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08.05.2007 13:38

Über Jazz als Symbol für Freiheit und Demokratie und die Kämpfe von Frauen und Juden um ihre Rechte

Dr. Christian Jung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
VolkswagenStiftung

    Stiftung bewilligt 3,13 Millionen Euro für neun neue Vorhaben zur Erforschung der Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas

    Die VolkswagenStiftung fördert gegenwartsbezogene und historische Forschungen zum östlichen Europa, die die Vielfalt dieses Kulturraums in den Blick nehmen und zugleich dessen Bezüge und Verbindungen zum übrigen Europa beleuchten. Vorrangiges Ziel dabei ist es, Ähnlichkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Teilen Europas herauszuarbeiten und Prozesse der gegenseitigen Beeinflussung und Durchdringung unterschiedlicher Kulturen zu untersuchen. In ihrer Förderinitiative "Einheit in der Vielfalt? Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas" stellt die Stiftung jetzt für neun neue Vorhaben - allein vier sind an Berliner Einrichtungen angesiedelt - rund 3,13 Millionen Euro bereit, darunter:

    1) 348.400 Euro für das Vorhaben "Jazz im "Ostblock" - Widerständigkeit durch Kulturtransfer" von Professorin Dr. Gertrud Pickhan vom Arbeitsbereich Geschichte und Kultur am Lehrstuhl für Geschichte Ostmitteleuropas des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin - in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern in Polen, Ungarn und der Slowakei;

    2) 426.400 Euro für das Kooperationsvorhaben "The Transnationalization of Struggles for Recognition - Women and Jews in France, Germany, and Poland in the 20th Century" eines internationalen Forscherteams um PD Dr. Dieter Gosewinkel und Professor Dr. Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung - in Zusammenarbeit mit Professorin Dr. Bo?ena A. Choluj vom Gender Studies and Instytut Germanistyki der Universität Warschau, Professor Dr. Zdzis?aw Mach vom Centre for European Studies der Jagiellonian Universität Krakau und Professor Dr. Jacques Ehrenfreund, Decanat Theologie der Universität Lausanne;

    3) 456.800 Euro für das Vorhaben "Agrarismus in Ostmitteleuropa 1890 bis 1960" von Professorin em. Dr. Helga Schultz und Dr. Uwe Müller von der Forschungsstelle für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Ostmitteleuropas an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - in Kooperation mit Dr. András Vári vom Lehrstuhl für Universalgeschichte der Universität Miskolc und Forschern aus Prag, Bratislava, Poznan und Bukarest.

    Ausführliche Informationen zu diesen drei Projekten finden Sie im Folgenden; daran anschließend folgt eine Übersicht der sechs weiteren neu bewilligten Vorhaben.

    Zu 1:
    Welchen gesellschaftspolitischen Stellenwert hatte Jazzmusik in den Staaten des "Ostblocks"? Das ist im Kern die Frage, mit der sich Wissenschaftler am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin sowie in Polen, Ungarn und der Slowakei beschäftigen wollen. Jazz gilt als die Musik der Freiheit und Demokratie und als Symbol des american way of life - mit Blick auf die staatssozialistischen Gesellschaften Ostmitteleuropas ein "gefährlicher" Mythos. Letztlich kann wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Existenz einer vom Regime schwer zu kontrollierenden Jazz-Szene diese Musik und ihr Umfeld unweigerlich zu einem Politikum ersten Ranges machten, das zudem durch die Verbindung der Musik mit ihrem Ursprungsland geprägt wurde. So bewirkte der Transfer US-amerikanischer Kulturformen eine ideelle Stärkung oppositioneller Kreise, während die US-amerikanische Propaganda den Jazz ihrerseits zu einer politischen Waffe im Kalten Krieg machte.

    Wie also "wirkte" Jazzmusik in jenen Ländern, welchen "Widerstandsgehalt" hatte sie? Dies herauszufinden, wollen sich die Forscher den Interpreten des Jazz nähern und musikalische Ausdrucksformen, Handlungsspielräume, Medien und Institutionen des Jazz untersuchen - und zwar für den Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Zusammenbruch der staatssozialistischen Regime in Polen, der DDR, Ungarn und der ?SSR. Insgesamt acht aufeinander bezogene Teilstudien sind geplant; allein vier behandeln die Stellung des Jazz in Polen, der ?SSR, Ungarn und der DDR. Ein fünftes Projekt soll am Beispiel des polnischen Jazz aufzeigen, wie die Musik selbst transatlantische Bezüge herstellte und insofern eine Möglichkeit für Widerständigkeit bildete. In einem weiteren Teilprojekt geht es um Jazz als "jüdische Musik", während in zwei vergleichend angelegten Teilstudien zum einen das Verhältnis von je eigenen nationalen Musiktraditionen und transatlantischen Einflüssen auf die Gestaltung eigenständiger Jazzmusiken thematisiert beziehungsweise zum anderen die Funktion des Jazz als Waffe der US-amerikanischen Propaganda und deren Wirkung im Rezeptionsprozess untersucht wird.

    Kontakt
    Freie Universität Berlin
    Osteuropa-Institut
    Lehrstuhl für Geschichte Ostmitteleuropas
    Prof. Dr. Gertrud Pickhan
    Telefon: 030 838 52469
    E-Mail: pickhan@zedat.fu-berlin.de

    Zu 2:
    Die transnationalen Kämpfe von Frauen und Juden um politische, soziale und kulturelle Rechte im 20. Jahrhundert: Mit diesem raumgreifenden Thema beschäftigt sich ein deutsch-polnisch-schweizerisches Wissenschaftlerteam, als dessen hiesiger Partner das Wissenschaftszentrum Berlin fungiert. Im Kern geht es um die Analyse von zivilgesellschaftlichen Netzwerken nationaler Akteuren, die kulturelle und nationale Grenzen überschritten haben. Das Vorhaben beinhaltet dabei einen doppelten Vergleich: zum einen zwischen den drei Ländern Frankreich, Deutschland und Polen; zum anderen nimmt es zwei Zeitabschnitte in den Blick - die Jahre von 1900 bis 1930 und von 1980 bis heute. Die Forscher fokussieren explizit diese Länder, da sie enge und häufig konfliktreiche Beziehungen zueinander hatten und auf unterschiedlichen nationalstaatlichen Modellen basieren. Juden und Frauen erscheinen als Akteursgruppen interessant, da sie nach Ansicht der Wissenschaftler in transnationalen Netzwerken besonders aktiv waren.

    Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen Kämpfe um politische, soziale und kulturelle Rechte. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob und inwieweit diese Kämpfe um Anerkennung ein Schrittmacher waren für transnationale Integration. Geplant sind im Einzelnen acht Fallstudien, die von Doktoranden verschiedener Fächer aus den Untersuchungsländern bearbeitet werden. Ziel ist es, auf diese Weise sowohl Brücken zu schlagen zwischen der nationalen und internationalen Ebene von Netzwerken und Organisationen als auch zwischen verschiedenen Disziplinen und methodologischen Zugängen dreier europäischer Länder. Jede der acht Teilstudien ist so angelegt, dass sie zwei Länder vergleicht; vier der Teilstudien wiederum enthalten zudem eine Vergleichsperspektive über die beiden genannten Zeitabschnitte hinweg.

    Kontakt
    Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
    PD Dr. Dieter Gosewinkel
    Telefon: 030 25491 531
    E-Mail: gosewinkel@wz-berlin.de

    Prof. Dr. Dieter Rucht
    Telefon: 030 25491 306
    E-Mail: rucht@wz-berlin.de

    Zu 3:
    Die Bauernparteien in Mittel- und Osteuropa haben eine mehr als hundertjährige Tradition. Sie standen - und stehen - dabei nicht nur für bäuerliche Partikularinteressen, ihre landreformerische Zielsetzung barg darüber hinaus auch generell sozialrevolutionäres Potenzial. In ihrer Rhetorik traten sie früher oft - und treten in einigen Ländern auch heute noch - antimodern, antistädtisch und antiintellektuell auf. Viele Bauernparteien beeinflussten insofern die Kultur der jeweiligen Gesellschaften im Sinne kleinbürgerlicher Vorstellungen und Ressentiments. Der "Agrarismus" - eine Ideologie, die die Landwirtschaft als entscheidende Produktionssphäre und die Dorfgemeinschaft als Zelle der gesellschaftlichen und staatlichen Struktur ansieht - entwickelte sich in Ostmitteleuropa aus den verspäteten und gebrochenen Modernisierungsprozessen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts; er erlebte den Höhepunkt seiner Entwicklung während der Zwischenkriegszeit mit dem Einzug verschiedener Bauernparteien in Regierungen und Parlamente. Sein Niedergang setzte ein, als er nach der Weltwirtschaftskrise zum Bestandteil autoritärer Ideologien und die Bauern zur Massenbasis rechtsnationaler Regimes wurden. Die Entmachtung vieler Bauernparteien erfolgte schließlich im Zusammenhang mit der sozialistischen Transformation und der Einführung des sowjetischen Modells stalinistischer Industrialisierung beziehungsweise der Kollektivierung der Landwirtschaft.

    Das Forscherteam will nun die Politik, Ideologie und Kultur des Agrarismus in Mittelosteuropa umfassend untersuchen: von Slowenien bis Estland, von Polen bis Bulgarien - und zwar für den Zeitraum von 1890 bis 1960. Geplant sind im Einzelnen zehn Teilstudien, die länderübergreifend angelegt sind und von ostmitteleuropäischen Forschern bearbeitet werden. Auch bei diesem Vorhaben soll am Ende eine Monografie das Geleistete zusammenführen. Das Thema ist nicht zuletzt deshalb von aktueller Relevanz, da in einigen ostmitteleuropäischen Staaten auch heute noch ein ideologischer Agrarismus präsent ist.

    Kontakt
    Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
    Prof. em. Dr. Helga Schultz
    Telefon: 0335 5534 2294
    E-Mail: hschultz@euv-frankfurt-o.de

    Dr. Uwe Müller
    Telefon: 0335 5534 2294
    E-Mail: umueller@euv-frankfurt-o.de

    Des Weiteren wurden in der "Europa-Förderinitiative" der VolkswagenStiftung folgende sechs Bewilligungen ausgesprochen:

    4) 380.300 Euro für das Vorhaben "Normen- und Wertbegriffe in der Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa" von Professorin Dr. Rosemarie Lühr vom Lehrstuhl für Indogermanistik und Professor Dr. Hartmut Rosa vom Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie - beide Universität Jena - sowie Professor Dr. Matthias Kaufmann, Professur für Ethik, Institut für Philosophie der Universität Halle-Wittenberg;

    Kontakte:
    Universität Jena
    Prof. Dr. Rosemarie Lühr
    Telefon: 03641 944381
    E-Mail: g5rolu@rz.uni-jena.de

    Universität Halle-Wittenberg
    Prof. Dr. Matthias Kaufmann
    Telefon: 0345 5524 393
    E-Mail: matthias.kaufmann@phil.uni-halle.de

    5) 482.400 Euro für das Vorhaben "Antikes Erbe in Russland als Brücke nach Europa" von Professor Dr. Alexander Gavrilov, Bibliotheca Classica in St. Petersburg - in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Bernd Seidensticker vom Seminar für Klassische Philologie am Institut für Griechische und Lateinische Philologie der Freien Universität Berlin und Professor Dr. Reinhart Meyer-Kalkus vom Wissenschaftskolleg zu Berlin;

    Kontakt
    Wissenschaftskolleg zu Berlin
    Prof. Dr. Reinhart Meyer-Kalkus
    Telefon: 030 89001 213
    E-Mail: meyer-kalkus@wiko-berlin.de

    6) 333.500 Euro für das Vorhaben "The Catholic Church and Religious Pluralism in Lithuania and Poland: An Anthropological Study of Public and Private Meanings of Religion in Postsocialist Society" von Professor Dr. Christopher Hann vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (Saale);

    Kontakt
    MPI für ethnologische Forschung, Halle (Saale)
    Prof. Dr. Christopher Hann
    Telefon: 0345 2927 201
    E-Mail: hann@eth.mpg.de

    7) 395.700 Euro für das Vorhaben "Sozialistische Diktatur als Sinnwelt. Repräsentationen gesellschaftlicher Ordnung und Herrschaftswandel in Ostmitteleuropa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" von Professor Dr. Martin Sabrow und Professor Dr. Konrad H. Jarausch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e. V.;

    Kontakt
    Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.
    Prof. Dr. Konrad H. Jarausch
    Telefon: 0331 28991 57
    E-Mail: jarausch@zzf-pdm.de

    8) 120.000 Euro für das Vorhaben "Das Baltikum. Geschichte einer europäischen Region" von Dr. Andreas Lawaty, Dr. Karsten Brüggemann und Dr. Konrad Maier, alle Nordost-Institut - Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa e. V. an der Universität Hamburg, Lüneburg, sowie Professor Dr. Ralph Tuchtenhagen vom Historischen Seminar, Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg;

    Kontakte:
    Nordost-Institut, Lüneburg
    Dr. Andreas Lawaty
    Telefon: 04131 400590
    E-Mail: sekretariat@ikgn.de

    Universität Hamburg
    Prof. Dr. Ralph Tuchtenhagen
    Telefon: 040 42838 4829
    E-Mail: ralph.tuchtenhagen@uni-hamburg.de

    9) 185.300 Euro für das "Forum 'Einheit Europa' - Gemeinsame Wege in eine EUropäische Zukunft?!" von Professor Dr. Eberhard Sandschneider, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. in Berlin.

    Kontakt
    DGAP, Berlin
    Prof. Dr. Eberhard Sandschneider
    Telefon: 030 254231 25
    E-Mail: sandschneider@dgap.org

    Kontakte VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 0511 8381 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    "Europa-Förderinitiative"
    Dr. Wolfgang Levermann
    Telefon: 0511 8381 212
    E-Mail: levermann@volkswagenstiftung.de

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20070508


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kunst / Design, Musik / Theater, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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