Als besorgniserregend hat Matthias Jarke, Präsident der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) den zunehmenden Datensammeleifer öffentlicher Stellen bezeichnet. Mit der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, der Rasterfahndung sowie der Überlegung, private Computer mittels eines Trojaners ohne Wissen des Betreffenden durchsuchen zu wollen, habe die flächendeckende Sammlung von Daten und die mögliche Überwachung der Bevölkerung eine neue Qualität erreicht, so Jarke.
Durch solche Maßnahmen werde das verfassungsrechtliche Prinzip von Datenhoheit und Datensparsamkeit drastisch vernachlässigt und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung systematisch ausgehöhlt. Dies gelte auch für die in der Öffentlichkeit noch wenig wahrgenommenen Pläne zur Einführung des "Elektronischen Einkommensnachweises" (ELENA, früher Jobcard).
Ziel dieses Vorhabens ist die Ablösung bisher in Papierform vorzulegender Einkommensnachweise für die Beantragung von Sozialleistungen sowie zur Vorlage bei Gericht. Hierzu soll eine bundesweite, zentrale Datenbank eingerichtet werden, in der die Einkommensdaten aller abhängig Beschäftigten für die Dauer von mindestens vier Jahren archiviert werden. Zehntausende Angestellte sollen dann zur Prüfung von Anträgen auf diese Daten zugreifen können. Die Bundesregierung verspricht sich hiervon einen deutlichen Abbau von Bürokratie und Sozialmissbrauch und hofft auf Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe.
"Unabhängig von der Frage, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden können - man denke nur an die vielen Selbstständigen und Freiberufler, deren Einkommen ja nicht in eine solche Datenbank einfließen würde - müsste in jedem Fall gewährleistet sein, dass die Bürgerinnen und Bürger die Hoheit über ihre Daten behalten. Die Informatik stellt hierzu beispielsweise mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung die notwendigen Werkzeuge bereit", so der GI-Präsident. Diese würden jedoch nach den derzeitigen Plänen nicht zum Einsatz kommen. Die Einkommensdaten würden zwar verschlüsselt abgelegt, die Entschlüsselung wäre aber mittels eines bei einer noch nicht genauer benannten Stelle hinterlegten Masterkeys prinzipiell jederzeit möglich.
Ohne eine solche technische Sicherung wäre lediglich eine Gesetzesänderung notwendig, um auf die einmal abgelegten Daten zukünftig auch ohne Zutun und Wissen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zuzugreifen. "Dass eine solche 'Umwidmung' nicht auszuschließen ist, zeigt schon die derzeitige Diskussion um die polizeiliche Auswertung von Maut-Daten", so Jarke weiter. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass einmal vorhandene Daten immer auch Begehrlichkeiten wecken.
Unter anderem als Konsequenz aus den oben genannten Aspekten des ELENA-Verfahrens sind auf der GI-Tagung "Kontrolle durch Transparenz" http://www.gi-ev.de/transparenz in Berlin folgende Feststellungen und Empfehlungen getroffen worden:
* Gesetzgebung und Verwaltungsverfahren müssen so gestaltet werden, dass möglichst wenige Daten anfallen und gespeichert werden müssen.
* Der derzeitige staatliche Sammeleifer steht in direktem Widerspruch zu den öffentlichen Bekenntnissen der Politik zum Bürokratieabbau.
* Die Bürger müssen die Hoheit über ihre Daten dauerhaft zurückerhalten. Um dies zu erreichen, müssen Gesetze und Verwaltungsverfahren entsprechend umgestaltet werden.
* Es dürfen nur informatische Methoden zum Einsatz kommen, mit denen die Datenhoheit des Einzelnen sichergestellt ist - bspw. durch die Verwendung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
* Die GI lehnt insbesondere das ELENA-Verfahren in der derzeit geplanten Form ab, da hierdurch beachtliche Datensammlungen entstehen würden, die Begehrlichkeiten zur zweckentfremdeten Verwendung wecken würden.
"Wir müssen wieder dahin zurückkommen, dass bei der Überwachung der Bevölkerung die Prinzipien Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung im Vordergrund stehen", sagte Jarke. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass Daten Aller gesammelt werden, um wie bei ELENA den Missbrauch von Sicherungssystemen durch einige Wenige zu verhindern.
Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) ist eine gemeinnützige Fachgesellschaft zur Förderung der Informatik in all ihren Aspekten und Belangen. Gegründet im Jahr 1969 ist die GI mit ihren heute rund 24.500 Mitgliedern die größte Vertretung von Informatikerinnen und Informatikern im deutschsprachigen Raum. Die Mitglieder der GI kommen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Lehre und Forschung.
Bei Abdruck Belegexemplar erbeten. Vielen Dank!
Cornelia Winter
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Stellvertreterin des Geschäftsführers
Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)
Wissenschaftszentrum
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Cornelia Winter
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GI-Präsident Prof. Dr. Matthias Jarke
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Informationstechnik, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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