Dass bei Leukämien die Zellvermehrung außer Kontrolle gerät und es zu einer "Überschwemmung" von Blut und Lymphsystem mit weißen Blutzellen kommt, kann nicht nur der Wirkung klassischer Onkogen-Proteine angelastet werden, vielmehr können nach jüngsten Erkenntnissen winzige regulatorische Ribonukleinsäure-Moleküle (microRNAs) die aus nur 22 Nukleotid-Bausteinen bestehen, eine entscheidende Rolle spielen. Wenn das menschliche T-Zell- Leukämievirus Typ 1, weiße Blutzellen zu permanentem Wachstum anstachelt, kommt es ebenfalls zur vermehrten Synthese bestimmter microRNAs, wie von einer Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ralph Grassmann am Institut für Klinische und Molekulare Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg nachgewiesen wurde. Nun untersucht die Gruppe in einem Projekt, das von der Wilhelm-Sander-Stiftung gefördert wird, warum in den durch Leukämieviren infizierten Zellen die Synthese bestimmter onkogener microRNAs stimuliert ist, und welche Rolle sie bei der Leukämie-Entstehung spielen.
Das Menschliche T-Zell-Leukämievirus (HTLV-1), ein entfernter Verwandter des AIDS-Erregers, verursacht die Adulte T-Zell-Leukämie (ATL). Etwa zehn bis zwanzig Millionen Menschen sind weltweit mit diesem Virus infiziert. Im Vergleich dazu, aber auch mit Blick auf andere westeuropäische Länder wirkt die Zahl von 6.000 Virusträgern in Deutschland niedrig. Bedingt durch Zuwanderung und den weltweiten Reiseverkehr ist die Tendenz jedoch steigend. Auf die HTLV-1-Infektion folgt zwar nur in der Minderzahl der Ausbruch einer Krankheit; dann aber ist die Prognose schlecht. Ein bis drei Prozent der Infizierten erkranken an ATL, einer Leukämie-Form, die derzeit kaum zu heilen ist. Bei weiteren ein bis drei Prozent der Virusträger tritt eine Degeneration von Nervenzellen im Rückenmark auf, die Lähmungen in den Beinen verursacht. In beiden Fällen geht der Erkrankung eine lange Inkubationszeit voraus. Die Viren richten sich in diesem Zeitraum dauerhaft in bestimmten weißen Blutzellen (T-Lymphozyten, bzw T-Zellen) ein, die sie umfunktionieren, um sie für ihre eigene Vermehrung zu nutzen. Die Folgen zeigen sich beispielsweise in Kultur: infizierte Zellen von Patienten mit beiden Krankheitsbildern können sich ohne spezielle Hilfe in Nährmedien permanent teilen. Das Virusprotein Tax vermittelt das ungezügelte Wachstum (Tansformation) und kann in bestimmten Tiermodellen sogar eine Leukämie hervorrufen. Die Analyse der Tax-Funktionen auf Molekülebene ergab, dass es über bestimmte Signalwege die Genexpression der befallenen Zelle stimuliert, also einen Einfluss darauf ausübt, welche Gene "abgelesen" werden. Bei ihrer systematischen Suche nach Mechanismen, die das Zellwachstum, in Virus- und Tax- positiven Zellen beeinflussen, fiel den Erlanger Virologen auf, dass auch bestimmte microRNAs heraufreguliert sind. MicroRNAs (miRNAs) stellen eine neu entdeckte Klasse von kleinen RNAs dar, die aus nur 22 Nukleotidbausteinen aufgebaut sind. Im Gegensatz zu den sehr viel größeren Boten-RNAs dienen sie nicht als Bauplan für Proteine, sondern als Kontrollsystem, welches die Ausprägung von spezifischen Genen bzw. Gengruppen unterdrücken kann. Auf diese Weise können microRNAs Differenzierungsvorgänge, wie bei der Entstehung von verschiedenen Blutzellen aus Vorläufern steuern. Zusätzlich sprechen jüngere Untersuchungen für eine Rolle von onkogenen miRNAs (Oncomirs) bei der Entstehung von mehreren Krebs- und Leukämieformen. Entsprechend könnten miRNAs auch eine Bedeutung für die diagnostischen Unterscheidung von Untergruppen malignen Erkrankungen haben und Ziele für die spezifische Krebs-Therapie darstellen. Nun möchte die Arbeitsgruppe den Einfluss des viralen Onkoproteins Tax auf die microRNA-Synthese aufklären. Um den Einfluss auf das Wachstum der HTLV-transformierten Zellen zu untersuchen, soll die microRNA mit einem neuartigen spezifischen Agens gehemmt werden (AntagomiR). Diese Arbeiten werden zeigen, ob das menschliche T-Zell Leukämievirus bei seiner Wachstumstransformation, die als Vorstufe der Leukämie gilt, auf onkogne microRNAs als Mittler der Wachstumsstimulation angewiesen ist.
Kontakt:
Prof. Dr. Ralph Grassmann, Erlangen
Tel. +49 (9131) 852 6784
Fax +49 (9131) 852 2101
grassmann@viro.med.uni-erlangen.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 120.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen: www.wilhelm-sander-stiftung.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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