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12.07.2007 11:45

DFG-Antrag "Agroholding" soeben bewilligt

Andrea Iffert AG Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa

    HALLE (SAALE). "Agroholding im Agrar- und Ernährungssektor in Russland: Entstehungsgründe, Funktionsweise und Entwicklungsperspektiven" lautet der Titel eines neuen Forschungsprojekts, das am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa mit Sitz in Halle (Saale) startet. Soeben hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dafür einen Antrag auf rund 350.000 Euro Sachbeihilfen genehmigt. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird gemeinsam mit dem Allrussischen Forschungsinstitut für Agrarökonomie (VNIIESCh = Vserossijskij naucno-issledovatel'skij institut ekonomiki sel'skogo chozjajstvo) in Moskau durchgeführt.
    "Hintergrund ist die überraschende Entwicklung in der russischen Agrar- und Ernährungswirtschaft, in der große vertikal und zum Teil auch diagonal integrierte Strukturen entstanden sind, die als Agroholdings bezeichnet werden", erklärt Erstantragsteller, Privatdozent Dr. Heinrich Hockmann. "Derartige Strukturen sind im Agrar- und Ernährungssektor entwickelter westlicher Marktwirtschaften nicht anzutreffen."

    Ausgangslage

    Diese Ausgangslage werfe die Frage nach den Entstehungsgründen, der Funktionsweise, den Entwicklungsperspektiven und volkswirtschaftlichen Wirkungen solcher Strukturen auf, denn in Russland dominieren nach wie vor die aus den ehemaligen Kolchosen und Sowchosen hervorgegangen Großbetriebe in der Landwirtschaft, erklären Mitantragsteller Prof. Dr. Gertrud Buchenrieder und Prof. Dr. Thomas Glauben. Noch überraschender ist eine Entwicklung, die vereinzelt schon Mitte der 1990er Jahre, verstärkt aber seit der Augustkrise von 1998 im russischen Agrar- und Ernährungssektor zu beobachten ist: Die Entstehung von Unternehmensstrukturen, die mehrere, zum Teil auch alle Stufen der vertikalen Wertschöpfungskette integrieren. Sie erstrecken sich teilweise über ganze Regionen und die von ihnen kontrollierte landwirtschaftliche Nutzfläche beläuft sich mitunter auf einige 10.000 bis zu einer halben Million Hektar. Als Kern dieser integrierten Strukturen, die man im allgemeinen Sprachgebrauch oft als Agroholdings bezeichnet, fungieren jedoch nicht landwirtschaftliche Betriebe, sondern meistens Unternehmen aus dem nachgelagerten Bereich der Verarbeitung und des Handels und zu einem geringeren Teil aus dem vorgelagerten Bereich der Landwirtschaft. Darüber hinaus gibt es integrierte Strukturen, die von finanzstarken Unternehmen aus Branchen der russischen Volkswirtschaft ins Leben gerufen worden waren, die weder direkt noch indirekt mit dem Agrar- und Ernährungssektor verbunden sind. Diese stammen in erster Linie aus dem Energie-, Metallurgie- und Finanzsektor. Aus diesem Grund sind diese neuen Strukturen in der russischen Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht immer nur vertikal, sondern zum Teil auch diagonal integriert.

    Institutionelle Vielfalt

    Hinter den Agroholdings verbirgt sich im Einzelnen jedoch eine recht große Vielfalt institutioneller und organisatorischer Arrangements. Da es keine allgemein akzeptierte Definition und Abgrenzung des Begriffs gibt, ist diese uneinheitliche Terminologie ein Grund dafür, dass es über die Bedeutung der als Agroholding bezeichneten integrierten Strukturen in der russischen Agrar- und Ernährungswirtschaft keine verlässlichen offiziellen Daten gibt.
    Laut Schätzungen für das Jahr 2002 sollen Agroholdings zwar nur zwischen zwei und sechs Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Russlands bewirtschaften, aber zwischen zehn und 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion und fast 30 Prozent der in der Landwirtschaft erzielten Gewinne erwirtschaften.
    Während in der russischen Agrarökonomie Agroholdings also schon längere Zeit Gegenstand von Arbeiten sind, hat das Phänomen bislang erstaunlicherweise wenig westliche Agrarökonomen beschäftigt. Zwar gibt es in russischen Zeitschriften und Zeitungen immer mehr Berichte über Agroholdings. Auch stellen einige der größeren integrierten Unternehmen zunehmend Informationen ins Internet. Allerdings sind diese meist qualitativen Daten oft lückenhaft. Zudem erfordert ihre Auswertung sehr gute russische Sprach- und Landeskenntnisse. Möglicherweise spielt auch eine Rolle, dass wegen fehlender quantitativer Daten anspruchsvolle quantitative Analysemethoden nicht angewendet werden können. Das Forschungsprojekt wird durch die Auswertung der verfügbaren russischsprachigen Informationen, mit Fallstudien und durch die Ergänzung eines bestehenden einmaligen Datensatzes über die Produktions- und Kostenstrukturen von Agroholdings und sonstigen landwirtschaftlichen Betrieben im Oblast Belgorod einen wesentlichen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke leisten.
    Als Ergebnis sind zum einen detaillierte Informationen über die Entstehungsgründe und die betrieblichen als auch die regionalen, sektoralen und volkswirtschaftlichen Effekte von Agroholdings in Russland zu erwarten. Zum anderen soll ein wesentlicher Beitrag zur Überprüfung der Erklärungsrelevanz der in der westlichen Wirtschaftstheorie geläufigen Theorien für vertikale und diagonale Integration unter anderen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen erarbeitet werden.

    Informationen:
    Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO)
    Theodor-Lieser-Straße 2
    06120 Halle (Saale)
    http://www.iamo.de

    Ansprechpartner:
    PD Dr. Heinrich Hockmann
    IAMO-Abteilung Agrarmärkte, Agrarvermarktung und Weltagrarhandel
    Tel.: + 49 345 29 28 225
    E-Mail: hockmann@iamo.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Tier / Land / Forst, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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