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30.03.2000 08:09

Stresstoleranz für eine höhere Ernte nutzen

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Naturstoffe aktivieren in Getreide eine Dürreakzeptanz

    Jena (30.03.00) Wenn Getreide unter Trockenheit leidet, dann geht der Ernteertrag zurück und das Spektrum der Inhaltsstoffe verändert sich. Wie jedoch der Trockenstress, den die Pflanze unter Wassermangel durchlebt, produktiv genutzt werden kann, hat jetzt Silvia Barbara Tiroke untersucht. In ihrer Dissertation am Institut für Ernährungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität erforschte die 30-jährige Jenenserin "physiologische und chemische Reaktionen von Gerstengenotypen auf Wasserdefizite und Toleranzinduktoren".

    "Trockenstress verändert die chemische Zusammensetzung von Gerstenpflanzen und somit die Qualität von Gerstenprodukten", bringt Silvia Tiroke ihre ausführliche Arbeit auf den Punkt. Dürre, die bei den Pflanzen ebensolche Stressreaktionen hervorruft wie etwa Pilzbefall, führt langfristig zu einer Verringerung des Kornertrags um 60 % bis 80 %, hat die Doktorandin für die Gerstensorten Alexis und Krona gemessen. Andererseits steigen die Konzentrationen an niedermolekularen organische Stickstoffverbindungen in der Biomasse teilweise extrem an, lautet ein Resultat der biochemischen Untersuchungen. Zu Lasten der Erträge werden also zellstrukturschützende Substanzen unter Stress verstärkt gebildet.

    Diese Umstellung des Stickstoffmetabolismus unter Trockenstress ist über die Erbmasse vorprogrammiert, wird aber über Umwelteinflüsse eindeutig modifiziert. Bei der Untersuchung des Toleranzpotenzials der Gerstentypen stellte Silvia Tiroke fest, dass Alexis den sensibleren Genotyp hat; Krona ist unempfindlicher, weil seine biochemischen Reaktionen auf Stress nicht so deutlich ausgeprägt sind. Damit ist Krona ein Modellgenotyp für Trockengebiete, bestätigt auch Tirokes Doktorvater Prof. Dr. Hans Bergmann.

    Noch praxisrelevanter ist allerdings Tirokes Erkenntnis, dass freie Aminoalkohole die gestresste Pflanze stabilisieren und die Stressreaktionen vermindern. Diese Verbindungen wirken zwar in unbelasteten Gerstenpflanzen als Alarmsignal, "es werden trockenstressähnliche Zustände ausgelöst. Diese Aktivierungszustände und die nachfolgenden Reaktionen der Pflanze auf Aminoalkohole stabilisieren die Pflanze in späteren Stressphasen und wirken somit dem Belastungseinfluss entgegen", erläutert Tiroke. Nach einer einmaligen Behandlung mit solchen natürlichen Verbindungen - etwa mit Cholin, einer von der chemischen Industrie problemlos zu erwerbenden, naturidentischen Substanz - stieg unter gleichen Trockenheitsbedingungen der Kornertrag um 10 % bis 20 % gegenüber unbehandelten Pflanzenbeständen.

    Rund 1,5 kg der Aminoalkohole reichen pro Hektar zur wirksamen Sprossbehandlung aus, zeigen die Erfahrungen. Und es ist nicht einmal ein zusätzlicher Arbeitsgang nötig, da die Verbindungen bei der Herbizidbehandlung mit aufgebracht werden können. Das Nutzen-Aufwand-Verhältnis "rechnet sich auf jeden Fall", ist sich Tiroke sicher. Zudem ist sie davon überzeugt, dass ihre "Ergebnisse auch auf andere Getreidearten völlig übertragbar sind." Da sich das stressphysiologische Geschehen in der Pflanze bei unterschiedlichsten Stressfaktoren ähnelt, hält die junge Wissenschaftlerin ihre Ergebnisse für prinzipiell übertragbar, wenn der Stress durch andere Umweltfaktoren zu Stande kommt.

    Für Prof. Bergmann stellen Tirokes Forschungsergebnisse "den ersten Versuch dar, wie man Pflanzen an eine bessere Stressbewältigung heranführen kann". Die biochemische Aufklärung dieses natürlichen Toleranzpotenzials könnte dabei helfen, neue Wirkstoffe zu finden bzw. das Anschaltprinzip für Toleranzmechanismen weiter aufzuklären, "um gegebenenfalls Schalter für eine chemische Aktivierung der Toleranz genetisch zu installieren". Damit wäre es denkbar, so der Jenaer Professor für Lebensmittelkunde, Genotypen zu züchten, die unter ungünstigen Umweltbedingungen stabilere Erträge und höhere Produktqualitäten garantieren. Die Agrar- und Umweltanalytik GmbH Jena, die auch Tirokes Arbeit förderte, unterstützt derartige Forschungskonzepte im Hinblick auf Ernährungs- und Umweltsicherung, ergänzt Bergmann.

    Negative Auswirkungen durch die Zugabe der Aminoalkohole erwartet Prof. Bergmann nicht, da "diese Metabolite in der gesamten belebten Welt bekannt sind und beispielsweise schon Bakterien Cholin benutzen." Außerdem wird Cholin von anderen Wissenschaftlern als stresssenkendes Mittel beim Menschen erprobt, so dass schädigende Wirkungen unwahrscheinlich sind.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Hans Bergmann
    Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena
    Dornburger Str. 25
    07743 Jena
    Tel.: 03641/949701
    Fax: 03641/949702
    E-Mail: Machelett@mampf.ieu.uni-jena.de


    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Axel Burchardt M. A.
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931041
    Fax: 03641/931042
    E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Informationstechnik, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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