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11.05.2007 11:08

Dr. Leopold Lucas-Preis 2007: Eduard Lohse

Michael Seifert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Universität Tübingen zeichnet ehemaligen Landesbischof aus

    Am Dienstag, dem 15. Mai 2006, verleiht die Evangelisch-Theologische Fakultät im Namen der EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN den mit 40.000 Euro dotierten Dr. Leopold Lucas-Preis an Eduard Lohse, Professor Emeritus für Neues Testament in Göttingen und Landesbischof i. R. der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

    Die Fakultät zeichnet Eduard Lohse, wie es in der Verleihungsurkunde heißt, aus, in Würdigung "seiner wissenschaftlichen Leistungen im gesamten Bereich der neutestamentlichen Exegese und Theologie und insbesondere seines Beitrags zur Erschließung und Einbeziehung jüdischer Quellen in das Verstehen des frühen Christentums, seiner wegweisenden Impulse für eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Israel und der Christenheit nach der Schoah sowie - seines kirchenleitenden Engagements für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland, für die Ökumene sowie für das Gespräch zwischen Christen und Juden."

    Der Festakt aus Anlass der Preisverleihung findet um 17.15 Uhr im Festsaal der Neuen Aula, Wilhelmstr. 7 statt. Die Laudatio auf den Preisträger hält der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer. Eduard Lohse hält anschließend den Festvortrag zum Thema: "Das Vaterunser im Licht seiner jüdischen Voraussetzungen".

    Ebenfalls am 15. Mai findet um 11.00 Uhr im Sitzungssaal der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Liebermeisterstr. 12, 2. Stock ein Pressegespräch mit Eduard Lohse statt.

    Der Dr. Leopold Lucas-Preis würdigt alljährlich hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Theologie, der Geistesgeschichte, der Geschichtsforschung und der Philosophie. Er ehrt dabei insbesondere Persönlichkeiten, die zur Förderung der Beziehungen zwischen Menschen und Völkern wesentlich beigetragen und sich durch Veröffentlichungen um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten namhafte Wissenschaftler wie Karl Rahner, Paul Ricoeur, Raimund Popper oder Michael Walzer, aber auch hervorragende politische Repräsentanten des Geistes und der Kultur wie Richard von Weizsäcker, Léopold Sédor Senghor, der frühere senegalesische Staatspräsident, oder Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama. Die Auszeichnung wurde 1972 von dem am 9. Juli 1998 verstorbenen Generalkonsul Franz D. Lucas, ehemals Ehrensenator der Eberhard Karls Universität, zum 100. Geburtstag seines in Theresienstadt umgekommenen Vaters, des jüdischen Gelehrten und Rabbiners Dr. Leopold Lucas, gestiftet.

    Eduard Lohse wurde 1924 in Hamburg geboren. Nach dem Kriegsdienst Studium der Evangelischen Theologie in Bethel und Göttingen (1945-1949), Promotion in Göttingen über die Ordination im Frühjudentum und im Neuen Testament, Tätigkeiten als Konviktinspektor an der Kirchlichen Hochschule in Hamburg, 1953 Habilitation in Mainz, 1956-1964 Professor für Neues Testament Universität Kiel, 1964-1971 Professor für Neues Testament Universität Göttingen, 1971-1988 Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers, 1975-1978 Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche in Deutschland, 1979-1985 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gründungsmitglied des ersten Vorstands der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 1988 Präsident des Weltbundes der Bibelgesellschaften, mehrere Ehrendoktorwürden im In- und Ausland.

    Das wissenschaftliche Werk von Lohse, in dessen Mittelpunkt das Neue Testament steht, ist einzigartig in seiner Breite und Fülle. Von Anfang an war dabei das Verhältnis von Judentum und Christentum im Blick. Immer gewichtiger treten später die Themen von Kirche, Kirchenleitung und Ökumene hinzu. Sogleich in seiner Dissertation von 1949 über die Ordination im Frühjudentum und im Neuen Testament dokumentiert Lohse seine souveräne Beherrschung der Quellen des rabbinischen Judentums und des Neuen Testaments. Edition, Übersetzung und Kommentierung rabbinischer Quellentexte zeigen Lohse als einen der ersten deutschen Forscher der Generation nach dem Krieg, die das Gespräch mit den Traditionen des Judentums neu aufnahmen. Eine ausdrückliche und neue Verhältnisbestimmung von Synagoge und Kirche, Juden und Christen, gibt Lohse in "Israel und die Christenheit" (1960). 1964 erschien "Der Lohse", eine Edition und Übersetzung mit knapper Kommentierung der wichtigsten Texte aus Höhle 1 aus den Qumranfunden. Vielmals nachgedruckt, ist diese Ausgabe noch immer ein zuverlässiges Mittel im akademischen Unterricht.

    Allein die Arbeiten zum Neuen Testament könnten als Lebenswerk gelten. Das kirchliche Amt hat Lohse darüber hinaus zu wegweisenden Arbeiten geführt; sie betreffen Ekklesiologie, Kirchenleitung, Wissenschaft, Kirche und Ökumene vor allem mit der Katholischen Kirche. Lohse gehört zu den herausragenden Gestalten des Protestantismus. Als Neutestamentler im Bischofsamt repräsentiert er eine hoch angesehene Tradition der protestantischen Kirchen in Europa. Er ist interkonfessionell und international wegen seiner absoluten Integrität hoch geachtet. Das machte ihn von Anfang an zu einem der wichtigsten Gesprächspartner im christlich-jüdischen Dialog. Er hat die wichtigen Studien der Evange-lischen Kirche in Deutschland "Christen und Juden I-III" begleitet und war ein Jahrzehnt Vorsitzender der Franz Delitzsch-Gesellschaft in Münster. In seiner Person und seiner wissenschaftlichen Arbeit repräsentiert er die Neuorientierung der evangelischen Theologie in ihrem Verhältnis zum Judentum nach der Shoah.

    Dr. Leopold Lucas wurde am 18. September 1872 in Marburg geboren. Er entstammte einer seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Marburg ansässigen jüdischen Familie. Lucas studierte in Berlin Geschichte und jüdische Wissenschaft sowie Philosophie und orientalische Sprachen. 1895 wurde er in Tübingen mit einer Dissertation über die "Geschichte der Stadt Tyrus zur Zeit der Kreuzzüge" zum Doktor der Philosophie promoviert. Im Jahre 1899 wurde er als Rabbiner nach Glogau berufen. Er diente dieser traditionsreichen jüdischen Gemeinde vier Jahrzehnte lang als Lehrer, Prediger und Seelsorger. Unermüdlich war Leopold Lucas während seines ganzen Lebens wissenschaftlich tätig. Sein besonderes Arbeitsgebiet war die Geschichte der Juden in den ersten christlichen Jahrhunderten. Lucas war 1902 Initiator der "Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums", deren Leitung er sich mit Martin Philippson teilte. Im Jahr 1940 folgte Lucas einem Ruf an die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin - zu einer Zeit also, in der die Vernichtung der Juden in Deutschland beschlossene Sache war und begonnen hatte. Am 17. Dezember 1942 wurde Leopold Lucas zusammen mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert. Auch hier wirkte er noch als Seelsorger seiner Leidensgenossen. Er erlag am 13. September 1943 den Strapazen des Konzentrationslagers. Frau Dorothea Lucas wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt und umgebracht.

    Für Nachfragen:

    Prof. Dr. Friedrich Schweitzer
    Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät
    Liebermeisterstr. 12
    72076 Tübingen
    Tel.: (0 70 71) 29-72538, Fax: 29- 5415
    E-Mail: ev.theologie@uni-tuebingen.de

    EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit · Michael Seifert
    Wilhelmstr. 5 · 72074 Tübingen
    Tel.: 0 70 71 · 29 · 7 67 89 · Fax: 0 70 71 · 29 · 5566
    E-Mail: presse1@verwaltung.uni-tuebingen.de
    Wir bitten um Zusendung von Belegexemplaren!


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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