Bürgerinnen und Bürger Heidelbergs und der Region sind zum Mitmachen eingeladen - Interessante Aktionen geplant - Von 10 bis 17 Uhr Demonstrationen mit Mikroskop, Binokular und Film - Exkursionen unter Leitung fachkundiger Biologen
Auch vor unserer Haustür befinden sich schützenswerte Lebensräume mit Tausenden von Tier- und Pflanzenarten, von denen viele bedroht sind. Der Auftrag von Rio de Janeiro richtet sich auch an Europa, Deutschland, die Bundesländer, Städte und Gemeinden. Welche Rolle spielt dabei Heidelberg, jüngst zur "Umwelthauptstadt" gekürt? Was gibt es hier an Organismen-Arten? An einem großen "Tag der Artenvielfalt" gehen Experten aus unterschiedlichsten Fächern diesen Fragen nach. Sie laden die Bürgerinnen und Bürger Heidelbergs und der Region zum Mitmachen ein. Interessante Aktionen sind am 3. Juni dieses Jahres geplant.
Wir stehen an der Schwelle zum "Jahrhundert der Biologie", und in der Tat deutet alles darauf hin, dass die Molekularbiologie unser Leben wesentlich verändern wird. Gleichzeitig jedoch nimmt das Aussterben von Organismen-Arten, deren Fülle ebenfalls ein Forschungsobjekt der modernen Biologie darstellt, in einer bisher unbekannten Größenordnung und Geschwindigkeit zu. Viele Biologen weisen seit langem auf den globalen Verlust organismischer Vielfalt hin.
"Die sechste Auslöschung" heißt ein vor wenigen Jahren erschienenes Buch. Es setzt den heutigen Artenrückgang, der fast ausschließlich auf den modernen Menschen zurückgeht, in Beziehung zu den fünf großen Episoden des Massenaussterbens: im Ordovicium (vor 450 Millionen Jahren), im Devon (vor 350 Millionen Jahren), am Ende des Perm (vor 235 Millionen Jahren), am Ende der Trias (vor 190 Millionen Jahren) und an der Kreide-Tertiär-Grenze (vor 65 Millionen Jahren). Die Ausrottung von Organismen-Arten erfolgt derzeit in allergrößtem Umfang. Die meisten Menschen bemerken diesen Vorgang jedoch nicht. Nur wenige dürften mehr als 0,01 Prozent aller lebenden Arten kennen.
Selbst für die Wissenschaft und damit die Nachwelt wurden bisher nicht alle heute lebenden Arten registriert, in manchen Organismen-Gruppen gibt es sogar mehr unbekannte Arten als beschriebene. Welche Bedeutung sie beim Erhalt von Ökosystemen haben, wissen wir nicht. Wie stark die Verarmung von Ökosystemen voranschreiten darf, bevor es zum Zusammenbruch kommt, wissen wir ebenfalls nicht.
Wir sehen die Gefahren, können sie aber nicht quantifizieren. In dieser Situation wurden auf dem UN-Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro weitreichende Beschlüsse zur Bewahrung eines gesunden und lebenswerten Planeten Erde gefasst. Ein Auftrag von Rio besteht darin, das Naturerbe in seiner ganzen Mannigfaltigkeit zu bewahren. Das Schlagwort heißt "Biodiversität" (Vielfalt des Lebens). Wenn mit Vielfalt Arten gemeint sind, denken viele in erster Linie an Tropenwälder und Korallenriffe, zwei stark bedrohte Lebensräume, die stündlich kleiner werden. Aber auch vor unserer Haustür befinden sich schützenswerte Lebensräume mit Tausenden von Tier- und Pflanzenarten, von denen viele bedroht sind. In Mitteleuropa kann man mit 40 000 Tierarten rechnen, vorwiegend Wirbellosen. Aber wer kennt sie? Wer kennt ihre Bedeutung?
Wissenschaftliche Traditionen wurden abgebrochen
"Die Forschungspolitik in Deutschland war für systematisch arbeitende Biologen in den letzten Jahrzehnten keineswegs günstig", sagt einer der Organisatoren des "Tages der Artenvielfalt", Prof. Dr. Volker Storch aus dem Zoologischen Institut der Universität Heidelberg. Als Folge seien wissenschaftliche Traditionen abgebrochen, und "wichtige Prozesse, die uns alle betreffen, können nicht präzise beschrieben werden", zum Beispiel der Abbau von organischer Materie in der Laubstreu von Wäldern und in Böden der Agrarlandschaft. Pro Quadratmeter Ackerboden seien bis in 30 Zentimeter Tiefe 40 Millionen Fadenwürmer (Nematoda) zu erwarten, in Wald- und Wiesenböden liegen die Zahlen etwas niedriger. "Kenner dieser Tiergruppe sind jedoch eine Seltenheit, und damit bleibt uns ein tieferes Verständnis verborgen", sagt Storch. Der Schutz der biologischen Vielfalt "ist kein Steckenpferd bestimmter Biologen und Naturschützer, sondern ein Gebot für alle".
In dieser Situation soll am 3. Juni 2000 auf Anregung der Zeitschrift GEO in den deutschsprachigen Ländern der "Tag der Artenvielfalt" stattfinden, auch im Raum Heidelberg. Zwar ist die mitteleuropäische Natur im globalen Maßstab seit der letzten Eiszeit als relativ artenarm zu bezeichnen, aber die Zahl der Organismenarten im Raum Heidelberg liegt immer noch im Bereich von Tausenden.
Über 100 Fachleute werden am 3. Juni die organismische Vielfalt im Raum Heidelberg soweit erfassen, wie das an einem Tag möglich ist. Viele Einrichtungen bieten von 10 bis 17 Uhr Demonstrationen mit Mikroskop, Binokular, Film und vielem mehr an: das Mess-Schiff "Max Honsell" der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg auf dem Neckar, das Ökomobil der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe in der Nähe des Neckars, das Zoologische Institut und Museum der Universität Heidelberg, das Geologisch-Palaeontologische Museum, Botanischer Garten und Gewächshäuser, Pädagogische Hochschule und Tiergarten Heidelberg sowie die Biologische Bundesanstalt (Dossenheim).
Außerdem finden zahlreiche Exkursionen unter Leitung fachkundiger Biologen statt. Hierfür ist eine Anmeldung erforderlich über die Volks-hochschule Heidelberg (Bergheimer Str. 76, 69115 Heidelberg) oder online über das Internet (www.artenvielfaltstag.de). Anmeldeschluss: Montag, 29. Mai 2000. Telefonische Anmeldung bei der Volks-hochschule Heidelberg: 06221 911912; Fax: 06221 165133 nur am Samstag, 27. Mai 2000, von 9 bis 12 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr. Mehr Informationen: www.artenvielfaltstag.de
Rückfragen von Journalisten bitte an:
Prof. Dr. Volker Storch
Zoologisches Institut der Universität Heidelberg
Tel. 06221 545655 oder -56, Fax 546162
oder: Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
http://www.artenvielfaltstag.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Gesellschaft, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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