idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.12.2006 14:50

Lassen sich O-Beine beim Dackel nachbessern?

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    In einer überregionalen Tageszeitung hieß es kürzlich: "Rettet das Bürgerliche Gesetzbuch vor Brüssel". Doch eine Tagung an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg hat gezeigt, dass weder Brüssel noch Berlin als Gesetzgeber rechtliche Perfektion bieten.

    Die Tagung befasste sich mit dem Thema "Schuldrechtsmodernisierung und Europäisches Vertragsrecht". Ihre Teilnehmer bewerteten manche Einzelpunkte der deutschen Schuldrechtsmodernisierung des Jahres 2002 durchaus positiv.

    Doch es wurde auch Kritik laut - etwa über den so genannten "Vorrang der Nacherfüllung". Das bedeutet: Falls ein Käufer eine mangelhafte Sache erwirbt, muss er zunächst eine Nachbesserung oder Nachlieferung verlangen, bevor er von dem Kauf zurücktreten oder Schadensersatz verlangen kann.

    Handelt es sich bei der mangelhaften Sache zum Beispiel um einen Dackel mit O-Beinen oder um einen schadhaften Gebrauchtwagen, dann treten in der Praxis allerdings erhebliche Rechtsprobleme auf. Dem Dackel wurde eine am Schienbein verschraubte Platte eingesetzt, die jedes halbe Jahr tierärztlich kontrolliert werden musste - damit war nach dem Bundesgerichtshof eine vollständige Mangelbeseitigung nicht möglich. Da der Züchter den genetischen Defekt nicht zu vertreten hatte - die anderen Welpen waren einwandfrei -, haftete er dennoch nicht auf Schadensersatz wegen der Operationskosten. Kauft jemand zum Beispiel einen mangelhaften Gebrauchtwagen, dann muss er dem Verkäufer erst eine Frist zur Nacherfüllung setzen und verliert seine Rechte, wenn er voreilig selbst die Reparatur bei einem Dritten in Auftrag gibt.

    Kritisch beurteilt wurden bei der Tagung zudem die Komplexität der vielen Unterscheidungen der Schadensersatzregelungen sowie die Exportfähigkeit der "culpa in contrahendo" (Verschulden bei Vertragsverhandlungen). Diese stellt im BGB zwischen die Haftung aus Vertrag und Delikt eine "vorvertragliche" Haftung und verwirrt so manchen europäischen Juristen.

    Auch die Brüsseler Gesetzgebung - übrigens der Ursprung der deutschen Schuldrechtsmodernisierung - ist nicht gegen Schwierigkeiten gefeit. Ihr Ausbau im Vertragsrecht wird derzeit in einem nur vage definierten, aber ambitiösen Projekt namens "Gemeinsamer Referenzrahmen" propagiert. Auch wird in anderen Mitgliedstaaten der EG über eine Schuldrechtsmodernisierung nachgedacht oder ist eine solche bereits erfolgt. Deutschland war hier nach den Niederlanden ein Vorreiter.

    Veranstalter der international besetzten Tagung war der Lehrstuhl von Professor Oliver Remien. Bei den Referenten handelte es sich um Universitätsprofessoren aus Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Spanien und Ungarn. Sie zeigten auf, dass ihre jeweiligen nationalen Schuldrechtsmodernisierungen soweit vorhanden teils europäisch, teils national geprägt sind. In Italien zum Beispiel hat der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi vor seinem Abgang noch ein Verbrauchergesetzbuch geschaffen, das europäische Richtlinien zusammenfasst, zugleich aber in einem Spannungsverhältnis zum italienischen Zivilrecht steht.

    "Das gemeinsame europäische Gespräch über Rechtsfragen müsste daher noch weiter intensiviert werden", fordert Remien: "Dazu gibt die deutsche Schuldrechtsmodernisierung zwar einen Anstoß, aber mancher Europäer mag mit dem spanischen Referenten ausrufen: 'Rettet uns vor dem BGB!'"

    Europäische und nationale Ebene stehen, wie der englische Referent aus Cambridge zeigte, heute rechtlich in einem Interaktionsverhältnis. Dem tragen die europarechtlichen Würzburger Studiengänge Rechnung, deren Teilnehmer sich in großer Zahl an der Tagung beteiligten.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Oliver Remien, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung, T (0931) 31-2500, Fax (0931) 31-2503, remien@jura.uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).