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14.03.2007 14:06

Bofinger-Kombilohnkonzept bringt nur wenige neue Arbeitsplätze - Analyse im neuen IMK Report

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Das von einer Forschergruppe um Prof. Dr. Peter Bofinger und Dr. Ulrich Walwei entwickelte Kombilohnmodell bessert die Situation auf dem Arbeitsmarkt kaum. Würde es umgesetzt, entstünden nur wenige neue Arbeitsplätze, während viele Geringverdiener Einbußen erleiden würden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Die beiden Forschungsinstitute in der Hans-Böckler-Stiftung unterstützen aber den Bofinger-Vorschlag, die Subventionen für Minijobs abzuschaffen, weil so die Verdrängung regulärer Beschäftigung gestoppt werden könne. Zudem empfehlen WSI und IMK einen Existenz sichernden Mindestlohn und auf begrenzte Zielgruppen zugeschnittene Lohnzuschüsse als sinnvolle Komponenten für eine Reform des Niedriglohnsektors. Die Analyse erscheint am heutigen Mittwoch als IMK Report*.

    Das Bofinger-Konzept zählt zu den umfassendsten Vorschlägen zur Neuordnung des Niedriglohnsektors. Es setzt an vier Punkten an: Die Forscher raten, die Minijobs abzuschaffen und die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Empfänger von Arbeitslosengeld II zu reduzieren. Im Gegenzug sollen vollzeitbeschäftigte Geringverdiener Steuergutschriften erhalten und das Kindergeld aufgestockt werden. Zudem sieht das Konzept einen Mindestlohn von 4,50 Euro vor.

    WSI und IMK kommen zu dem Schluss, dass das Konzept seine beiden zentralen Ziele nicht erreicht: "Das Einkommen, das durch eine vollzeitige Erwerbstätigkeit erzielt wird, reicht auch nach diesem Modell nicht für einen angemessenen Lebensunterhalt aus. Zudem wird das selbst gesteckte Ziel, genügend Vollzeitstellen für ALG-II-Empfänger zu schaffen, verfehlt."

    Theoretisch gebe es zwar ein Potenzial von bis zu 100 000 neuen Voll- und Teilzeitjobs, doch nur unter verteilungspolitisch problematischen und wenig realistischen Annahmen. Denn es dürften auch Arbeitsplätze verschwinden, wenn Minijobs in Vollzeitstellen umgewandelt werden. Zudem müsste der Staat Steuern erhöhen oder an anderer Stelle Ausgaben einschränken, um die Steuergutschriften zu finanzieren. Der niedrige Mindestlohn setze keine taugliche Untergrenze im Niedriglohnbereich. Vielmehr böte er Unternehmen einen Anlass, Löhne abzusenken. "Im Extremfall müssten sogar Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf eine Steuergutschrift haben, eine Lohnreduzierung akzeptieren, um ihre Arbeitsstelle nicht zu verlieren", so die Expertinnen und Experten von IMK und WSI.

    "Im Endergebnis hätte ein kleiner Teil der bisherigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger eine schlecht bezahlte Vollzeitstelle mit einem etwas höheren Einkommen als bisher und gleichzeitig wäre die Mehrzahl der ALG-II-Empfänger schlechter gestellt, weil ihre Hinzuverdienstmöglichkeiten reduziert würden", schreiben die Forscher der Hans-Böckler-Stiftung. Einbußen müssten jene ALG-II-Empfänger hinnehmen, die nur wenige Stunden arbeiten können oder keine Chance auf eine reguläre Vollzeitstelle haben. Auch viele Aufstocker - also Beschäftigte, die so wenig verdienen, dass sie zusätzlich Anspruch auf Sozialleistungen haben - wären schlechter gestellt.

    Positivere Effekte bei Beschäftigung und Verteilung erwarten die Forschungsinstitute der Hans-Böckler-Stiftung von einem Mix von Instrumenten:

    - Ein branchenübergreifender gesetzlicher Mindestlohn müsse so gestaltet sein, dass er einem einzelnen Erwerbstätigen auf Vollzeitbasis ein hinreichendes Erwerbseinkommen sichert - ohne dass Steuernachlässe oder Transfers nötig sind. Oberhalb des Mindestlohns empfehlen die Wissenschaftler von IMK und WSI tarifliche Lohngrenzen je nach Branche, entweder per Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder durch eine Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz.

    - Minijobs sollten nicht weiter zur Verdrängung regulärer Beschäftigung beitragen und ihre Subventionierung darum wegfallen.

    - Bei den Hinzuverdienst-Möglichkeiten sollte die Kinder-Komponente ausgebaut werden. In diesem Punkt seien auch Steuergutschriften denkbar. Sie sollten jedoch die Familiensituation berücksichtigen und nicht Arbeitsanreize zu Niedriglöhnen setzen.

    - Zeitlich begrenzte und auf Zielgruppen zugeschnittene Lohnkostenzuschüsse können die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Ein solcher Kombilohn sollte aber nicht an der Einkommenshöhe, sondern an Kriterien der Vermittlungsbedürftigkeit ansetzen - etwa am Alter oder der Leistungsfähigkeit. Solche Instrumente sollten mit einer Qualifizierungs- und Weiterbildungsoffensive flankiert werden.


    Weitere Informationen:

    http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/320_85282.html - PM mit Ansprechpartnern
    http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2007_05_4-5.pdf - Weitere Informationen und Infografiken im neuen Böckler Impuls 5/2007
    http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_18_2007.pdf - Der IMK Report 18 als pdf


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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