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12.12.1997 00:00

Auswirkungen des Kohlendioxid-Ausstosses nicht verharmlosen

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    "Auswirkungen des Kohlendioxid-Ausstosses nicht verharmlosen"

    Tuebinger Geowissenschaftler des Sonderforschungsbereichs 275 geben Erklaerung ab

    Die Bundesanstalt fuer Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, hat vor kurzem ein Papier "Die Geowissenschaftler in der Klimadiskussion" vorgestellt, das auch bereits in der Presse diskutiert wurde. In diesem Papier wird die Bedeutung des anthropogenen Kohlendioxid-Ausstosses fuer kuenftige Klimaveraenderungen in einer Weise heruntergespielt und verharmlost, die von den Tuebinger Geowissenschaftlern des Sonderforschungsbereichs 275, der sich ebenfalls mit Fragen der Klimageschichte befasst, nicht unwidersprochen hingenommen wird. Sie geben dazu die folgende Stellungnahme ab:

    "1. Gerade aus der Erdgeschichte ist belegt, dass ein Zusammenhang zwischen CO2-Gehalt der Atmosphaere und der Temperatur besteht. Eindeutige Hinweise liefert z.B. die juengste Erdgeschichte der letzten 500 000 Jahre, wie sie in den Eisbohrkernen dokumentiert ist. Auch die Klimaentwicklung der letzten 100 Millionen Jahre zeigt einen generellen Abkuehlungstrend, der mit fallenden CO2-Gehalten in der Atmosphaere einhergeht. Die periodischen Veraenderungen der Sonnenaktivitaet, bekannt z.B. als Sonnenfleckenzyklen, spielte demgegenueber in der natuerlichen Klimavariation eine eher untergeordnete Rolle.

    2. Es ist unbestritten, dass die heutigen Klimamodellierungen und die darauf aufbauenden Klima-Voraussagen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Diese betreffen insbesondere kleinraeumig und quantitativ differenzierte Vorhersagen; in den allgemeinen Trends bestehen aber grosse UEbereinstimmungen zwischen den verschiedenen Modellrechnungen.

    3. In dem Bemuehen um ein verbessertes Verstaendnis des Klimasystems kommt den Geowissenschaften in der Tat eine besondere Bedeutung zu. Nur sie erlauben die Analyse von klimarelevanten Langzeitprozessen (z.B. Reaktionen von OEkosystemen auf Klimaveraenderungen) und bieten die Moeglichkeit zur UEberpruefung und Verbesserung von numerischen Klimamodellen. Nachfolgend wird konkret zu einzelnen Passagen des BGR-Papiers Stellung genommen:

    p. 1: "Die von uns Menschen nicht steuerbaren Faktoren haben den groessten Einfluss auf das Klimageschehen und Klimaaenderungen."

    Das ist im Prinzip richtig, aber: 1. Klimadynamik ist ein nichtlinearer Prozess, bei dem kleine Veraenderungen sehr grosse Effekte erzeugen koennen. 2. Auch die vom Menschen beeinflussbaren Faktoren koennen die natuerliche Gleichgewichtssituation empfindlich stoeren. (Vgl. die Metapher vom Fass, das zum UEberlaufen gebracht wird). Ein Anstieg des Meeresspiegels von etwa 0.5 m ist quantitativ bei Wassertiefen von 11000 m vernachlaessigbar, kann aber trotzdem ganze Landstriche ueberfluten, wie z.B. im Nil-Delta, in Bangladesh oder in Florida.

    p. 3: "Alle anthropogen in die Atmosphaere eingebrachten Treibhausgase zusammengerechnet tragen nur etwa 2.1% zum Gesamt-Treibhauseffekt bei. AEhnlich wie bei den bereits besprochenen externen Klimafaktoren hat der Mensch auf die Anteile der Treibhausgase nur geringen Einfluss."

    Die Aussage ist richtig und nicht neu: ohne Treibhauseffekt waere unsere Erde komplett vereist mit Mitteltemperaturen bei -16 bis - 18°C. Die Frage ist jedoch, welchen Effekt der anthropogene Treibhauseffekt hat, also um wieviel Grad er die globale Mitteltemperatur verschiebt und was das fuer Konsequenzen hat. Der Mensch hat einen quantitativ geringen Einfluss (vielleicht 1-4°C in den naechsten 50-200 Jahren) auf die Gesamtgroesse des Treibhauseffektes (der betraegt 34°C), doch dieser geringe Anteil kann entscheidend sein. Die derzeit 2,1% bedeuten immerhin einen Temperaturanstieg von global 0,7 °C.

    p. 4: "Die zur Zeit verfuegbaren Klimamodelle sind nicht in der Lage, bei regionalen Auswirkungen eines Klimaeffektes relativ einfache Fragestellungen nach Feucht- und Trockengebieten ueberzeugend zu beantworten. AEhnliche Schwierigkeiten treten bei den Temperaturvorhersagen auf."

    Tatsaechlich sind bei Niederschlags- und Feuchtedaten die Klimamodelle zur Zeit noch am schlechtesten, wobei die Probleme vor allem bei der regionalen Vorhersage, und nicht so sehr bei der Vorhersage globaler Trends liegt. Bei den Temperaturdaten sind die Verhaeltnisse aber wesentlich besser, auch was die regionale Vorhersage betrifft.

    p. 4: "Waehrend nach den gaengigen Klimamodellen sich die Atmosphaerentemperatur der Erde in den Jahren von 1979 bis 1995 um etwa 0.4°C erhoeht haben muesste, weisen Satellitenmessungen keinen Temperaturanstieg nach." Die fuer die Satellitenmessungen herangezogene Datenquelle ist fuer uns nicht nachvollziehbar. Tatsache ist, dass inzwischen eine ganze Reihe von Hinweisen fuer den anthropogenen Treibhauseffekt vorliegen (Erwaermung der Ozeane, Erwaermung der Atmosphaere/Troposphaere, Abkuehlung der Stratosphaere, zusammengestellt in dem Buch des International Panel on Climate Change). Tatsache ist ferner, dass bei einem natuerlichen "Rauschen" des Klimageschehens ein anthropogenes Signal von 0.4°C nicht leicht nachzuweisen ist.

    p. 7: "Dieses Ergebnis zeigt, dass das Kohlendioxid als Ursache von Warmzeiten, wenn ueberhaupt, eine untergeordnete Rolle spielt und bestaetigt die aus der Diskussion um die Wirksamkeit der Klimagase gezogenen Folgerungen, dass nicht das Kohlendioxid der treibende Motor des Klimageschehens ist."

    Die Sache ist wesentlich komplexer und differenzierter. Ohne Anspruch auf umfassende Darstellung sei hierzu nur folgendes angemerkt:

    a. Die Rekonstruktion der Palaeo-CO2-Konzentration fuer den Zeitraeume die weiter als etwa 300 000 Jahre zurueckliegen ist ausserordentlich schwierig. Bisher gibt es dafuer vor allem aus Modell-Rechnungen abgeleitete Informationen und kaum "harte" Daten. Die Erkenntnisse bezueglich der Langzeittrends stuetzen eher den Zusammenhang zwischen Klima und CO2 (die Greenhouse-Phase des Mesozoikums ist gekoppelt mit sehr hohen CO2-Daten, der Abkuehlungstrend im Tertiaer geht einher mit abnehmenden CO2-Konzentrationen). Die Bestimmung des CO2-Wertes in weit zurueckliegenden Zeiten ist noch mit grossen Unsicherheiten behaftet.

    b. Fuer die letzten Eiszeit-Warmzeit-Zyklen gibt es konkrete Messungen der atmosphaerischen CO2-Konzentrationen an Eisbohrkernen. Hier ist eindeutig: Eis-zeiten - niedere CO2-Konzentrationen (0,02 %), Warmzeiten - hohe CO2-Konzentrationen (0,028 %).

    c. Unbestritten ist, dass der Zusammenhang CO2-Temperatur/Vereisungen bisher noch nicht voll verstanden ist. Der Temperaturunterschied Eiszeiten-Warmzeiten korelliert mit einem CO2-Unterschied von 0.008%; die Erhoehung des CO2 um 0.007% in den letzten 150 Jahren hat aber bisher die globale Temperatur nur um vielleicht 0.7°C erhoeht.

    d. Niemand behauptet, dass das Kohlendioxid der treibende Motor des gesamten Klimageschehens ist. Aber daraus kann nicht abgeleitet werden, dass das CO2 vernachlaessigt werden darf.

    p. 8: "Dagegen hat die Sonnenaktivitaet in der geologischen Vergangenheit das Klima stark bestimmt: sie steuert auch das Klimageschehen in der Gegenwart."

    Diese Formulierung ist irrefuehrend und koennte zu dem Schluss verleiten, nicht das Kohlendioxid sei als Motor fuer das Klimageschehen wichtig, sondern die Sonnenaktivitaet. Dazu folgendes:

    a. Natuerlich ist die Sonne zumindest ein entscheidender Motor unseres Klimageschehens (die Energie kommt von der Sonne; allerdings waere die Erde ohne Treibhauseffekt bei - 18°C). b. Die Veraenderungen der Sonnenaktivitaet, soweit wir sie heute kennen (Sonnenfleckenzyklus, Gleisberg-Zyklus), hat nach den bisherigen Erkenntnissen einen eher untergeordneten Einfluss auf das Klima. Die Sonnenfleckenzyklen mit einer Periode von 11 Jahren sind bis in die fruehe Erdgeschichte hinein nachzuweisen (z.B. anhand von Sedimentzyklen), aber man tut sich sehr schwer, Sonnenfleckenzyklen mit konkreten Klimaveraenderungen zu korrelieren. Jeder ueber 44-jaehrige wird bestaetigen, dass er von den letzten 3-4 Sonnenfleckenzyklen klimatisch vergleichsweise wenig gespuert hat. Zur Klarheit: die Sonnenfleckenzyklen haben einen Einfluss auf das Klima; aber diesen Einfluss in einem Atemzug mit dem Kohlendioxid zu nennen, ist nicht sachgerecht. Ein wesentlich auffaelligerer Effekt von Temperaturschwankungen im marinen System ist der El Niño Effekt mit Temperaturunterschieden von bis zu 4 °C, der nicht mit dem Sonnenfleckenzyklus erklaerbar ist.

    p. 10: "Die Auswirkungen des Kohlendioxids auf eine Erwaermung der Erde sind dagegen eher vernachlaessigbar. ... Nur bei anthropogen bedingten Einwirkungen z.B. bei dem Eintrag von Klimagasen in die Atmosphaere, koennen wir gegensteuern, wenn auch die Auswirkungen auf das Klima klein sein werden."

    Diese Aussage ist nach unserer Auffasung falsch und in dieser Formulierung fahrlaessig. Das Klimasystem ist ein hochkomplexes nicht-lineares System, in dem auch kleine Veraenderungen einer Komponente das gesamte System veraendern koennen."

    Fuer den SFB 275


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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