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26.05.1997 00:00

Den Archäologen zum "Fingerabdruck" verholfen

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Herkunftsbestimmung mykenischer Keramik mit Hilfe der Neutronenaktivierungsanalyse gelungen

    Immer wieder stoesst die Archaeologie auf Fragen, die sie mit ihren Methoden nicht zweifelsfrei klaeren kann. So ist die bemalte Keramik der mykenischen Zeit Griechenlands (ca. 1600 - 1050 v. Chr.) bereits seit mehr als 100 Jahren Gegenstand archaeologischer Forschung. Erst jetzt konnten aber durch Arbeiten des Instituts fuer Strahlen- und Kernphysik der Universitaet Bonn, Arbeitsgruppe Archaeometrie, Angaben zur Herkunft zahlreicher Keramiken sicher geklaert werden. Das im Mai 1997 auslaufende Projekt wurde vom BMBF (Bundesministerium fuer Bildung und Forschung) gefoerdert und durch das aussergewoehnliche und weitreichende Entgegenkommen des griechischen Kultusministeriums erst moeglich.

    Die Archaeometrie ist ein interdisziplinaeres Arbeitsfeld, das seit etwa 1980 an der Universitaet Bonn vertreten ist. Mit Hilfe atom- und kernphysikalischer Material- und Elementanalysen werden vor allem Metallegierungen, Druckfarben und Keramiken bis in den Spurenelementbereich hin untersucht. So koennen kulturhistorische Objekte teilweise zerstoerungfrei, z.B. ueber die Roentgenfluoreszenzanalyse oder durch Untersuchung kleiner entnommener Proben mittels Neutronenaktivierungsanalyse bestimmt werden. Die damals verwendeten Materialien koennen auf diese Weise exakt bestimmt werden, was eine Hilfe fuer die Restaurierung und Konservierung darstellt. Darueber hinaus lassen sich Fragen zu frueher verwendeten Technologien klaeren, Echtheitspruefungen vornehmen oder die Herkunft von Keramiken feststellen. Letzteres geschieht hauptsaechlich mittels Neutronenaktivierungsanalyse. Dazu benoetigt man eine etwa 80 mg schwere Probe, die in einem Forschungsreaktor mit Neutronen beschossen wird. Die so erzeugten, knapp einen Tag schwach radioaktiven Isotope, erlauben eine genaue Elementebestimmung der Probe.

    Man geht davon aus, dass jede Keramik eine fuer sie typische Zusammensetzung des verwendeten Tones und somit ein fuer den Produktionsort typisches geoche-misches Muster aufweist. Dementsprechend gestattet die Analyse moeglichst vieler chemischer Elemente eine eindeutige Zuordnung der Keramik zum jeweiligen Produktionsort. Im Falle der mykenischen Keramik nahm die Bonner Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Hans Mommsen ca. 3.000 Proben in Griechenland und untersuchte sie auf mehr als 30 Einzelelemente hin. Im Mittelpunkt der Auswertung stand die Erstellung einer Art Fingerabdruckkartei, anhand derer gefundene Keramiken klassifiziert werden koennen.

    Fuer die Archaeologie ergaben sich aus dieser Arbeit neue Erkenntnisse: Glaubte man bisher, dass es sich bei einigen Tonscherben mit figuerlicher Darstellung, die noerdlich von Athen in der Naehe von Lamir gefunden wurden, um Importware handelte, so konnte nun nachgewiesen werden, dass die Ware aus dieser Gegend stammt. Entgegen der herrschenden Meinung war Lamir also keineswegs unterentwickelte Provinz, sondern brachte eine eigene Malschule und sehr hochwertige keramische Produkte hervor.

    Im Kerngebiet des mykenischen Griechenlands um das heutige Nauplion konnten zwei chemische Elementmuster, das Mykene-Berbati und das Tiryns-Asine, benannt nach den Herkunftsorten, identifiziert werden. Bemerkenswert ist, dass diese Keramiken, obwohl sie sich von ihren Formen und Motiven her nicht unterscheiden, stark unterschiedlich verbreitet waren. Waehrend das Tiryns-Asine selbst im Ursprungsgebiet wenig vorkommt, erwiesen sich die Mykene-Berbati-Keramiken als sehr verbreitet. Auch der ueberwiegende Teil der aus dieser Gegend nach Aegypten exportierten Ware weist dieses chemische Muster auf.

    Auf Zypern und im Nahen Osten werden oft krugaehnliche Keramiken mit Wagendarstellungen gefunden. Ihre Herkunft ist seit Jahren heftig umstritten. Aufgrund juengerer Ausgrabungen in der Naehe von Mykene, bei denen Fehlbraende mit solchen Darstellungen entdeckt worden waren, mehrten sich bereits die Vermutungen, dass diese Keramiken weder auf Zypern, noch im Nahen Osten, sondern im mykenischen Kerngebiet produziert wurden. Die geochemische Analyse der Bonner Naturwissenschaftler bestaetigte nun, dass offenbar eine Toepferei in der Naehe von Mykene Keramik speziell fuer den Export nach Zypern und in den Nahen Osten herstellte, wo Gefaesse mit Wagendarstellungen offenbar viel beliebter waren als auf dem griechischen Festland.

    So konnte durch die Anwendung archaeometrischer Verfahren ein wichtiger Beitrag zu einem besseren Verstaendnis der Mechanismen der Keramikherstellung und -verbreitung im bronzezeitlichen Griechenland geleistet werden.

    Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans Mommsen, Tel.: 0228 - 73 2534


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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