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04.05.2000 00:00

Längere Arbeitszeiten für höher Qualifizierte unterzeichnen Fachkräftemangel

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Bosch fordert Qualifikationsoffensive für die Wissensgesellschaft - Umverteilung von Arbeit benötigt hinreichende Reserven qualifizierter Arbeitskräfte

    Der Fachkräftemangel in Deutschland ist viel gravierender, als allgemein angenommen. Die tatsächlichen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt werden derzeit durch immer längere Arbeitszeiten für die höher Qualifizierten aufgefangen. "Wenn die einen sich kaputt arbeiten, während die anderen immer weniger oder gar nicht zu tun haben, werden Wachstumschancen verspielt," warnt der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). "Der Engpass bei den Informations- und Kommunikationsberufen, der jetzt durch ausländische Fachkräfte mittels Greencard ausgeglichen werden soll, ist lediglich ein erster Hinweis auf die Probleme".

    Wie Analysen des Instituts Arbeit und Technik ergaben, hat die Arbeitszeit der Geringerqualifizierten in den letzten 15 Jahren abgenommen, die der Höherqualifizierten nimmt hingegen zu. Während an- und ungelernte Beschäftigte 1984 noch 7,5 Wochenstunden kürzer arbeiteten als höherqualifizierte Beschäftigte, ist diese Differenz bis 1997 auf 13,3 Wochenstunden gestiegen. Vertraglich vereinbarte und tatsächliche Arbeitszeit bei den Höherqualifizierten klaffen infolge "informaler" Arbeitszeiten und "neuer betrieblicher Überstundenkulturen" immer weiter auseinander. Trotz tariflicher Arbeitszeitverkürzungen hat die Arbeitszeit hochqualifizierter Beschäftigter nicht abgenommen. Der Unterschied zwischen vereinbarter und tatsächlicher Wochenarbeitszeit ist von 4,9 Wochenstunden 1994 auf 8,8 Wochenstunden 1996 gestiegen.

    Mit dem Übergang in die Wissensgesellschaft, geringerer Nachfrage nach einfacher Arbeit und hohem Innovationstempo brauchen wir in Deutschland eine neue Qualifikationsoffensive. "Arbeitszeit kann in einer Wissensgesellschaft mit chronischem Fachkräftemangel nur noch umverteilt werden, wenn auf dem Arbeitsmarkt hinreichende Reserven qualifizierter Arbeitskräfte zur Verfügung stehen", so Bosch.

    In der künftigen Wissensgesellschaft unterscheiden sich die Erwerbschancen zunehmend nach dem Bildungsniveau. Bildung wird mehr und mehr zum Eintrittsbillet in den Arbeitsmarkt. Die Unternehmen versuchen ihre Investitionen in die Qualifikation der Beschäftigten durch möglichst lange "Gehirnlaufzeiten" schneller zu amortisieren. Das geschieht insbesondere, wenn Überstunden - durch die Informalisierung der Arbeitszeit - nicht nur zuschlagsfrei, sondern sogar gratis erhältlich sind. "Wenn die Gehirnlaufzeiten immer länger werden, besteht allerdings die Gefahr, dass die Gehirne nicht mehr richtig "ticken", weil sie überlastet sind", meint Bosch.

    Dass eine Politik der Qualifizierung Engpässen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich gegensteuern kann, zeigten die 80er Jahre, als nicht nur die tarifliche Arbeitszeit stark verkürzt wurde, sondern auch ein langanhaltender wirtschaftlicher Aufschwung begann. Die Zahl der Überstunden ging sogar von 80,2 Stunden pro Beschäftigtem im Jahr 1980 auf 65 Stunden im Jahr 1992 zurück - einmalig für eine Boomphase. Die wichtigste Ursache für diese Entwicklung ist die Expansion der beruflichen Erstaus- und Weiterbildung in den 80er Jahren. Damals haben sich aufgrund des politischen Drucks viele Unternehmen zu besonderen Ausbildungsanstrengungen bereit erklärt, um die Integration der geburtenstarken Jahrgänge ins Erwerbsleben zu fördern. Als Glücksfall erwies sich auch, dass in diesem Zeitraum vermehrt Arbeitslose durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik weitergebildet wurden. Der vielfach befürchtete Facharbeitermangel trat nicht ein. Selbst im Boomjahr 1990 gaben nur 10 Prozent der Unternehmen an, sie würden durch Arbeitkräftemangel in ihrer Produktion behindert. Das waren deutlich weniger Unternehmen als in den Krisenjahren 1981-83.

    Wir brauchen eine Umverteilung von Arbeitszeit, um gleiche Chancen für die, die zu viel, und die, die zu wenig zu arbeiten haben, zu schaffen. Das geht nur mit einer Qualifikationsoffensive. "Eine aktive Qualifizierungspolitik ist in einer Wissensgesellschaft eine unumgängliche Ergänzung zur Arbeitszeitpolitik. Nur durch sie kann die Expansion der Arbeitszeit qualifizierter Beschäftigter gebremst oder die Arbeitszeit dieser Arbeitskräfte verringert werden", so Bosch.

    Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

    Prof. Dr. Gerhard Bosch
    Tel.: 0209/1707-147

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Tel.: 0209/1707-176


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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