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26.06.2007 11:19

Mit den Augen Angela Merkels

Dr. Ute Schönfelder Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Politikdidaktiker der Universität Jena präsentieren neue Ansätze für die politische Bildung

    Jena (26.06.07) "Es war doch nicht alles schlecht." Auch 17 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist dieser Satz, der die DDR und ihre Gesellschaftsordnung nachträglich verklärt, noch oft zu hören. So auch im Freistaat Thüringen, wie der alljährlich erscheinende "Thüringen Monitor" der Friedrich-Schiller-Universität Jena belegt. "Fast jeder zweite Thüringer zieht den Unrechtscharakter der DDR heute in Zweifel", sagt Prof. Dr. Carl Deichmann von der Jenaer Universität. Für den Professor für Didaktik der Politik offenbart die seit 2000 regelmäßig von seinen Kollegen aus dem Institut für Politikwissenschaft durchgeführte Erhebung damit ein weit verbreitetes Phänomen. "Viele Menschen haben ein sehr undifferenziertes politisches Bewusstsein."

    Wie sich die politische Bildung künftig verbessern lässt - und das nicht nur in Thüringen - das hat der Politikdidaktiker mit einem Kollegenteam verschiedener Institutionen aus dem Bereich der politischen Bildung untersucht. Erste Ergebnisse zu neuen Bildungsansätzen präsentiert das Forscherteam jetzt in Buchform. "Perspektiven Politischer Kultur in Thüringen. Projekte politischer Bildungsarbeit" heißt die Publikation, die Prof. Deichmann gemeinsam mit Vertretern der Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung, der Deutschen Vereinigung für politische Bildung in Thüringen und des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) herausgegeben hat.

    Grundlage für die Untersuchungen sind die Daten des "Thüringen Monitor". Neben den Aspekten der DDR-Nostalgie und zu rechtsextremen Einstellungen erfasst die im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei durchgeführte Befragung vor allem die Auffassung über die demokratische Grundordnung und das Demokratieverständnis der Thüringer. So liefert die Umfrage, an der jedes Jahr über 1.000 wahlberechtigten Bürger des Freistaates teilnehmen, etwa das Ergebnis, dass zwar drei Viertel der Befragten mit dem heutigen politischen System zufrieden sind. Gleichzeitig ist aber mehr als die Hälfte unzufrieden mit der Demokratie, wie sie in Deutschland in der Praxis funktioniert. "Da muss man sich fragen, wie das zusammenpasst", fordert Prof. Deichmann und gibt die Antwort auf die Frage gleich selbst: "Gar nicht."

    Die Ursache sieht der Politikdidaktiker in einem grundlegenden Missverständnis darüber, was Demokratie kann und bedeutet. "Viele Menschen übersehen, dass es bei uns keine direkte Demokratie gibt, in der jeder Einzelne jede politische Entscheidung mitbestimmen kann." Werden dann im Parlament Gesetze beschlossen, entstehe bei ihnen der Eindruck, sie wären von Entscheidungen ausgeschlossen. Folglich empfinden sie diesen Prozess als "undemokratisch".

    Hier setzt die Arbeit von Prof. Deichmann und seiner Arbeitsgruppe an. "Wie lassen sich Vorurteile und stereotype Interpretationen von Politik aufbrechen?", fragt der Jenaer Wissenschaftler. Er und seine Kollegen verfolgen dazu einen didaktischen Ansatz, der die in der Politik handelnden Personen in den Mittelpunkt rückt. "Politische Entscheidungen fallen schließlich nicht vom Himmel, sondern werden von Menschen gemacht", so Deichmann. Die politische Bildung in Schulen aber auch außerschulischen Bildungseinrichtungen müsse deshalb die unterschiedlichen Perspektiven der Entscheidungsträger einbeziehen. "Nur so lassen sie sich verstehen." Politiker mit einem biografischen DDR-Hintergrund, wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel, agieren anders als jene, die etwa in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik aufgewachsen sind.

    Der "personenbezogene Ansatz" der politischen Bildung, den Prof. Deichmann und seine Thüringer Kollegen in der nun vorgelegten Publikation erläutern, berücksichtigt diese unterschiedlichen Perspektiven der Politiker. Ebenso machen sie den Wirkungszusammenhang zwischen einzelnen Personen und der (politischen) Umwelt deutlich. "Dabei ist es uns wichtig, eine Verbindung von Alltagserfahrungen zur Politik herzustellen", wie Deichmann erläutert. Nur so lasse sich verhindern, dass sich die Betroffenen von der Politik "überwältigt" fühlen und sich zurückziehen. Als konkrete Handlungsorientierung stellt der Band außerdem aktuelle Projekte außerschulischer Bildung in Thüringen vor.

    Originalpublikation: Cypionka A., Ehrentraut-Daut H.-P., Deichmann C., Müller E. (Hrsg.): Perspektiven Politischer Kultur in Thüringen. Projekte politischer Bildungsarbeit, Erfurt 2007, ISBN 978-3-937967-17-2. Das Buch wird von der Landeszentrale für Politische Bildung (www.lzt.thueringen.de) verlegt und kann dort (Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt) kostenfrei bezogen werden.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Carl Deichmann
    Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945490
    E-Mail: Carl.Deichmann[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Cover der aktuellen Publikation, die Politikdidaktiker der Universität Jena mit herausgegeben haben.
    Cover der aktuellen Publikation, die Politikdidaktiker der Universität Jena mit herausgegeben haben. ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Cover der aktuellen Publikation, die Politikdidaktiker der Universität Jena mit herausgegeben haben.


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