idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.04.2000 10:18

Wasserlack im Handwerksbetrieb: Schnelle Trocknung im Hordenwagen

Dipl.-Theol. Jörg Walz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

Vor allem wegen ihrer langen Trocknungszeiten waren Wasserlacke für Schreinereien bisher keine Alternative zu Lacken mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen (VOC) als Lösemittel. Ein spezieller Hordenwagen mit Belüftung könnte das ändern, zumal bis 2002 strikte Auflagen für die Verarbeitung von VOC-Lacken ins Haus stehen.

Ihr Gestank vernebelt Anwendern den Kopf und verärgert die Nachbarn. Die meisten Handwerksbetriebe kennen dieses Problem. Weil sie zudem die Ozonschicht gefährden, soll der Einsatz von flüchtigen, organischen Kohlenwasserstoff-Verbindungen (sog. VOC - volatile organic compounds) bei der Lackverarbeitung spürbar gesenkt werden. Rund 2,4 Tonnen VOC in Form von Lösemitteln in Lacken und Farben haben sich 1994 in der Luft aufgelöst. Damit lag die Kohlenwasserstoff-Emission der lösemittelverarbeitenden Industrie um zehn Prozent höher als die verkehrsbedingte (32 Prozent*). Das soll sich in den nächsten zwei Jahren ändern, wenn die neue VOC-Emissionsrichtlinie in Kraft tritt. Die verschärften Auflagen treffen insbesondere das Schreinerhandwerk. Gut zwei Drittel der Lösemittel stammen aus bislang »nicht genehmigungspflichtigen Anlagen«, wie sie für Schreinereien typisch sind. Verarbeiten sie 2002 mehr als fünf Tonnen Lösemittel, kommt eine ganze Reihe Auflagen auf sie zu. Sie reichen von einer Deklarationspflicht über teure bauliche Maßnahmen wie Absaugeinrichtungen und thermische Nachverbrennungsanlagen bis hin zu regelmäßigen amtlichen Messungen.

Die Handwerkskammern und -verbände suchen darum nach Alternativen zum lösemittelhaltigen Lack. Da Pulverlacke nur aufwendig zu verarbeiten und nicht für jeden Werkstoff geeignet sind, entschieden sie sich für Wasserlacke. Diese bergen zwar weniger Gesundheitsrisiken als VOC-Lacke und riechen auch nicht so stark, kosten im direkten Vergleich jedoch spürbar mehr, solange für die Verarbeitung von Lacken mit flüchtigen Lösemitteln keine besonderen Einrichtungen vorgeschrieben sind. Der zweite wichtige Grund, der vor allem bei Schreinern bisher gegen Wasserlacke sprach, waren die langen Trocknungszeiten. So kann es unter normalen Trocknungsbedingungen eine dreiviertel Stunde und länger dauern, bis ein mit Wasserlack gestrichenes Werkstück soweit getrocknet ist, dass sich kein Staub mehr auf seiner Oberfläche festsetzt. »Neben der Gefahr von Holzstaubeinschlüssen sind der größere Platzbedarf zur Trocknung und Zeitprobleme bei der Auftragsabwicklung Faktoren, die viele Schreiner zu den schneller trocknenden VOC-Lacken greifen lassen«, erklärt Ralph Hruschka vom Fraunhofer IPA. Er und seine Kollegen in der Abteilung Lackiertechnik suchen seit mittlerweile mehr als zehn Jahren nach Wegen, Emissionen durch VOC-Lacke zu reduzieren.

In einem Projekt, das das baden-württembergischen Ministerium für Umwelt und Verkehr gefördert und das Umweltzentrum der Handwerkskammer Freiburg und der Landesverband Holz und Kunststoff, Stuttgart, in Auftrag gegeben hat, entwickelte Hruschka unter anderem mehrere einfache und praktikable Hilfsmittel speziell für Schreinereien. Eines davon ist ein Hordenwagen mit Belüftung. Mit ihm lassen sich die Trocknungszeiten von mit 1K-Wasserlack beschichteten Holzplatten auf etwa ein Fünftel verkürzen. Bereits nach weniger als zehn Minuten waren die Platten staubtrocken und nach weniger als 50 Minuten schleifbar. Auch Risse im Lack und andere Schäden lassen sich mit dem belüfteten Hordenwagen vermeiden, wenn der Anwender die von Hruschka ermittelten »Prozessfenster« einhält. Das heißt, die Zuluft muß zwischen 20° C und 50° C warm sein, die relative Luftfeuchtigkeit darf 70 Prozent nicht überschreiten und die Strömungsgeschwindigkeit an der Oberfläche der Teile muss zwischen 0,5 und 1,5 m/s liegen.

Der am Fraunhofer IPA gebaute und getestete Prototyp braucht pro Minute ca. 250 Liter Druckluft. Damit liegt er in einer gut handhabbaren Größenordnung. Interessierte Schreiner können sich den Prototyp am Institut ausleihen und im eigenen Betrieb testen. Wer den Wagen nachbauen oder einen vorhandenen eigenen umrüsten will, bekommt vom Konstrukteur Hruschka oder der Handwerkskammer Freiburg auch eine Bauanleitung. Die Materialkosten für den Prototyp lagen bei ca. 800,- DM, »es geht aber auch noch wesentlich billiger«, ist Hruschka sicher. Er experimentierte außerdem mit verschiedenen Variationen, wie dem zusätzlichen Einbau eines Gebläselüfters als einfache Möglichkeit, die Trocknungsluft zu temperieren und unabhängig von Druckluft zu arbeiten. Den Hordenwagen mit Belüftung stellt er erstmals am 18. April auf einem Fachseminar des Landesgewerbeamts Baden-Württemberg in Mannheim vor. Dort stieß er auf sehr positive Resonanz. »Sowohl die Schreiner als auch die Veranstalter lobten den Hordenwagen als sehr praxisnah und anwendungsorientiert«, berichtet Ralph Hruschka.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Ing. (FH) Ralph Hruschka, Telefon: 0711/970-1878, Telefax: 0711/970-1034, E-Mail: rah@ipa.fhg.de

Der Projektbericht mit der Bauanleitung für den Hordenwagen ist ab Mai erhältlich bei:
Georg Voswinkel, Handwerkskammer Freiburg, Telefon: 0761/2180073
Tobias Schellenberger, Landesverband Holz und Kunststoff, Stuttgart, Telefon: 0711/1644-112


Bilder

Ergänzung vom 02.05.2000

Im ersten Absatz heißt es: »Rund 2,4 Tonnen VOC in Form von Lösemitteln in Lacken und Farben haben sich 1994 in der Luft aufgelöst.« Schön wär's! Leider sind es 2,4 Millionen Tonnen. In der Hektik vor Redaktionsschluß war da wohl der Wunsch der Vater des Geschriebenen. Wir bitten um Entschuldigung für diesen Fehler, der so nicht hätte passieren dürfen.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Bauwesen / Architektur, Biologie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Hilfe

Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
Verknüpfungen

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

Klammern

Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

Wortgruppen

Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

Auswahlkriterien

Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).