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05.07.2007 13:12

FiBS legt Gutscheinkonzept zur Finanzierung von Schulen vor

Birgitt A. Cleuvers PR und Projektmanagement
Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS)

    Die Finanzierung von Schulen enthält bisher keine Anreize, die Qualität von Schulen zu verbessern noch unterstützt sie die Schulen, die sich diesem Ziel verschrieben haben. Eine gutscheinbasierte Finanzierung könnte Abhilfe schaffen.

    Das Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ein Finanzierungsmodell für Schulen entwickelt, das die Qualitätsentwicklung fördert. Der Einsatz von Gutscheinen begünstigt die schulischen Leistungen, da sich der Wettbewerb um Schülerzahlen im Schulbudget positiv niederschlägt. Dabei sollte sich der Wert der Gutscheine an den durchschnittlichen Ausgaben je Schüler orientieren. "Je besser eine Schule ist, desto mehr Schüler wird sie anziehen. Umgekehrt werden leistungsschwächere Schulen ihrerseits Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Existenz zu sichern," fasst Dr. Dieter Dohmen, Direktor des FiBS, das Prinzip zusammen. Die Eckpunkte des Finanzierungskonzepts werden in der gerade erschienenen Studie am Beispiel Baden-Württembergs entwickelt.

    Der Wert eines Gutscheins läge hier etwa für einen Realschüler oder einen Gymnasiasten in der Sekundarstufe I bei EUR 4.500. Für einen Oberstufen- oder Hauptschüler sollten aufgrund anderer Förderbedarfe bzw. Gruppengrößen knapp EUR 6.000 angesetzt werden. An Grundschulen sollte der Basiswert EUR 3.600 betragen und für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf auf knapp EUR 4.800 steigen. Dies entspricht mit einer Erhöhung um 30 Prozent dem bayerischen Kita-Gutschein und berücksichtigt den unterschiedlichen Aufwand für bestimmte Schülergruppen. Eine solche Differenzierung ist aus betriebswirtschaftlichen wie sozialpolitischen Gründen sinnvoll, damit Schulen einen Anreiz haben, auch benachteiligte Schüler aufzunehmen. Zugleich könnten dadurch die so genannten Förderschulen teilweise überflüssig werden, auf die bisweilen Schüler verwiesen werden, weil ihr "Beschulungsaufwand" oder Förderbedarf als zu hoch angesehen wird.

    Die unterschiedlichen Nennwerte spiegeln zudem die unterschiedlichen Ausstattungsniveaus und Gehälter der Lehrkräfte wider. Soweit Schulen aus demografischen oder regionalen Gründen keine Möglichkeit haben, ihre Schülerzahlen zu erhöhen, sollten Ergänzungszahlungen geleistet werden; dies dürfte vor allem im ländlichen Raum notwendig sein.

    Zur Förderung des Wettbewerbs sollten auch private Schulen in das Gutscheinsystem einbezogen werden, wobei sicherzustellen ist, dass sie - anders als zurzeit - faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Ferner sollten die Schulen einem Kontrahierungszwang unterliegen, also die Schüler aufnehmen müssen, die sich anmelden. Soweit eine Auswahl aus Kapazitätsgründen erforderlich ist, sollte darauf geachtet werden, dass beim Auswahlverfahren keine soziale Selektion stattfindet. Bei anderen Entscheidungen sollten die Schulen frei sein.

    Erfahrungen mit Bildungsgutscheinen in anderen Ländern oder mit dem deutschen Weiterbildungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit verweisen zudem darauf, dass die Entscheidung der Eltern bei der Wahl der Schule durch ein Informationssystem unterstützt und vor allem bildungsferne Zielgruppen beraten werden sollten.

    "Gutscheine wären eine gute Ergänzung der laufenden Entwicklungen in Schulen. Sie unterstützen insbesondere die Schulen, die sich aktiv der Qualitätsentwicklung stellen, meint Bildungsökonom Dohmen. "Da der Wettbewerb zwischen Schulen gerade in Städten stattfindet, wären Berlin oder Hamburg ideale Standorte, um Schulgutscheine einzuführen. Dadurch würden auch die alljährlichen "Umzugsorgien" in Berlin obsolet."

    (Insgesamt: 41 Zeilen à 85 Anschläge, 3.606 Zeichen)

    Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie nachfolgend.
    Die vollständige Konzeption kann heruntergeladen werden unter: http://admin.fnst.org/uploads/896/WettbwFinSchul.pdf.

    Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS):
    Das FiBS ist eine unabhängige Forschungs- und Beratungseinrichtung für Ministerien auf Bundes- und Länderebene, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, Unternehmen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Stiftungen, Fachverbände und internationale Organisationen. Die Analysen, übergreifenden Studien, konkreten Modelle und Strategiekonzepte behandeln alle ökonomischen Aspekte von Bildung, sozialen Fragen, Arbeitsmarkt und Innovation.

    Kontakt: Birgitt A. Cleuvers (FiBS), Tel. 0 30 - 84 71 22 3-20
    Wir freuen uns über einen Hinweis auf Ihre Berichterstattung. Vielen Dank!

    Zusammenfassung: Wettbewerbliche Schulfinanzierung am Beispiel Baden-Württembergs
    (Dr. Dieter Dohmen, Berlin 2007)

    Bildungsgutscheine werden in Deutschland seit geraumer Zeit für die unterschiedlichen Bildungsbereiche diskutiert. Nachdem konkrete Konzepte in Deutschland bisher vor allem für den Kita- und Hochschulbereich sowie für die Weiterbildung entwickelt worden sind, wird in der hier vorgelegten Studie erstmals ein konkretes Modell für den Schulbereich - am Beispiel Baden-Württembergs - konzipiert. Hierbei wird insbesondere auf die vorliegenden verschiedenen Erfahrungen mit Gutscheinen in anderen Bildungsbereichen bzw. im Ausland zurückgegriffen. Die Studie enthält daher auch die bisher umfassendste Darstellung entsprechender Erfahrungen.

    Die Grundidee von Bildungsgutscheinen ist, dass sie den Wettbewerb zwischen Schulen begünstigen, wodurch wiederum allgemeine Leistungssteigerungen zu erwarten sind, da das Budget einer Schule nach Einführung des Gutscheinsystems vor allem von der Anzahl der aufgenommenen Schüler abhängig ist. Diese Philosophie folgt dem Ansatz: Je besser eine Schule, desto mehr Schüler wird sie anziehen. Umgekehrt werden leistungsschwächere Schulen ihrerseits Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Existenz dauerhaft zu sichern. Eine Einschränkung dieses Leistungsprinzips ist in den Fällen geboten, in denen die Existenz einer Schule nicht aus Leistungs-, sondern demografischen oder regionalen Gründen bedroht ist - dies dürfte vor allem im ländlichen Raum der Fall sein. In diesem Fall sind staatliche Ergänzungszahlungen erforderlich, die den ordnungsgemäßen Schulbetrieb gewährleisten.

    Grundsätzlich gilt, dass der Geldwert der Gutscheine sich an den tatsächlichen Ausgaben des Schulbesuchs orientieren und dabei den unterschiedlichen Aufwand, der auch von den individuellen Voraussetzungen des Kindes abhängig ist, berücksichtigen sollte. Dies bedeutet, dass der Gutschein für ein Kind mit Migrationshintergrund oder ein Kind, das besonderer Sprachförderung bedarf, einen höheren Finanzierungsbetrag enthalten sollte, als für ein Kind ohne entsprechenden Förderbedarf.

    Vor diesem Hintergrund wird ein Modell vorgeschlagen, das sich - mangels anderer valider Daten - an den durchschnittlichen Ausgaben je Schüler orientiert, wobei für die Grundschule, in der alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden, ein differenzierter Finanzierungsbetrag vorgesehen ist, der den höheren Förderaufwand für manche Kinder berücksichtigt.

    Konkret sollte der Regelgutschein für Grundschulkinder einen Wert von EUR 3.600 und für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf von knapp EUR 4.800 haben; dies entspricht in Analogie zum bayerischen Kita-Gutschein einer Erhöhung um 30 Prozent. Da die Schülerschaft in den weiterführenden Schulen deutlich homogener ist, ist hier keine Differenzierung mehr erforderlich, so dass sich die Gutscheine an den derzeitigen durchschnittlichen Ausgaben je Schüler orientieren können. Für die Hauptschulen bedeutet dies einen Gutschein von knapp EUR 6.000, für die Realschulen von knapp EUR 4.400. Bei den Gymnasien beläuft sich der Wert der Gutscheine auf EUR 4.500 für die Sekundarstufe I und erhöht sich auf EUR 5.950 für einen Oberstufenschüler. Will man die unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen Schulen, die auch bei Schulen gleicher Schulform beträchtlich variieren, stärker berücksichtigen, dann sollte eine weitergehende Differenzierung vorgenommen werden, wofür allerdings eine dezidierte Kostenrechnung auf der Ebene der einzelnen Schulen erforderlich wäre, die es derzeit nicht gibt. Die unterschiedlichen Nennwerte für die einzelnen Schulformen spiegeln dabei die unterschiedlichen Voraussetzungen bzw. Ausstattungsniveaus, z. B. hinsichtlich der Schüler-Lehrer-Relation sowie der Gehaltsniveaus, wider.

    Zur Förderung des Wettbewerbs sollten auch private Schulen in das Gutscheinsystem einbezogen werden, wobei sicherzustellen ist, dass sie faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Dies setzt u. a. voraus, dass der Gutscheinwert auch die Ausgaben umfasst, die in den öffentlichen Schulen über andere Haushaltstitel finanziert werden und insofern nicht in die - vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen - Ausgaben je Schüler einfließen.

    Vorgeschlagen wird ferner ein Kontrahierungszwang, d. h. die aufnehmenden Schulen müssen die Schüler, die sich anmelden, auch aufnehmen. Soweit eine Auswahl aus Kapazitätsgründen erforderlich ist, ist sicherzustellen, dass beim Auswahlverfahren keine soziale Selektion stattfindet.

    Zur Förderung des meist eingeschränkten Wahlverhaltens von bildungsfernen Eltern sowie zur Unterstützung der Entscheidungsrationalität aller Eltern schlagen die Autoren der Studie ferner ein Informationssystem vor, das auch Angaben zum Leistungsniveau der Schulen enthält und durch ein Beratungssystem ergänzt wird. Studien aus verschiedenen Ländern verweisen darauf - wie auch die Erfahrungen mit dem Weiterbildungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit zeigen - dass sich bildungsferne Zielgruppen besonders schwer mit Wahlentscheidungen tun.

    Grundlegend für eine erfolgreiche Einführung eines solchen Gutscheinsystems ist eine stärkere Autonomie der Einzelschulen, was ebenso für die Auswahl und Einstellung von Lehrkräften, die Lehrmethoden oder die Auswahl der Lehrmaterialien etc. gilt. Zudem wäre eine entsprechende Qualifikation der Schulleitung notwendig.

    Als Fazit lässt sich die Erwartung formulieren, dass das hier vorgeschlagene Gutscheinsystem aufgrund der ausführlichen Berücksichtigung vorliegender nationaler und internationaler Erfahrungen und der dezidierten Berücksichtigung daraus resultierender ergänzender Maßnahmen sowie der spezifischen Ausgestaltung des Modells die Effizienz des deutschen Schulsystems und sein Leistungsvermögen verbessert sowie gleichzeitig den unterschiedlichen sozialen Bedingungen der Schülerschaft Rechnung trägt. Dies gilt auch im Hinblick auf die Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen einzelner Schulen, z.B. im ländlichen Raum.


    Weitere Informationen:

    http://www.fibs.eu
    http://admin.fnst.org/uploads/896/WettbwFinSchul.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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