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27.04.2000 10:41

Lebendspende eines Leberlappens bei Erwachsenen

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    Während immer häufiger Menschen bereit sind, eine Niere als Organtransplantat zu verschenken, ist die Spende eines Teils der Leber für einen Erwachsene noch wenig verbreitet.An der Charité sind jetzt die ersten 10 Lebendspenden verpflanzt worden.

    MEDIZINISCHE FAKULTÄT DER HUMBOLDT - UNIVERSITÄT ZU BERLIN

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh FON: (030) 450-70-400
    Augustenburger Platz 1 FAX: (030) 450-70-940
    13 353 Berlin e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de

    Aus der Medizin für Medien 12-2000

    Verpflanzung eines Leberlappens bei Erwachsenen
    Die ersten10 Fälle an der Charité

    Den ersten zehn erwachsenen, schwerst leberkranken Patienten ist in der "Klinik für Allgemein,Visceral- und Transplantationchirurgie" der Charité, dank der Bereitschaft lebender Spender, ihren rechten Leberlappen zu verschenken, ein neues Leben ermöglicht worden. Professor Peter Neuhaus, der Direktor der Klinik, hat mit der Transplantation von Leberlappen auf Erwachsene Ende vergangenen Jahres begonnen. Die Grundlage für die angesichts der Organknappheit ernstzunehmende Chance bietet eine wenig bekannte, gleichwohl einzigartige Fähigkeit der Leber: Sie kann nachwachsen, wenn Teile ihres Volumens entfernt werden. Diese Regenerationsfähigkeit macht sie zu einem besonders geeigneten Organ für die Lebendspende, denn der Spender kann damit rechnen, daß ihm der Leberlappen, den er weitergibt, innerhalb von rund sechs Wochen wieder nachgewächst. (Insofern ist er letztlich auch besser dran als ein Nierenspender, dem zeitlebens die Hälfte seines ursprünglich paarigen Organs fehlen wird). Der Empfänger erfährt, daß das Transplantat in seinem Körper sich zu einer vollwertigen Leber auswächst.
    Lange wurde bezweifelt, daß der rechte Leberlappen zum Transplantieren geeignet sein könnte. Es fehlten auch die technischen Hilfsmittel, wie etwa geeignete Gewebekleber und Ultraschallmesser, deren Einsatz heute größere Blutungen bei der Abtrennung des Lebergewebes verhindert.
    Neuhaus weist darauf hin, daß Erfahrungen mit der Leberlappenverpflanzung bei Erwachsenen in größerem Umfang erst seit etwa vier Jahren aus Japan und Korea vorliegen, also aus Ländern, wo die Transplantation von Leichenorganen Žnicht möglich, die Verpflanzung von Organen lebender Spender jedoch üblich ist. In Deutschland habe 1991 Professor Christoph Brölsch in Hamburg (jetzt in Essen) die Lebendspende eingeführt, zunächst von Eltern für Kinder und inzwischen auch für Erwachsene.
    An der Charité waren die ersten zehn Spender zwischen 35 und 67Jahre alt.. Alle zehn Spender haben den Eingriff gut und komplikationsfrei überstanden.Selbstverständlich sei das nicht, so Neuhaus, denn obgleich die Operationstechnik ausgereift sei, gehe der Spender doch ein gewisses Operationsrisiko ein, wenn ihm mit dem rechten Lappen 60 Prozent seiner Leber entnommen werde. Komplikationen seien möglich. Der Spender könne Schmerzen haben, Blutungen oder sogar eine Lungenembolie erleiden. Die Ergebnisse in Berlin zeigten aber, wenn auch noch in kleiner Zahl, daß die Teilresektion der Leber offenbar möglich sei, ohne dem Spender zu schaden.
    Auch beim Empfänger, in der Charite waren dies Ehepartner, erwachsener Sohn oder Tochter, Vater oder Mutter, vergrößert sich der transplantierte Leberlappen. Die Lebendspende ist außerdem für den Empfänger, weil Transport- und Wartezeiten sowie langfristige Kühlmaßnahmen entfallen, stets vorteilhafter als das Organ eines Toten. So waren auch in Berlin bei den Empfängern die Leberlappen von Anfang an funktionsfähiger als es Leichentransplantate sein könnten. (Eine Patientin mußte allerdings erneut operiert werden: Sie erhielt die Leber eines Verstorbenen und ist inzwischen wohlauf).
    So befriedigend die Ergebnisse der ersten 10 Fälle insgesamt sind, so nachdenklich betrachtet Neuhaus bestimmte Probleme der Lebendspende, die im Bereich der Ethik und der Psychologie liegen. Er legte daher Wert darauf, alle Transplantationen in enger Kooperation mit der örtlichen Ethikkommision vorzubereiten. So sind die potentiellen Spender sowohl über die möglichen medizinischen Komplikationen als auch über die denkbaren psychologischen Schwierigkeiten von der Lebendspendekommission der Berliner Ärztekammer aufgeklärt und gründlich hinsichtlich der gebotenen Freiwilligkeit beraten worden. Psychologischer Druck auf die Spendewilligkeit bzw. finanzielle Verlockung sind immerhin denkbar und können auch unausgesprochen im Raum stehen, gerade dann, wenn das Operationsrisiko beherrschbar erscheint, und dem Spender das Organ nachwächst.
    Auch ein weiteres ärztlich-ethisches Problem sieht Neuhaus:Wird man, wenn der Kranke gewissermaßen seinen Spender mitbringt, auch dann noch transplantieren, wenn der Patient auf eine übliche Warteliste für Organe von Toten gar nicht mehr aufgenommen würde? Dort nämlich werden wegen der knappen Ressourcen nur Patienten akzeptiert, die nach Transplantation für die nächsten 5 Jahre eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 80 % erwarten lassen. Wo also liegt die Grenze auch angesichts der Tatsache, daß Spender, wie in USA geschehen, auch schon gestorben sind. Gäbe es kein Risiko, so könnte man wohl sehr weit gehen.
    Silvia Schattenfroh
    Anmerkung: Die griechische Mythologie kannte die Regeneration der Leber: Die Götter straften Ganymed, den Mundschenken des Zeuss: Ein Adler fraß jeweils erneut aus seiner Leber, wenn sie gerade wieder nachgewachsen war.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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