Als Schauplatz des größten Konzentrations- und Vernichtungslagers des NS-Staates hat Auschwitz eine traurige Berühmtheit erlangt. Einen umfassenden Einblick sowohl in Einzelheiten des Lagerlebens als auch in die Entwicklung der Besatzungs-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im eroberten Polen bietet jetzt erstmals die an der historischen Fakultät der RUB unter Leitung von Prof. Dr. Norbert Frei (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte) entstandene zeitgeschichtswissenschaftliche Publikationsreihe "Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz". Im Vordergrund stehen Fragen nach dem ideologischen Zusammenhang von "Germanisierungspolitik" und Massenvernichtung, nach der Verstrickung der deutschen Privatwirtschaft in die Verbrechen, aber auch nach dem Verhalten der deutschen Zivilbevölkerung in Polen angesichts von Terror und Mord.
Bochum, 30.05.2000
Nr. 142
Vier Bände zur Geschichte von Auschwitz
Erstmals erweiterte politik- und sozialgeschichtliche Perspektive
Einblick in Lagerrealität und politischen Kontext
Als Schauplatz des größten Konzentrations- und Vernichtungslagers des NS-Staates hat Auschwitz eine traurige Berühmtheit erlangt. Einen umfassenden Einblick sowohl in Einzelheiten des Lagerlebens als auch in die Entwicklung der Besatzungs-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im eroberten Polen bietet jetzt erstmals die an der historischen Fakultät der RUB unter Leitung von Prof. Dr. Norbert Frei (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte) entstandene zeitgeschichtswissenschaftliche Publikationsreihe "Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz". Im Vordergrund stehen Fragen nach dem ideologischen Zusammenhang von "Germanisierungspolitik" und Massenvernichtung, nach der Verstrickung der deutschen Privatwirtschaft in die Verbrechen, aber auch nach dem Verhalten der deutschen Zivilbevölkerung in Polen angesichts von Terror und Mord.
Metaphorischer Begriff für die Gräueltaten der Nazis
Angesichts der Bedeutung von Auschwitz sowohl für die nationalsozialistische Vernichtungspolitik - das Lager diente als "Zentrum der Endlösung der Judenfrage" - als auch für das Selbstverständnis der Bundesrepublik im Umgang mit der NS-Vergangenheit ist es erstaunlich, dass es bisher kaum konkrete Forschungen über das Lager und sein Umfeld gibt. Der Begriff Auschwitz wird sowohl in der öffentlichen als auch in der wissenschaftlichen Diskussion seit Jahrzehnten vor allem metaphorisch verwendet: zur Charakterisierung der Untaten des "Dritten Reiches". Hierüber geht die neue Reihe hinaus: Erstmals richtet sie den Blick unter erweiterter politik- und sozialgeschichtlicher Perspektive auf den konkreten historisch-politischen Raum, in dem die Verbrechen geschahen.
Polnisch-deutscher Austausch ermöglichte die Forschung
Das nun abgeschlossene Forschungsprojekt verdankt sich nicht zuletzt dem wissenschaftlichen Austausch mit Archiven und Forschungseinrichtungen in Polen. Mit Jan Parcer gehört auch der frühere stellvertretende Leiter des Archivs des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau zu den Herausgebern des ersten Bandes der Reihe, einer Edition der Standort- und Kommandanturbefehle des Lagers, der die Alltagsrealität aus der Perspektive der SS für die Zeit von der Errichtung des Lagers im Juni 1940 bis zur Flucht vor der anrückenden Roten Armee im Januar 1945 widerspiegelt.
Jeder Band beleuchtet eigene Aspekte
Die konzeptionelle und zeitliche Einheit von "Germanisierung" und Judenmord verdeutlicht der zweite Band der Reihe, in dem Sybille Steinbacher beschreibt, wie die Stadt Auschwitz zunehmend von Deutschen bevölkert wurde und allmählich zu einer regelrechten "Musterstadt" der "Eindeutschungspolitik" avancierte. Im Mittelpunkt des dritten Bandes steht die Verstrickung des IG Farben-Konzerns in die Verbrechen von Auschwitz; Bernd C. Wagner schildert die Lebensbedingungen der zur Zwangsarbeit an der Baustelle des IG-Werks in Monowitz eingesetzten Häftlinge, von denen mehr als 25.000 starben. Der vierte Band der Reihe versammelt Beiträge vorwiegend jüngerer Historikerinnen und Historiker zu ausgewählten Aspekten der Lagerpolitik des "Dritten Reiches". Unter den Stichworten "Ausbeutung - Vernichtung - Öffentlichkeit" reicht die Spannbreite der Themen von der Struktur der "Häftlingsgesellschaft" über die Bedingungen der systematischen Vernichtungspolitik in den eroberten Gebieten der Sowjetunion bis zur Frage nach der Wahrnehmung der Verbrechen in der deutschen Gesellschaft.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Norbert Frei, Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22540, Fax: 0234/32-14-414
Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz. K.G. Saur Verlag (München) 2000, 4 Bände:
1) Norbert Frei, Thomas Grotum, Jan Parcer, Sybille Steinbacher, Bernd C. Wagner (Hg.): Standort- und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz 1940-1945. ISBN 3-598-24030-9
2) Sybille Steinbacher: "Musterstadt" Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien. ISBN 3-598-24931-7
3) Bernd C. Wagner: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941-1945. ISBN 3-598-24032-5
4) Norbert Frei, Sybille Steinbacher, Bernd C. Wagner (Hg.): Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik. ISBN 3-598-24033-3
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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