer bundesweit gleichen Qualität der Universitäten, wie sie noch in den sechziger und siebziger Jahren angestrebt wurde, redet heute niemand mehr. Die Universitäten haben erkannt, dass Profilbildung und Profilschärfung im nationalen und internationalen Wettbewerb der Hochschulen unverzichtbar sind. So lassen sich forschungsbetonte Universitäten von stärker lehrbezogenen unterscheiden. Forschungs-konzentrierte Universitäten zeichnen sich durch ihre vorzügliche ausgewiesenen Forscher aus, durch die Zahl der Publikationen, durch ihren wissenschaftlichen Nachwuchs von höchster Qualität sowie Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche. Voraussetzung hierfür sind hohe Investitionen in Labore, Bibliotheken und sonstige wissenschaftliche Ausstattung. Aus alledem resultiert ein hohes Drittmittelaufkommen, insbesondere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der EU, aber auch aus Projekten, die an Akademien der Wissenschaften betrieben werden: Bereits heute streichen 20% aller deutschen Universitäten knapp 60% aller DFG-Gelder ein.

    Diesen forschungskonzentrierten Universitäten stehen stärker lehrbezogene Universitäten gegenüber, die sich durch stark angeleiteten, teilweise verschulten Unterricht mit intensiver Studierendenbetreuung auszeichnen.

    Daneben kann zwischen regional aufgestellten und überregionalen/internationalen Universitäten sowie zwischen Universitäten klassischen Zuschnitts gegenüber Ein-Fach-Hochschulen oder Teiluniversitäten (wie zum Beispiel Konstanz oder Paderborn) unterschieden werden.

    Angestoßen durch die gesetzliche Vorgabe, Struktur- und Entwicklungspläne aufzustellen, bemühen sich derzeit viele Universitäten darum, ihre Aktivitätsbereiche, ihre Kernkompetenzen (wie vornehmlich die Technischen Universitäten) bewusst zu beschreiben und damit ihr ein wenig verschwommenes Profil so markant zu schärfen, dass sie noch fähiger werden, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen im nationalen Wettbewerb und darüber hinaus auch im europäischen und im internationalen mithalten zu können. Die Ausschreibung der Exzellenzinitiative hat diese Entwicklung beschleunigt. Im Antrag zur dritten Säule wird eine ausführliche Stärken-Schwächen-Analyse ebenso erwartet wie die Definition von strategischen Forschungsfeldern, in die die Antrag stellende Universität zukünftig investieren möchte.

    2. FÖDERALISMUSREFORM
    Tiefgreifende Auswirkungen auf die Forschung an deutschen Universitäten wird auch die Föderalismusreform haben, also die klare Abgrenzung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen verbunden mit der Aufgabe von bisherigen Gemeinschaftskompetenzen. Schon bislang haben das föderale System und die Schwäche des Bundes in der Hochschulpolitik verhindert, dass dies Politikfeld als nationales Thema in die strategischen Überlegungen der bundespolitisch relevanten Akteure einfloss. Gegenläufige Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat blockierten weitreichende Reformen auf einem föderal geprägten Politikfeld mit ausgeprägt schwacher Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wie das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen "Juniorprofessur" und "Studiengebühren" diese Kompetenz jüngst beschrieben hat. In der föderalen Struktur der Wissenschaftspolitik wird man auch den wesentliche Schlüssel für den geringen Stellenwert der Bildungspolitik in der politischen Debatte zu suchen haben. Deutlich wird dies auch an der Exzellenzinitiative, die maßgeblich vom Bund angestoßen wurde und zu einer bundesweit einzigartigen Aufbruchstimmung in den Hochschulen und überregionalem Medieninteresse geführt hat. Die unerträgliche Einlassungen hierzu in manchen Bundesländern haben wir mittlerweile vergessen.

    Wurde mit der großen Grundgesetzreform 1969 noch der sog. "kooperative Bildungsföderalismus" eingeführt, der Teile des Hochschulbereichs in die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern überführte (Hochschulbau, Bildungsplanung, Forschungsförderung), reduziert sich der Einfluss des Bundes mit der Föderalismusreform im wesentlichen auf Forschungsförderung. Stand dem Bund im Bereich des Hochschulrechts früher eine so genannte Rahmengesetzgebung zu, darf er künftig nur noch in den Bereichen "Hochschulzulassung" und "Hochschulabschlüsse" eigene Regelungen treffen. Alle anderen Bereiche des Hochschulrechts, wie Struktur und Aufgaben von Hochschulen und Hochschulpersonal, bleiben zukünftig ausschließlich der Gesetzgebungskompetenz der Länder vorbehalten. Einschneidende mittelbare Folgen auf die Forschung wird der Umstand haben, dass auch die Verantwortung für den Hochschulbau nunmehr bei den Ländern liegt und damit von der Finanzlage der Länder determiniert wird. Allein überregional bedeutsame Forschungsbauten und Geräte können auch künftig auf eine gemeinsame Förderung von Bund und Ländern hoffen.

    Föderalismusreform und Exzellenzinitiative lassen daher eine gemeinsame Schlussfolgerung zu: beide Maßnahmen begünstigen ausgewählte international wettbewerbsfähige Forschungseinrichtungen. Der internationale Wettbewerb um die besten Forschungsstätten und die damit verbundenen Verdrängungsfolgen ist auch in Deutschland angekommen.

    Allerdings bleiben auf der Länderebene zwei Politikfelder von herausragender Bedeutung: zum einen - welchen Stellenwert messen die jeweiligen Landesregierungen und Landesparlamente der Bildung einschließlich ihrer Hochschulen bei? Insoweit stehen Bildungs- und Hochschulpolitik im Wettstreit mit Wirtschafts-, Regional- und Sozialpolitik. Und zum anderen: Welchen Stellenwert bekommen Bildungs- und Hochschulpolitik im Landeshaushalt eingeräumt? Auch hier gilt: nur Bares ist Wahres. Insoweit hat das Land Baden-Württemberg bisher schon Vorbildliches geleistet: hoffen wir wohlgemut auf eine Fortsetzung dieser politischen Strategie".
    (Hommelhoff)

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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