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09.05.2000 14:03

Wie leben die "Hellenen" in Bremen? Studie der Bremer Uni zur Lebenssituation griechischer Mitbürger

Kai Uwe Bohn Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen

    --> Dreiviertel der selbständigen Griechen ist in der Gastronomie tätig
    --> Ein Viertel der Bremer Griechen hat einen deutschen Ehepartner
    --> Integration von Griechinnen und Griechen in Bremen besonders in der "zweiten Generation" erfolgreich

    Wie leben Griechen in Bremen? Sind sie in die Gesellschaft integriert oder bleiben sie eher unter sich? Arbeiten alle in griechischen Restaurants oder sind das deutsche Vorurteile? Leben sie in traditionellen Großfamilien oder haben sie sich den Bremer Wohnverhältnissen angepasst? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Bremer Wissenschaftler Gregorios Panayotidis in seiner empirischen Forschungsstudie "Griechen in Bremen- Bildung, Arbeit und soziale Integration einer ausländischen Bevölkerungsgruppe".

    Das Besondere an dieser empirischen Studie ist, dass sie in allen griechischen Haushalten in Bremen durchgeführt wurde. Für seine Untersuchung befragte Panayotidis 358 Haushalte, das sind 78% aller geschätzten griechischen Haushalte in Bremen. Weder in Bremen noch in Deutschland , wurde bisher solch eine umfassende Studie erstellt; auch nicht für andere nationale oder ethnische Gruppen. Deswegen kommt der Forschungsstudie auch eine Pilotfunktion zu.

    Um ein genaues Bild über das Leben der Bremer Griechinnen und Griechen zu erhalten, hat der Wissenschaftler folgende Bereiche untersucht: Entwicklung der griechischen Bevölkerung in Bremen seit 1945, Wohnsituation und Familienstruktur, Erziehung, Ausbildung, berufliche Situation und gesellschaftliche Integration.

    Von den Interviewten lebte die überwiegende Mehrzahl (76 %) in Mietwohnungen und nur 41 Befragte wohnten in einem eigenen Haus. Die Hausbesitzer waren meist Selbständige oder vollzeitbeschäftigte Frauen und Männer. Den Kauf von Wohneigentum koppelten viele Griechen mit dem Wunsch, längere Zeit in Bremen bleiben zu wollen und das gesparte Geld sinnvoll zu investieren. Alle lebten in der Regel bereits länger als 15 Jahre in Bremen.

    Die Bremer Griechen leben allerdings kaum noch in traditionellen Großfamilien. Nur noch 4 % wohnen mit ihren Eltern oder Verwandten zusammen. Die überwältigende Mehrheit der Interviewten bildet einen eigenen Haushalt. Der frühe Auszug von Kindern wird von griechischen Arbeitsmigranten zwar nicht gerne gesehen, doch berufliche Gründe stehen hier im Vordergrund. Rund 2% der Haushalte sind verwitwete Griechinnen und Griechen. Auffallend ist hierbei, so der Bremer Wissenschaftler, dass viele von ihnen aufgrund ihrer besonderen gesundheitlichen oder finanziellen Situation isoliert leben.

    Früher wurden deutsch-griechische Ehen hauptsächlich von Frauen und Männer aus gleichen sozialen Schichten geschlossen. In griechischen Kreisen der gehobenen Mittelschicht war es bis Ende der 70er Jahre noch ein Statussymbol, einen ausländischen Ehepartner zu haben. In der Anfangsphase der Arbeitsmigration wurden Eheschließungen zwischen "Gastarbeitern/innen" und Deutschen von beiden Seiten als anstößig betrachtet. Für Bremen stellt der Wissenschaftler fest, dass heute rund 26% der verheirateten Männer und Frauen einen deutschen Ehepartner haben. Bei nichtehelichen Partnerschaften leben Griechinnen und Griechen in 64 % der Fälle mit Deutschen zusammen. Der Wissenschaftler konstatiert einen regelrechten "Heiratsboom" zwischen Deutschen und Griechen und sieht im partnerschaftlichen Bereich einen hohen Grad der Integrationsbereitschaft.

    Im Berufsleben zeigt die Studie folgendes Bild: Bis Mitte der 70er Jahre waren die meisten Griechen in deutschen Mittel- und Großbetrieben beschäftigt. Die Mehrheit von ihnen ging ungelernten oder angelernten Tätigkeiten nach. Ab Mitte der 70er Jahre machten sich viele Griechen in Bremen selbständig: Allein 79 % der Selbständigen sind in der Gastronomie tätig. 66 % der Interviewten arbeiten - einige davon mit abgeschlossenem Studium - als Angestellte in der griechischen Gastronomie. Vielfach wird hier noch in kleinen Familienbetrieben gearbeitet. Meist führen die Ehepartner den Betrieb gemeinsam. Welche Aufgaben die Familienmitglieder übernehmen hängt mehr von ihrer Befähigung ab.

    Von den Kindern der Interviewten arbeiteten knapp 40 % in einem deutschen Betrieb. Rund 20 % arbeiteten im elterlichen oder verwandtschaftlichen Betrieb mit. Die zweitgrößte Gruppe der Kinder der Befragten sind aber mit 22 % die Arbeitslosen. Da die Arbeitslosigkeit in der Familie eine der größten Sorgen der griechischen Elterngeneration ist, machen sich viele selbständig, um sich selbst und ihren Angehörigen oder Verwandten einen Arbeitsplatz zu sichern. Die Mehrheit der Eltern will ihren Lebensabend dennoch lieber in Griechenland erleben. Dagegen benennt die hier geborene Generation Deutschland als das Land, in dem sie leben möchte.

    Zu ihren Erfahrungen mit Deutschen wegen ihrer Nationalität befragt antworteten knapp 85 %, dass sie keine Vorbehalte spüren. Was die Nachbarschaftskontakte angeht, stellt der Wissenschaftler für die traditionellen Arbeiter-Stadtteile wie Walle, Gröpelingen und Vegesack intensivere Kontakte als in anderen Stadtteilen fest. Gregorios Panayotidis begründet das mit der gemeinsamen Arbeit in Betrieben wie auf der "A. G. Weser" in Gröpelingen. Auch die abendlichen Kneipenbesuche mit Kollegen haben viel zur Verständigung und gegenseitige Solidarität beigetragen. Mit der Ausbreitung der Arbeitslosigkeit und der Verarmung von immer mehr Menschen in diesen Stadtteilen haben auch die Kontakte unter ihnen rapide nachgelassen.

    Der Autor kommt in seiner Studie zu der Einschätzung, dass die Integration griechischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Bremen erfolgreich war. Die Migration, aber auch der deutsche Tourismus nach Griechenland haben viele Vorurteile abgebaut. Die Erfolge dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin Probleme wie die Arbeitslosigkeit gibt, die gelöst werden müssen, damit Teile der griechischen Bevölkerung nicht ins soziale Abseits geraten. Die Griechen zeichnet Dynamik und Unternehmergeist aus, der sich in der Gründung einer Vielzahl kleinerer Betriebe manifestiert. Viele haben sich vom einfachen "Gastarbeiter" zum Unternehmer hochgearbeitet, der für sich und seine Angehörigen Arbeitsplätze geschaffen hat. Der Beitrag der griechischen Gastronomie auch für die Bremer Wirtschaft, ist nicht zu unterschätzen. Insgesamt kommt Gregorios Panayotidis zu dem Ergebnis, dass es für die selbständigen Griechinnen und Griechen in Bremen wichtig ist, einen unabhängigen Interessensverband für ihre speziellen Interessen zu gründen. Dieser Verband sollte auch bei der Beratung der Gastronomen bei Investitionen, Existenzgründungen und der beruflichen Qualifizierung aktiv werden. Die Untersuchung wurde von dem Soziologieprofessor Lothar Peter initiiert und geleitet.

    Weitere Informationen bei:

    Prof. Lothar Peter
    Tel.: (0421) 218-2079

    Gregorios Panayotidis
    Tel.: (0421) 6163372


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-bremen.de/campus/campuspress/unipress/00-060.php3


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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