Fast ein Vierteljahrhundert nach der ersten Untersuchung der Kriminalität in Bochum 1975 ziehen Kriminologen der Ruhr-Universität um Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind (Juristische Fakultät) jetzt eine Bilanz: Sie verfolgten anhand der von der Polizei registrierten Straftaten (Hellfeld) sowohl die Entwicklung der Kriminalität als auch ihre Verteilung über die verschiedenen Bochumer Stadtbezirke.
Bochum, 10.04.2000
Nr. 91
Bochumer Gesamtkriminalität steigt langsamer
Brennpunkte bleiben die alten
RUB-Kriminologen forschen seit fast 25 Jahren
Fast ein Vierteljahrhundert nach der ersten Untersuchung der Kriminalität in Bochum 1975 ziehen Kriminologen der Ruhr-Universität um Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind (Juristische Fakultät) jetzt eine Bilanz: Sie verfolgten anhand der von der Polizei registrierten Straftaten (Hellfeld) sowohl die Entwicklung der Kriminalität als auch ihre Verteilung über die verschiedenen Bochumer Stadtbezirke. Außerdem befragten sie 1.661 Personen zu nicht angezeigten Verbrechen (Dunkelfeld). Ergebnis: Die Gesamtkriminalität in Bochum hat seit 1975 massiv zugenommen (um 67,6%), die Steigerungsrate hat sich jedoch im Lauf der Zeit deutlich verringert: Zwischen der ersten Studie 1975 und der zweiten 1986 lag sie noch bei 45,9 Prozent, zwischen der zweiten und der neuesten Untersuchung nur noch bei 14,9 Prozent.
Unterschiedliche Entwicklungen im Hell- und Dunkelfeld
Die Zahl der registrierten Diebstahlsdelikte in Bochum hat seit 1986 um 16,7 Prozent abgenommen. Ähnliche Entwicklungen der Diebstahlsdelikte zeigten sich auch in der Dunkelfelduntersuchung. Ein anderes Bild ergab sich jedoch hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte: Deren Anzahl hat in der polizeilichen Kriminal-statistik zwischen 1986 und 1998 um mehr als 100 % zugenommen (von 990 auf 1.976 Fälle). Die Ergebnisse der Bochumer Dunkelfelduntersuchungen legen jedoch nahe, dass diese Unterschiede hauptsächlich auf ein verändertes Anzeigeverhalten der Opfer von Körperverletzungen zurückgeführt werden können. Während 1975 nur jede achte Körperverletzung angezeigt wurde, war es 1998 jede vierte. Die Anzahl aller Körperverletzungen (angezeigte plus nicht angezeigte Straftaten) hat jedoch zwischen 1975 und 1998 lediglich um ca. 15 % zugenommen.
Brennpunkte der Kriminalität kaum verändert
Die Brennpunkte der Stadt haben sich dabei nicht verlagert, sondern verstärkt: Die Bezirke City/Hauptbahnhof, Querenburg/Universität und Wattenscheid-Mitte waren und sind Spitzenreiter. Neu hinzu kamen in der neuesten Untersuchung Riem-ke-Nord, Ruhrstadion und Linden-Mitte. Zwischen dem Wohnsitz der Täter und den Tatorten besteht ein eindeutiger Zusammenhang - fast 80 Prozent aller Tatverdächtigen wohnten im Bereich der Polizeibehörde Bochum, und die Tat-ver-dächtigenwohnsitze befinden sich dort, wo auch viele Straftaten verübt werden. Diese Studienergebnisse lassen es wünschenswert erscheinen, die Gebietseinteilungen der Stadt und der Polizei zu vereinheitlichen, damit sowohl eine bessere Vergleichbarkeit als auch eine bessere städtische Kooperation entstehen kann.
Anzeige von Diebstählen nur für die Versicherung
Dabei spielen Versicherungen eine immer größere Rolle für die Entscheidung des Opfers zu einer Anzeige: Während 1998 von den versicherten Diebstahlsdelikten ca. 90 Prozent angezeigt wurden, waren es von den nichtversicherten weniger als 20 Prozent. Erlittene Diebstahlsdelikte werden heute fast nur noch angezeigt, wenn die Versicherungsbedingungen es erfordern. Daraus folgt, dass nicht-deutsche und jüngere Opfer Diebstähle seltener als ältere, bzw. deutsche anzeigen, weil sie seltener versichert sind. Der Grund für die Anzeige eines Diebstahls ist meistens eine Schadensersatzforderung. Opfer von Körperverletzungen und Raubtaten erstatten hingegen Anzeige, "damit so etwas nicht noch einmal passiert".
Typische Opfer = typische Täter
Die typischen Opfer krimineller Handlungen ähneln den typischen Tätern: Bei beiden Gruppen sind männliche Jugendliche bzw. Heranwachsende deutlich überrepräsentiert. Im Zuge der Bochumer Untersuchung fragten die Kriminologen die Opfer außerdem, ob der Täter Deutscher oder Nicht-Deutscher gewesen sei. Dabei ergab sich kein Hinweis darauf, dass nicht-deutsche häufiger angezeigt werden als deutsche Täter. Daher scheint es unmöglich, die höhere Belastung von Nicht-Deutschen in der polizeilichen Statistik auf die unterschiedliche Anzeigebereitschaft gegenüber Deutschen bzw. Nicht-Deutschen zurückzuführen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind, Juristische Fakultät der Ruhr-Universität-Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-28245, Fax: 0234/32-14-328, email: LS.Schwind@jura.ruhr-uni-bochum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Psychologie, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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