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27.03.2000 00:00

"Um die Bahn zu retten, muss man sie zerschlagen"

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Prof. Dr. Franz Lehner, Präsident des Instituts Arbeit und Technik, schlägt Wettbewerbsmodell vor

    "Das Monopol der Deutsche Bahn AG muss zerschlagen werden, damit in diesem Verkehrsbereich Wettbewerb eingeführt und mit besserem Angebot und mehr Service die Abwärtsspirale gestoppt werden kann". Das schlägt Prof. Dr. Franz Lehner, Präsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) vor. Die Deutsche Bahn AG mache sich jetzt mit viel Nachdruck daran, dem schlechten Ruf des Monopolisten - einfallslos, unbeweglich und wenig kundenfreundlich - gerecht zu werden. "Sie wird immer schlechter, unzuverlässiger und unsicherer, sie verliert Kunden - und wenn sie dann dicke Verluste einfährt, fällt ihren Chefs nichts anderes ein, als Personal abzubauen und Leistungen zu kürzen. Das führt dazu, dass der Kundendienst noch schlechter und das überalterte Rollmaterial noch weniger gewartet wird. Die Abwärtsspirale ist programmiert.

    Als die Politiker die damalige Bundesbahn "privatisiert" haben, erhofften sie sich mehr Wirtschaftlichkeit. Dass Privatisierung noch lange nicht Marktwirtschaft heißt, sondern diese nur über die Einführung von Wettbewerb zu machen ist, blieb ihnen wohl verborgen. Selbst als Deutschland nach der Wiedervereinigung zwei Bahnen hatte, wurde das nicht als Chance begriffen, wirklichen Wettbewerb auf den Eisenbahnschienen zu schaffen. Im Gegenteil wurde die Deutsche Reichsbahn eilig in die Deutsche Bahn AG eingebracht. Damals wurde eine historische Chance der Wiedervereinigung verpasst - beileibe nicht die einzige, aber doch eine wichtige.

    Das Resultat ist ein Monopolist, der weder wie ein am Markt operierendes Unternehmen durch den Wettbewerb gesteuert wird, noch wie ein solider Staatsbetrieb einer politischen und fiskalischen Kontrolle unterliegt. Das Argument, dass die Bahn in hartem Wettbewerb stehe mit dem Straßenverkehr, der Luftfahrt und der Binnenschifffahrt - und wenn man es so sieht, auch noch mit den Fahrrädern und den Schuhsohlen - ist zwar nicht völlig falsch, aber doch eine völlig verkürzte Sichtweise von Marktwirtschaft. Bezogen auf die Automobilindustrie würde niemand ernsthaft ein solches Argument zu bringen wagen und die Wettbewerbshüter würden längst eingreifen, bevor z. B. Daimler Chrysler auch nur die Hälfte der deutschen Automobilindustrie aufgekauft hätte.

    In wenigen Jahren soll die Deutsche Bahn AG auch noch an die Börse gehen. Was dann passiert, ist absehbar - sie wird zwar weiterhin nicht dem Wettbewerb unterworfen, dafür aber dem Prinzip des shareholder values. Um den shareholdern zu gefallen, werden noch mehr Arbeitsplätze weggeputzt und das "Geschäft" noch mehr auf die wirtschaftlichen "Kernbereiche" konzentriert. Die Deutsche Bahn AG wird auf der Abwärtsspirale so lange weiter machen, bis die Bahn nur noch jene "Filetstücke" aus ihrem einstmals dichten Streckennetz bedient, die auch der dümmste Unternehmer kaum mit Verlusten betreiben könnte. Begleitet wird das Ganze mit vielen Subventionen, für die wir, die Steuerzahler, als Gegenwert ein immer dünneres und schlechteres Bahnsystem erhalten - das sollte sich mal ein Unternehmen leisten, das wirklich im Wettbewerb steht.

    Was soll man dagegen machen? Der Staat sollte Monopole nach Möglichkeit zerschlagen, wie das die amerikanische Regierung vor Jahren mit der übermächtigen Telefongesellschaft Bell und anderen Unternehmen gemacht hat. Die Bahn AG zerschlagen heißt, eine eigene Gesellschaft für das Netz zu bilden, die, weil sie ja auch ein Monopol besitzt, einer harten staatlichen Aufsicht unterstellt würde, und den Rest der Bahn in vier konkurrierende Gesellschaften aufzulösen. Jede dieser Gesellschaften könnte Personenverkehr und Güterverkehr auf dem ganzen Netz in Deutschland erbringen und dabei mit den anderen drei Gesellschaften hart konkurrieren. Dann hätten wir wahrscheinlich in wenigen Jahren eine Bahn, die noch besser als die alte Deutsche Bundesbahn funktioniert, mit deren hohem Leistungsniveau und deren Angebotsdichte sich die Deutsche Bahn AG längst nicht mehr vergleichen kann. Für diese leistungsfähige Bahn müssten wir als Kunden weniger hohe Preise und als Steuerzahler weniger hohe Subventionen bezahlen.

    Vielleicht machen die Verkehrspolitiker ja ihre Hausaufgaben in Sachen Marktwirtschaft und zerschlagen die Bahn bald. Vielleicht ist auch das Management wirklich gut und wird die Bahn AG selber zerschlagen, weil es dann tatsächlich ein Unternehmen Bahn hat und dieses viel besser steuern kann, als den heutigen Monopolbetrieb. Wahrscheinlich wird beides nicht geschehen und die Abwärtsspirale der Bahn so lange weitergehen, bis wir in Deutschland noch weniger Bahn haben als in den USA."

    Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

    Prof. Dr. Franz Lehner
    Tel.: 0209/1707-113

    Claudia Braczko
    Tel.: 0209/1707-176


    Weitere Informationen:

    http://iat-info.iatge.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Verkehr / Transport
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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