Das FiBS begrüßt das von der Koalition beschlossene verstärkte Engagement des Bundes im Krippenbereich, der wie die Sozialversicherungen von den Mehreinnahmen durch Beschäftigung profitieren wird. Doch widerspricht die vereinbarte Einführung des Erziehungsbonus' dem Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und setzt falsche Anreize für erwerbswillige Zweitverdiener, die im Fachkräftemangel dringend benötigt werden. Der geringe Zusatzverdienst lohnt den Mehraufwand kaum, wodurch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verhindert werden kann. Dies reduziert zugleich wieder die Einnahmeeffekte für die öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungen.
Der vereinbarte Erziehungsbonus konterkariert nach Ansicht des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) die angestrebte verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für zweitverdienende Mütter oder Väter lohnt es sich heute schon kaum, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen, weil der Mehrverdienst gegenüber einem Minijob gering ist. Durch den Erziehungsbonus wird der Gewinn für Erwerbstätige noch geringer. Dafür ist der Bund zusammen mit den Sozialversicherungen der größte Gewinner des Krippenausbaus, der sich über Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge vollständig refinanzieren wird. Dies ergab schon eine Anfang April veröffentlichte Studie zu Bedarf, Kosten und Finanzierung des Kita-Ausbaus für die unter 3-Jährigen von Bildungsökonom Dr. Dieter Dohmen, dem Direktor des FiBS, deren Ergebnisse das Deutsche Jugendinstitut jüngst bestätigte.
Dabei ist die gestern geschlossene Vereinbarung der großen Koalition ein großer Schritt vorwärts. Das Angebot an Krippenplätzen wird in den westdeutschen Ländern deutlich erweitert und der Bund wird sich zukünftig auch an den laufenden Kosten beteiligen. Die möglichen ökonomischen Vorteile der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnten erheblich sein, wenn dies zu einer verstärkten Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen führen würde.
Die Zielsetzung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die den Interessen vieler Mütter entgegenkommt und auch zur Verringerung des Fachkräftemangels im demografischen Wandel notwendig ist, wird aber durch die Einführung eines Erziehungsbonus' unterlaufen. Hier hat sich ein Gesellschaftsbild durchgesetzt, dass in der Mitte des letzten Jahrhunderts stehen blieb. Gerade die sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von Müttern wird dadurch geradezu verhindert.
"Der Erziehungsbonus ist nichts anderes als eine Fernhalteprämie vom Arbeitsmarkt," fasst Bildungsökonom Dohmen die Anreizeffekte der beschlossenen Vereinbarung zusammen. "Die zwei Milliarden Euro, die der Erziehungsbonus ungefähr kosten würde, reduzierten die möglichen Einnahmeeffekte zusätzlicher Beschäftigung deutlich, da weniger Frauen erwerbstätig werden dürften. Warum sollten Frauen halbtags arbeiten gehen, wenn sie fast den gleichen Betrag für einen Minijob mit acht oder zehn Stunden pro Woche erzielen können?" Bei einem Stundenlohn von zehn Euro verbleiben bei einer Halbtagsbeschäftigung netto, also nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer, gerade einmal 550 Euro. Dies entspricht exakt dem Betrag, der sich auch aus einem Minijob und dem Erziehungsbonus ergeben würde. Der Nettostundenlohn ist somit Null Euro. Geht man von einem Bruttoeinkommen von 1.500 Euro aus, bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gerade einmal 800 Euro netto übrig. "Für diese 250 Euro mehr als ein Mini-Job plus Erziehungsbonus müssten sie aber je nach Stundenlohn deutlich mehr Stunden pro Woche arbeiten: Bei einem Stundenlohn von 10 Euro stünde einer Vollzeitbeschäftigung ein Mini-Job mit gut neun Stunden gegenüber." Auch im Rahmen der Sozialversicherungen würden sich für die Mütter keine relevanten Verbesserungen ergeben. Sie sind ohnehin über die Ehemänner krankenversichert, die Arbeitslosenunterstützung wäre genauso wenig attraktiv wie die spätere Rentenleistungen.
Der Direktor des interdisziplinären Forschungs- und Beratungsinstituts geht weiter: "Das von den Befürwortern des Erziehungsbonus' dafür ins Feld geführte Gerechtigkeitsargument ist vorgeschoben. Nicht erwerbstätige Ehefrauen werden in beträchtlichem Umfang auch heute schon durch indirekte staatliche Leistungen unterstützt. Der Erziehungsbonus verstärkt die bestehende Subventionierung nur noch."
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Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS):
Das FiBS ist eine unabhängige Forschungs- und Beratungseinrichtung für Ministerien auf Bundes- und Länderebene, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, Unternehmen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Stiftungen, Fachverbände und internationale Organisationen. Die Analysen, übergreifenden Studien, konkreten Modelle und Strategiekonzepte behandeln alle ökonomischen Aspekte von Bildung, sozialen Fragen, Arbeitsmarkt und Innovation. Frühkindliche Bildung und Lebenslanges Lernen spielen dabei eine zentrale Rolle.
Die Studie zu Bedarf, Kosten und Finanzierung des Kita-Ausbaus für die unter 3-Jährigen ist als FiBS-Forum Nr. 38 auf der Homepage www.fibs.eu als Download verfügbar.
Kontakt: Birgitt A. Cleuvers (FiBS), Tel. 0 30 - 84 71 22 3-20
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