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29.01.2007 10:20

Türkeibeitritt: EU-Parlamentarier befürchten Schwächung der europäischen Demokratie

Florian Klebs Presse und Forschungsinformation
Universität Hohenheim

    Die Mehrheit der EU-Parlamentarier sehen die Türkei noch nicht reif für Europa, wie eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim in Kooperation mit der Identity Foundation zur Demokratieorientierung in Europa belegt.

    Die Parlamentarier der Europäischen Union sind sehr skeptisch, was den Türkeibeitritt angeht. Sie sehen mehrheitlich den Beitrittskandidaten vom Bosporus nicht als Schubkraft für ein weiteres Zusammenwachsen Europas. Sie befürchten vielmehr durch den möglichen Beitritt der Türkei, dass der innere Zusammenhang der EU und die europäische Identitätsbildung erschwert würden. Den europäischen Integrations- und Demokratisierungsprozess sehen sie durch einen Mitgliedsstaat "Türkei" sogar gefährdet. Dies ist das Fazit einer aktuellen Erhebung, die die Identity Foundation, Düsseldorf, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung der Universität Hohenheim durchgeführt hat.

    In einer repräsentativen Erhebung hat der Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung der Universität Hohenheim von Prof. Dr. Eugen Buß eine schriftliche Erhebung unter insgesamt 82 Europa-Abgeordneten aus 19 EU-Mitgliedsländern durchgeführt. Demnach sehen fast zwei Drittel der Parlamentarier in einem Türkeibeitritt eher eine demokratische Schwächung der EU. Ein gutes Viertel ist sogar der Meinung, dass dies einen nachhaltigen destabilisierenden Einfluss auf die demokratische Basis Gesamteuropas haben würde. Fast die Hälfte der EU-Abgeordneten beurteilt einen Türkeibeitritt als kontraproduktiv für die demokratische Entwicklung Gesamteuropas. Und nicht einmal zehn Prozent der EU-Parlamentarier verspricht sich eine massive Stärkung der europäischen Demokratie durch einen europäischen Mitgliedsstaat "Türkei".

    Wird die EU-Osterweiterung von knapp zwei Dritteln der EU-Abgeordneten als positiv eingeschätzt, so wird ein möglicher Beitritt der Türkei zur EU im selben Umfang eher negativ bewertet.

    Ausschlaggebend für diese Bewertung ist offenbar der mangelnde gesellschaftliche Bewusstseinswandel im Land des türkischen Ministerpräsidenten Erdogans: gegenüber der Umsetzung der Standards europäischer Demokratien dominiert eine islamische Lebensordnung und das Demokratiedefizit scheint nicht durch neue Gesetze aufgebrochen zu sein.

    Das Land am Bosporus bewegt sich zwar juristisch und wirtschaftlich auf die Europäische Union zu, aber ein Großteil der derzeitigen europäischen Bürgervertreter zweifelt daran, ob es sich um ein Land handelt, das sich in seiner kulturellen Identität als der Union zugehörig erweist. Dabei spielt weniger die Zypernfrage eine Rolle als vielmehr die mangelnde Demokratisierung mit all ihren Implikationen. Die Türkei scheint schlichtweg die demokratischen Basiskonditionen für einen Beitritt zur Europäischen Union nicht zu erfüllen.

    Hinzu kommt, dass die EU-Abgeordneten offenbar auch bezweifeln, ob die Europäische Union selbst die demokratische Reife besitzt, einen Mitgliedsstaat zu haben, der von einer - wenn auch gemäßigten - islamistischen Regierung repräsentiert wird und dann immerhin der größte Mitgliedsstaat wäre.

    Die demokratische Basis der EU nämlich wird von den Abgeordneten gegenwärtig noch als relativ fragiles Gebilde gedeutet, als dass die Aufnahme eines Staates wie die Türkei ohne Folgen für die Demokratie in Gesamteuropa bliebe. Viele EU-Parlamentarier stellen sich offenbar die Frage, ob die Europäische Union mit ihren eigenen Demokratiedefiziten, wie mangelnde Transparenz der politischen Abläufe, defizitäre politische Bildung oder auch defizitäre politische Partizipation, in der Lage ist, einen demokratisch so wenig gefestigten Beitrittskandidaten zu integrieren, ohne dabei selbst an demokratischer Substanz zu verlieren.

    Fachgebiet Soziologie der Universität Hohenheim: http://www.soziologie-hohenheim.de

    Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
    Dr. Ulrike Fink-Heuberger, Fachgebiet Soziologie, Universität Hohenheim
    Tel. 0711-459-22623, E-Mail: heuberge@uni-hohenheim.de

    Prof. Dr. Eugen Buß, Lehrstuhl Soziologie und empirische Sozialforschung, Universität Hohenheim
    Tel.: 0711 459-22622, E-Mail: ebuss@uni-hohenheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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