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10.05.2000 19:46

Astronomisches Rechen-Institut beging 300. Geburtstag

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Rektor Prof. Dr. Jürgen Siebke überbrachte Glückwünsche der Universität Heidelberg bei einem Festakt in der Alten Aula - "Das Astronomische Rechen-Institut hat in Heidelberg große Erfolge erzielt" - Heidelberger Rektor kritisierte Forschungspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union

    Heute beging das Astronomische Rechen-Institut in Heidelberg seinen 300. Geburtstag. Das Institut wurde in Berlin gegründet und hat seinen Ursprung im sogenannten Kalender-Patent vom 10. Mai 1700. Bei einem Festakt in der Aula der Alten Universität überbrachte Rektor Prof. Dr. Jürgen Siebke die herzlichen Glückwünsche der Ruprecht-Karls-Universität. "Das Astronomische Rechen-Institut hat in Heidelberg große Erfolge erzielt", sagte Siebke. Diese Erfolge gingen darauf zurück, dass sich die Institution ergebnis-offener Forschung zugewandt habe. Siebke kritisierte die einseitig auf schnellen Wissens- und Technologietransfer ausgerichtete Forschungspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union.

    "Jede Institution, die ein so langes Leben durchlebt und manchmal auch durchlitten hat, durchlief Höhen und Tiefen ihrer Entwicklung", sagte Siebke mit Blick auf das Astronomische Rechen-Institut. "Höhen werden in der Regel selbst gestaltet. Tiefen sind oftmals von außen aufgezwungen - ohne zu leugnen, dass gelegentlich auch eigenes Verschulden vorliegt." 245 Jahre war Berlin Sitz des Instituts. Heidelberg ist neuer Standort infolge der Wirren der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geworden.

    "Vielleicht spiegelt sich diese geschichtliche Wellenbewegung auch in der Bezeichnung der Gründer des Kalender-Patents und der Träger des heutigen Astronomischen Rechen-Instituts wider", sagte Siebke. Der Begründer des Kalender-Patents war noch zeitgeschichtlich widerspiegelnd erhaben benannt, spiegelt in seiner Namensgebung aber auch die Zersplitterung des Deutschen Reiches um 1700 wider: Friedrich der Dritte, Markgraf zu Brandenburg, des Heiligen Römischen Reichs Ertz-Camerer und Churfürst, in Preussen, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin... bis hin zu Lauenburg und Bütow.

    Anlass der Gründung von unmittelbarer praktischer Bedeutung

    Diese Vielfältigkeit der gebietlichen Aufgaben der politischen Herrscher habe dem Kalender-Patent wahrscheinlich Autonomie erbracht, zumal die Existenz der Institution lange Zeit ausschließlich aus den Einnahmen des Kalenderpatents, also dem Verkauf der Arbeitsergebnisse ihrer Astronomen, finanziert wurde. Siebke: "Das war das, was die Politik heute so hochlobend den schnellen Wissens- und Technologietransfer nennt." Der Anlass der Gründung damals war von unmittelbarer praktischer Bedeutung. Es galt, die Kosten von zwei parallel laufenden Kalendern, die sich unterschieden, zu beheben.

    "Doch ich denke, eine wesentliche Nebenbedingung der erfolgreichen Gründung sollte im Hinblick auf die wissenschaftspolitische Diskussion unserer Tage angemerkt werden. Die Vereinheitlichung der Kalender konnte unmittelbar von den Astronomen geleistet werden. Es bedurfte keiner umfangreichen Grundlagenforschung mit unsicherem Ausgang. Das Wissen zur Umsetzung war bereits vorhanden. Eben das zeichnet heute kein Forschungsinstitut aus, das grundlegend offenen Fragen nachzugehen hat. Das aber gilt auch für die Institution, die international als Forschungsuniversität verstanden wird. Sie ist definiert durch ihren breiten Freiraum der ergebnis-unsicheren, ja der zweck-freien Forschung. Deshalb kann diese Forschung auch nicht über den Markt finanziert werden. Ihre Finanzierung ist ureigenste Aufgabe des Staates, ohne dass dieser der Forschung finale Ziele vorgibt. Leider versucht dies heutzutage die Wissenschaftspolitik, insbesondere die derzeitige Bundesregierung mit ihren Forschungsprogrammen. Das gilt uneingeschränkt für die Europäische Union, die den Einsatz ihrer Forschungsmittel ganz unter die Leitlinie der Kooperation von Forschung und Wirtschaft gestellt hat" (Siebke).

    "Die Fortentwicklungen der Wissenschaften erzwingen auch im Astronomischen Rechen-Institut neue Überlegungen zur Zukunft. Die enge Verbindung zur Universität Heidelberg, unter anderem über eine Personalunion des Institutsdirektors als Ordinarius unserer Fakultät für Physik und Astronomie, sichert Ihnen unsere Unterstützung einer Umorientierung zu, aber auch innerhalb der Universität Heidelberg. Beide Institutionen stehen für ihre Evaluationen ein und akzeptieren die Ergebnisse und die daraus folgenden Konsequenzen." In der Zielsetzung der Evaluation haben Heidelberger Rektor und Wissenschaftsminister von Trotha eine gemeinsame Position. In der Verfahrensfrage widerspreche die Wissenschaft dem Minister: "Evaluation ist ureigenste Aufgabe der Scientific Community, auch in den Verfahrensfragen."

    Alles begann mit einem Monopol auf die Herausgabe von Kalendern

    Ein Blick auf die Historie des Astronomischen Rechen-Instituts: In einem Edikt verlieh der brandenburgische Kurfürst Friedrich III., der 1701 als Friedrich I. der erste König von Preußen wurde, ein Monopol auf die Herausgabe von Kalendern in seinen Gebieten. Er bestimmte, dass neu einzustellende Astronomen diesen verbesserten Kalender astronomisch korrekt berechnen und auch eigene Beobachtungen anstellen sollten. Noch heute werden vom Institut die "Astronomischen Grundlagen für den Kalender" für Deutschland berechnet und veröffentlicht. Diese Institutspublikation, die neben den eigentlichen Kalenderangaben auch Auf- und Untergangszeiten von Sonne und Mond sowie weitere astronomische Phänomene auflistet, wird von den meisten Kalenderverlagen genutzt.

    Das Institut wurde 1874 organisatorisch von der Berliner Sternwarte getrennt und erhielt 1896 als "Königliches Astronomisches Rechen-Institut" seine volle Selbständigkeit. 1944 wurde es der deutschen Kriegsmarine unterstellt und wegen der Bombengefahr nach Sachsen ausgelagert. Von dort wurde es im Jahre 1945 im Zuge der Kriegsfolgen nach Heidelberg verlegt. Es ist heute ein Institut des Landes Baden-Württemberg, das eng mit der Universität Heidelberg verbunden ist. Seine Hauptaufgabe ist seit vielen Jahren die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Astronomie. Hier sind die Hauptarbeitsgebiete des Instituts die Astrometrie (auch mit Satelliten) und die Stellardynamik. Aber zusätzlich erbringt das Institut auch astronomische Dienstleistungen in Form der Kalendergrundlagen, astronomischer Jahrbücher und Bibliographien.

    "Kalender machen - gestern und heute"

    Zur Feier des 300. Jahrestages des Kalender-Patents und der Gründung des Astronomischen Rechen-Instituts fand genau am 10. Mai 2000 der Festakt in der Aula der Alten Universität in Heidelberg statt. Es sprachen der Wissenschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Klaus von Trotha, der Rektor der Universität, Professor Siebke, die Heidelberger Oberbürgermeisterin Beate Weber, Physik-Dekan Professor Wetterich, der Vorsitzende der Astronomischen Gesellschaft, Professor Sedlmayr aus Berlin, und der Direktor des Astronomischen Rechen-Instituts, Professor Wielen. Den Festvortrag über "Kalender machen - gestern und heute" hielt Professor Haupt von der Universität Graz.

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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