Hirnstamm-Prothesen verbessern die Kommunikationsfähigkeit von Menschen, deren Hörnerv zerstört ist. Dies belegen erste Langzeit-Untersuchungen, die auf dem 4. Europäischen Kon-gress für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Berlin vorgestellt werden. Ähnlich positiv sind auch die Erfahrungen der Spezialisten mit künstlichen Hörschnecken.
Weltweit tragen mehr als 30.000, in Deutschland etwa 3000 ertaubte oder taub gebo-rene Kinder und ertaubte Erwachsene eine Innenohr-Prothese, Cochlear Implant
genannt. Das Implantat übernimmt - zusammen mit einem Mikrofon und einem Sprachprozessor - die Funktion der zerstörten oder stark geschädigten Hörschnecke (Cochlea). Dazu wird es über Elektroden direkt mit dem Hörnerven verkoppelt.
Zwar ist das Implantat nicht so effizient wie das natürliche Organ - die wenigen Elektroden können kaum dessen Funktion komplett ersetzen. Dennoch ermöglicht die Neuroprothese den zuvor gehörlosen Patienten, dass sie nach entsprechendem Training Sprache verstehen, viele Patienten können sogar telefonieren.
Inzwischen sind sich die Experten einig, dass ein Cochlear Implant bei taub geborenen und ertaubten Kindern so früh wie möglich, noch vor dem zweiten Lebensjahr eingepflanzt werden sollte. Dann kann sich das Hör- und Sprachvermögen erstaun-lich gut entwickeln. Die Kinder sind beispielsweise nicht unbedingt auf spezielle Schulen für Hörbehinderte angewiesen und können selbst Fremdsprachen erlenen.
Die Kosten der Behandlung belaufen sich auf etwa 40.000,- Mark für das Implantat sowie weitere 60.000,- Mark für Diagnostik und Therapie in den ersten zwei Jahren.
Direkte Impulse für das Stammhirn
Ist der Hörnerv jedoch zerstört, nutzt eine künstliche Schnecke nichts. Dann müssen die elektrischen Impulse direkt zu einer Gruppe von Nervenzellen, dem Nucleus cochlearis, im Hirnstamm geleitet werden. Möglich ist dies mit sogenannten auditorischen Hirnstamm-Prothesen, deren Technik auf jener des Cochlear Implants basiert. Von diesen Prothesen profitieren vor allem Patienten, die an einer seltenen Erbkrankheit, der Neurofibromatose Typ 2, leiden. Bei den betroffenen Menschen entwickeln sich gutartige Tumoren des Zentralnervensystems, zumeist auch an den Hörnerven. Die Geschwulst selbst oder die erforderliche Operation führen dazu, dass die Patienten ertauben.
Weltweit tragen 200 Patienten ein Hirnstamm-Implantat - mit gutem Erfolg
1992 pflanzte ein Team um Professor Roland Laszig von der Universitäts-HNO-Klinik in Freiburg und Professor Wolf-Peter Sollmann, Neurochirurg aus Braun-schweig, einem Patienten erstmals eine mehrkanalige Hirnstammprothese ein. Seitdem haben nicht nur die Freiburger Ärzte, sondern auch andere Zentren weltweit insgesamt rund 200 Patienten mit einer Hirnstamm-Prothese versorgt, davon etwa 65 in Europa und 30 in Deutschland. In USA wird die Entwicklung aus Deutschland seit dem 1. Januar diesen Jahres eingesetzt. Die Implantation erfolgt zusammen mit der Tumorentfernung bei einer einzigen mehrstündigen Operation.
"In der überwiegenden Zahl der Fälle werden Höreindrücke durch das Implantat vermittelt", fasst Professor Roland Laszig die bisherigen Langzeit-Beobachtungen zusammen. "Alle Patienten erfahren eine dramatische Verbesserung ihrer Kommu-nikationsfähigkeiten, wenn sie Implantat und Lippenlesen kombinieren." In speziel-len Tests können Patienten Sprachmaterial auch ohne Lippenlesen verstehen. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass 85 Prozent der Betroffenen sich erneut für die Operation entschließen würden.
Ein sogenanntes "offenes Sprachverstehen", etwa telefonieren, ist jedoch nur in Aus-nahmefällen möglich. Die Langzeitergebnisse belegen darüber hinaus, dass die chronische Elektrostimulation das Gehirngewebe nicht beeinträchtigt.
Technische Weiterentwicklungen
Nun planen die Freiburger Spezialisten die Entwicklung sogenannter Nadel-Elektroden, um die Nervenzellen im Nucleus cochlearis noch präziser ansteuern zu können. Denn mitunter kann es geschehen, dass Elektroden nicht-akustische Effekte auslösen und daher nicht benutzt werden können. Dies ist auch der Grund, warum von den 22 implantierten Elektroden, die jeweils Impulse für verschiedene Tonhö-hen übertragen, bislang langfristig im Schnitt nur sieben bis acht ohne Nebeneffekte angesteuert werden können.
Rückfragen an:
Prof. Dr. med. Roland Laszig
Ärztlicher Direktor der Universitäts
Hals-Nasen-Ohrenklinik Freiburg
Killianstraße 5
79106 Freiburg
Tel.: 0761-270 42 06
Fax: 0761-270 41 89
e-mail: laszig@hno1.ukl.uni-freiburg.de
Pressetelle:
Barbara Ritzert
ProScientia GmbH
Andechser Weg 17
82343 Pöcking
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Fax: 08157/93 97-97
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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