Jenaer Lebensmitteltechnologen entwickeln schonende Verfahren
Jena (03.04.00) Schlagsahne spielte im Leben des Prof. Dr. Gerald Muschiolik schon immer eine besondere Rolle. Heute forscht der einstige Liebhaber süßer Torten als Lebensmitteltechnologe an der Universität Jena intensiv nach sanften Verfahren, um die cremige Emulsion möglichst schonend und gesund herzustellen. "Fett ist nicht gleich Fett", tröstet er diätbewusste Schlemmer, "es kommt schon sehr auf die ernährungsphysiologischen Bestandteile von Milch, Rahm, Butter oder Mayonnaise an." Genau diese Bestandteile wollen Muschiolik und sein Team - zielgerichtet und ohne künstliche Zusatzstoffe - komponieren.
Was ist Milch? beginnt die wissenschaftliche Fragestellung schon bei der "Urmutter" natürlicher Emulsionen. - Winzige Fettkügelchen schwimmen, umgeben von hauchdünnen Protein-Phospholipidmembranen, in Wasser. Brechen die Membranen auf, so verklumpen viele dieser Fettkügelchen zu Butter. Die überschüssigen Proteinmembranen bleiben im Nebenprodukt Buttermilch erhalten. Von der Milch aus dem Supermarktregal erwartet der Verbraucher, dass sich an ihrer Oberfläche kein Rahm mehr bildet und die Fettanteile in der Flüssigkeit kontrolliert gleichmäßig verteilt sind. Das erreichen die Milchwerke hierzulande durch "Homogenisierung": Mit hohem Druck über 100 bar schießt die Milch durch eine Düse und zerstäubt; voluminöse Fettkügelchen bleiben dabei auf der Strecke.
Allerdings sind auch die Proteinmembranen nach dieser energieaufwändigen Behandlung nicht mehr so wie vorher: "Milchbestandteile wie Lactoferrine und auch Immunogluboline, die zum Beispiel unser Immunsystem positiv beeinflussen, nehmen Schaden", erläutert Prof. Gerald Muschiolik. Er selbst experimentiert in seinem Jenaer Labor deshalb mit einem weitaus schonenderen - und preiswerteren - Verfahren: Das Milchfett fließt durch ein hochfeines Filterglas mit 0,2 bis 0,5 µm Porendurchmesser und wird behutsam homogenisiert. Die speziellen Shirasu-Gläser besorgen sich die Jenaer Lebensmitteltechnologen aus Japan, wo bereits die ersten großtechnischen Anlagen in Betrieb sind. Setzen er und seine Mitarbeiter in einem analogen Verfahren tierische oder pflanzliche Proteine - etwa aus Molke oder Soja - zu, aus denen sich Membrane bilden können, lässt sich die Fettverteilung in Milch und Milchprodukten präzise steuern. Stolz zeigt der Professor auf drei daumengroße Reagenzgläser mit einer sehr feincremigen Masse: "Unsere Sahneproduktion der letzten Woche."
Aber nicht nur den generellen Fettanteil in Emulsionen will Muschiolik mit seinem Verfahren genau definieren, sondern auch ihre Inhaltsstoffe wie in einem Baukasten komponieren. "Manche Fette sind ernährungsphysiologisch erwünscht, andere nicht", schildert er. Cholesterinarme Sahne ist somit nur eines der Produkte aus seiner pfiffigen Milchwerkstatt. "Wir arbeiten zielstrebig an der Herstellung multipler Emulsionen ohne künstliche Zusatzstoffe", verrät er. Bei diesen multiplen Emulsionen befinden sich Wassertropfen in Fetttropfen, die wiederum in Wasser schwimmen - oder umgekehrt. Der Clou: Auf diese Weise lassen sich weitere, auch oxidationsempfindliche Inhaltsstoffe wie Vitamine oder Aromen in der Flüssigkeit verkapseln. Das Ergebnis heißt "functional food" und ist alles andere als ein Kunstprodukt. "Wir verwenden ausschließlich natürliche Emulgatoren in schonenden Verfahren", betont Muschiolik, "das verlangt natürlich ein größeres Know-how als bei der bislang üblichen industriellen Produktion."
Der Schlüssel zum Erfolg liegt freilich bei den Tropfenmembranen. Die Jenaer Lebensmitteltechnologen experimentieren mit unterschiedlichen Proteinbausteinen und messen mit Hilfe eines Tropfenvolumentensiometers die Oberflächenspannung der Membran - je niedriger die Spannung, desto kleiner der Tropfen. Am besten kann es immer noch Mutter Natur selbst: Die alpha-Lactalbumine und beta-Lactoglobuline, die Muschioliks Team aus Molke einsetzt, entwickeln weitaus stärkere Grenzflächenschichten als synthetische Emulgatoren aus pflanzlichen Proteinen. Aber um etwa Sahne mit pflanzlichen Ölen herzustellen, muss Muschiolik in der Wahl der Membranproteine variabel sein.
Unter "functional food" versteht der Wissenschaftler zielgruppengerechte Lebensmittelkompositionen etwa für Kinder oder alte Menschen, für Leistungssportler oder für bestimmte Diäten. "Was spricht gegen eine Sahne mit 30 Prozent Fett?" fragt er. "Es kommt aber darauf an, welche Fette enthalten sind." Das Ziel: Der Verbraucher soll nicht gezwungen sein, sein Essverhalten wesentlich zu verändern, sondern er erhält die Lebensmittel so angeboten, dass er sich gar nicht schlecht ernähren kann. Nebenbei bemerkt der Jenaer Professor, dass sein Verfahren auch für die Pharmazie interessant ist, um Arzneistoffe schonend zu verkapseln. Lacht uns künftig in der Apotheke die Buttercreme auf Rezept entgegen? - "Nein, das sicher nicht", wehrt Muschiolik ab, für Torten bleibt auch künftig allein der Konditor zuständig.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerald Muschiolik
Tel.: 03641/949710, Fax: 949712
E-Mail: b8muge@rz.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
E-Mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Beispiel für eine multiple Emulsion
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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