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15.05.2000 00:00

Wissenschaftsrat: Hochschulstrukturen und Hochschulsystem in Berlin optimieren

Dr. Uta Grund Geschäftsstelle
Wissenschaftsrat

    Wissenschaftsrat: Hochschulstrukturen und Hochschulsystem
    in Berlin optimieren und finanzielle Grundlagen sichern!

    Der Wissenschaftsrat hat eine Stellungnahme zur Strukturplanung der Hochschulen in Berlin abgegeben; er empfiehlt, die Schwerpunkt- und Profilbildung der Hochschulen und das Hochschulsystem in Berlin nachhaltig zu optimieren und die finanziellen Grundlagen für die bestehenden Kapazitäten im Hochschulsektor zu sichern.

    Grundlage der Stellungnahme bilden die Strukturpläne, die die Hochschulen entsprechend der mit dem Land Berlin abgeschlossenen Verträge erarbeiteten und die der Wissenschaftsrat auf Bitten des Landes bewertet hat. Wesentliches Ziel der Verträge ist es, trotz der angespannten Finanzsituation die Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Berliner Hochschulen national und international zu sichern. In den Verträgen werden den Hochschulen seit 1997 finanzielle Garantien im Hinblick auf ihre Mittelausstattung für konsumtive Zwecke bis zum Jahr 2002 gegeben (jährlich insgesamt jeweils zwischen 2,2 und 2,4 Mrd. DM). Im Gegenzug gehen die Hochschulen eine Reihe von Verpflichtungen ein. Sie erklären sich bereit, ihre Strukturen durch Schwerpunkt- und Profilbildung in Forschung und Lehre aufeinander abzustimmen, dazu das bestehende Fächerangebot zu überprüfen und gemeinsam getragene Forschungsschwerpunkte und Studiengänge zu entwickeln. Bei diesen sogenannten Vertragshochschulen handelt es sich um die drei Berliner Universitäten, Freie Universität (FU), Humboldt-Universität (HU) und Technische Universität (TU), um die Hochschule der Künste (HdK) sowie um vier staatliche Fachhochschulen, Alice-Salomon Fachhochschule (ASFH), Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW), Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) und Technische Fachhochschule (TFH).

    Fachgebiete

    Der Wissenschaftsrat konzentriert sich in seiner fachbezogenen Bewertung der Strukturpläne vor allem auf die Schwerpunkt- und Profilbildung der Hochschulen in den Fachgebieten Philologien, Geschichtswissenschaften, Kleine Fächer, Regionalwissenschaftliche Institute, Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften und Ingenieurwissenschaften. Zu diesen Fachgebieten gibt der Wissenschaftsrat detaillierte Stellungnahmen und Empfehlungen ab. Es wird ausführlich dargestellt und begründet, daß weiterhin ein deutlicher Optimierungsbedarf sowohl bei der Schwerpunkt- und Profilbildung als auch bei Kooperation und Abstimmung besteht, von dem strenggenommen keines der Gebiete ausgenommen ist. Die Naturwissenschaften bleiben in diesem Zusammenhang unberücksichtigt, nachdem sich der Wissenschaftsrat dazu erst 1997 geäußert hatte.

    Hochschulen und Hochschulsystem

    Der Wissenschaftsrat stellt eine Reihe von Defiziten sowohl in der Selbststeuerung der Hochschulen als auch in ihrer Kooperation und Abstimmung untereinander sowie mit den wissenschaftlichen Einrichtungen der Region Berlin-Brandenburg fest; außerdem hält er eine verbesserte Steuerung der Hochschulen durch das Land für erforderlich. Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher den Hochschulen, ihre Eigenverantwortung intensiver wahrzunehmen und ihre interne Steuerung, auch durch Schaffung von Hochschulräten, zu optimieren. Auf regionaler Ebene sollten sich die Universitäten und die Fachhochschulen jeweils als zusammenhängende Hochschulsysteme betrachten. Sie sollten das Instrument der Schwerpunkt- und Profilbildung zum Abbau unnötiger Doppelungen innerhalb einer Hochschulart und zur Verminderung eines lokalen oder regionalen Wettbewerbs auf weitgehend identischen Gebieten nutzen.

    Der Wissenschaftsrat empfiehlt dem Land Berlin, seine wissenschaftspolitische Verantwortung konsequent wahrzunehmen und die Lenkung der wissenschaftlichen Einrichtungen, insbesondere seiner Hochschulen, auch durch Einrichtung eines Landeshochschulrates und der gezielten finanziellen Förderung hochschulübergreifender Vorhaben, zu verbessern. Zu dieser Neuorganisation der Steuerung der Hochschulen und des Hochschulsystems in Berlin werden detaillierte Empfehlungen abgegeben.

    Hochschulreform unter finanziell restriktiven Bedingungen

    Die in den Strukturplänen dokumentierten hochschulinternen und -übergreifenden Reformen werden von einem zum Teil dramatischen Abbau von Personal begleitet. Die Universitäten und die Hochschule der Künste sind von dem Personalabbau und dem dadurch erzwungenen Verlust personalbezogener Studienplätze seit dem Jahr 1993 hauptsächlich betroffen. Bis zum Jahr 2000 verloren der universitäre Sektor knapp 29.000 personalbezogene Studienplätze (dies sind minus 31,5 % bezogen auf die ursprünglich vorhandenen Studienplätze) und die Hochschule der Künste weitere 1.500. Die Strukturplanungen der Universitäten dokumentieren den dadurch erzwungenen Um- und Abbau und die neuen fachlichen Strukturen. Freie Universität und Humboldt-Universität streben in ihren Strukturplänen eine vergleichbare Anzahl von Professuren an. Ihre fachliche Struktur weist mit jeweils rund einem Drittel in den Naturwissenschaften und in den Geisteswissenschaften bei einer Fülle "Kleiner Fächer" eine große Ähnlichkeit auf. Der Wissenschaftsrat empfiehlt FU und HU eine deutlich verstärkte Kooperation in zahlreichen Fachgebieten. Sie sollten gemeinsam interuniversitäre Zentren für die Ost- und Zentralasienwissenschaften sowie für die Erforschung der Antike bilden. Regionalwissenschaftliche Institute, wie sie an den drei Universitäten bestehen, erscheinen hingegen problematisch. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, sämtliche dieser Institute nur noch befristet einzurichten und rasch begutachten zu lassen. Er gibt außerdem Empfehlungen zu einer Strukturreform der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HU ab und unterstützt die TU in der Absicht, ihr spezifisches fachliches Profil als Technische Universität weiter zu entwickeln und neue profilbildende Schwerpunktfelder aufzubauen. Der fachliche Schwerpunkt sollte künftig eindeutig auf den Ingenieurwissenschaften in enger Verbindung mit den Naturwissenschaften liegen; alle anderen Fächer an der TU sollten einen klaren Bezug dazu aufweisen. Die Lehramtsausbildung sollte an der Technischen Universität mit Ausnahme der Ausbildung für Berufsschullehrer eingestellt werden.

    Struktur und Ausbaustand des Fachhochschulsystems des Landes Berlin spiegeln noch deutlich die Defizite wieder, die schon zu Beginn der 90er Jahre bestanden. Während sich die drei im Westen der Stadt im Jahr 1971 gegründeten staatlichen Fachhochschulen ASFH, FHW und TFH jeweils weiter als Spezial-Fachhochschulen für Sozialwesen, Wirtschaft und Technik auf einem anerkannt hohen Niveau profilierten, entstand im Osten der Stadt aus verschiedenen Vorgängereinrichtungen mit der FHTW eine neue Fachhochschule, für die es - trotz überzeugender konzeptioneller Planungen - bis heute keine endgültige Entscheidung über ihren Standort gibt. Nach Aufhebung der Insellage Berlins zeigen sich ungeachtet der Leistungen der Spezial-Fachhochschulen FHW, ASFH und TFH zunehmend die Schwächen eines solchen Systems. Der Wissenschaftsrat bittet das Land Berlin deshalb mit Nachdruck, die Standortentscheidung für die FHTW umgehend zu fällen und die notwendigen Baumaßnahmen einzuleiten. Außerdem muß mit entsprechenden Ausbaukonsequenzen überprüft werden, inwieweit bei den Spezial-Fachhochschulen das Ein-Fach-Prinzip schrittweise durch enge Kooperation oder Zusammenschluß, zum Beispiel von ASFH und FHTW, überwunden werden kann. Der Wissenschaftsrat spricht sich dafür aus, den Ausbildungsanteil im Fachhochschulbereich zu erhöhen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Es müssen Ausbildungskapazitäten von den Universitäten in den Fachhochschulbereich verlagert, vor allem aber können Studiengänge im Fachhochschulbereich sowohl ausgebaut als auch neu entwickelt werden.

    Studienplätze und Finanzierung

    In den Hochschulverträgen wird die Absicht zum Ausdruck gebracht, die mit dem Haushaltsstrukturgesetz 1996 festgelegte Zahl von 85.000 personalbezogenen Studienplätzen auf Dauer zu erhalten. Die angestrebte Größenordnung personalbezogener Studienplätze steht am Ende einer beispiellosen Entwicklung, in deren Verlauf die Zahl dieser Studienplätze innerhalb weniger Jahre von 115.000 (1993) über 100.000 auf nunmehr 85.000 (Soll 2000) abgesenkt wurde. Nach Auffassung des Wissenschaftsrates darf die Zahl von 85.000 personalbezogenen Studienplätzen nicht weiter unterschritten werden. Eine über den vollzogenen Abbau (minus 26 %) hinausgehende Reduktion wäre für das Hochschulsystem des Landes Berlin in hohem Maße abträglich. Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher mit Nachdruck, 85.000 personalbezogene Studienplätze und die dafür erforderlichen Zuschüsse an die Hochschulen nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und längerfristig zu sichern. Dabei müssen diese Studienplätze "ausfinanziert" sein; d.h. sowohl die erforderlichen Personalmittel als auch die erforderlichen Sach- und Betriebsmittel müssen für Forschung und Lehre bereitgestellt werden.


    Weitere Informationen:

    Die Stellungnahme zur Strukturplanung der Hochschulen in Berlin (Drs. 4560/00) kann bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates schriftlich oder per E-Mail angefordert werden.
    Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates, Brohler Straße 11, 50968 Köln
    Telefo


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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