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24.06.1997 00:00

Radio - Klänge aus dem All

Sabine Denninghoff Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Radio-Klaenge aus dem All

    Die weissen Flecken auf der Rundfunk-Landkarte verschwinden. Schon bald wird man selbst in den hintersten Winkeln Afrikas, Asiens und Suedamerikas Dutzende von Radioprogrammen in CD-Qualitaet empfangen koennen. Im kommenden Jahr werden drei Satelliten des US-Unternehmens WorldSpace International Network Inc. in den Orbit geschickt, sie sollen rund um die Uhr Radiosignale zur Erde senden. Das Verfahren zur Codierung der digitalen Audiosignale und die dazugehoerigen Empfangsgeraete wurden in Erlangen entwickelt.

    Knopfdruck genuegt: Hierzulande kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit Dutzende verschiedener Radioprogramme empfangen, Nachrichten, Informations- und Musiksendungen kommen jederzeit in 1a-Qualitaet aus den Lautsprechern. Von einem solchen Radio-Luxus koennen Millionen von Menschen bisher nur traeumen: Wer im Herzen Afrikas, Suedamerikas oder Indiens ausserhalb der Reichweite der UKW-Sender lebt, der muss sich mit dem verzerrten Rauschen der Mittel- und Kurzwellensender zufriedengeben. Doch das soll sich bald aendern: Das US-Unternehmen WorldSpace will jetzt auch abgelegene Gebiete mit Radioprogrammen in hoechster Qualitaet versorgen - via Satellit.

    Einen Empfaenger, der die Audiosignale aus dem All ohne grosse Antennenschuessel empfangen, entschluesseln und in CD-Qualitaet wiedergeben kann, haben die Ingenieure vom Erlanger Fraunhofer-Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS entwickelt und getestet. Waehrend eines vierwoechigen Feldversuchs wurde der Prototyp eines Satelliten-Radios auf Herz und Nieren geprueft: Ein Hubschrauber, der ueber Erlangen kreiste, lieferte die "Satelliten-Signale", waehrend Dutzende von Forschern das Verhalten des neu entwickelten Digital-Radios protokollierten. "Die Testergebnisse waren durchweg sehr gut", sagt Dr. Heinz Gerhaeuser, Leiter der Arbeitsgruppe fuer Drahtlose Telekommunikation und Multimediatechnik ADTM. Noah Samara, der Praesident des US-Unternehmens fuegt hinzu: "Diese Demonstration hat gezeigt, dass das WorldSpace-System funktioniert." Das neue Radio hat damit den Haertetest bestanden. Jetzt muss es noch bis zur Serienreife weiterentwickelt werden. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Geraete puenktlich zum Start des WorldSpace-Systems auf den Markt kommen", erklaert Albert Heuberger, einer der Entwickler des Digitalen-Satelliten-Radios am Fraunhofer-Institut. Die integrierten Schaltkreise fuer die Empfangsgeraete werden bereits von SGS-Thomson in Italien und ITT Intermetall in Deutschland entwickelt.

    Der Countdown laeuft: Drei Radio-Satelliten will WorldSpace ab Mitte naechsten Jahres auf Ariane-Traegerraketen in den Orbit transportieren lassen: AfriStar soll geostationaer ueber dem afrikanischen Kontinent positioniert werden, AmeriStar wird ueber Mittel- und Suedamerika, AsiaStar ueber Asien stehen. Jeder der Satelliten wird mit drei Sendestrahlen - den "Beams" - ausgeruestet, die unterschiedliche Regionen abdecken sollen. Sie koennen selbst abgelegenste Doerfer mit etwa 50 verschiedenen Programmen versorgen. Jeder Beam kann maximal 96 Kanaele transportieren. Wird jeder Kanal mit einem Programm belegt, so hat man zwar keine CD-Qualitaet - die Kapazitaet von 16 Kilobit pro Sekunde liefert aber immerhin eine bessere Qualitaet als ein Kurzwellensender. Durch Zusammenfassen mehrerer Kanaele laesst sich die Qualitaet steigern: Bei acht Kanaelen bekommt der Hoerer bereits den Eindruck optimaler CD-Qualitaet. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um tatsaechliche, sondern nur um subjektive CD-Qualitaet: Fuer die Uebertragung digitaler Audiosignale muss die Datenrate erheblich reduziert werden. Genau hier war der Einfallsreichtum der Ingenieure am Fraunhofer-Institut gefragt.

    Das Geheimnis der Signaluebertragung im WorldSpace-System heisst MPEG Layer-3-Codierung: Die Daten werden dabei durch einen komplizierten Rechenprozess auf ein uebertragbares Mass eingedampft. Der Trick besteht darin, die Signale wegzulassen, die der Mensch ohnehin nicht hoert. "Auf diese Weise verhindern wir, dass die Klangqualitaet leidet", erklaert Heuberger. "Das menschliche Ohr kann Signale, die unter der Hoerschwelle liegen, nicht wahrnehmen. Man kann sie daher als irrelevante Informationen weglassen, ohne dass ein Qualitaetsverlust bemerkt wuerde." Insgesamt reduziert die Layer-3-Codierung der Erlanger Fraunhofer-Forscher die Audio-Daten auf einen Bruchteil ihrer urspruenglichen Dichte. In Zahlen: Bei der Reduktion von 1,4 Megabit auf 128 Kilobit - das ist der Faktor 11 - hoert man praktisch keinen Unterschied. Bei der Reduktion auf 16 Kilobit - das entspricht dem Faktor 80 - sind Qualitaetseinbussen zu hoeren, Sprache und Musik sind aber immer noch gut verstaendlich. Die abgespeckten Daten koennen nun ueber die Uplink-Stationen zu den WorldStar-Satelliten geschickt werden. Dort empfangen On-Board-Prozessoren die Informationen, demodulieren sie und ordnen sie einem der drei Beams zu. Die Signale werden nun noch einmal verstaerkt und anschliessend ueber die Antennen abgestrahlt. Wer sie empfangen will, braucht keine grosse Satellitenschuessel - ein Radio mit integrierter Flachantenne und eingebautem Decoder genuegt. Mit einem solchen tragbaren Empfaenger zum Stueckpreis von rund 200 US-Dollar koennen potentiell vier Milliarden Menschen das Programmangebot von WorldStar empfangen.

    Welche Programme das im einzelnen sein werden, ist zur Zeit noch nicht zu erfahren: Die Gespraeche der WorldSpace-Manager mit internationalen und nationalen Rundfunk-Betreibern sind noch nicht abgeschlossen. Sicher ist: In Sachen Digital-Radio wird die "Dritte Welt" Europa ueberholen. In der "Alten Welt" steckt der digitale Rundfunk immer noch in der Pilotprojekt-Phase. Hoerfunkprogramme sind uebrigens nicht das einzige, was man mit dem WorldStar-System uebertragen und empfangen kann: Auch Texte und Bilder lassen sich digitalisieren und in den Datenstrom einspeisen. "Die Uebertragung von Multimedia-Informationen laesst Telekommunikation, Computertechnik und Unterhaltungselektronik zusammenwachsen", erklaert Dr. Heinz Gerhaeuser. "Mit der Entwicklung der Audiocodierung fuer den digitalen Rundfunk haben Fraunhofer-Forscher bewiesen, dass die Unterhaltungselektronik zu innovativen Produkten stimuliert werden kann." Sein Team arbeitet zur Zeit an einem Empfaenger mit Display fuer das WorldSpace-System. Mit einem solchen Mini-Multimedia-Geraet koennten auch in entlegenen Gebieten Rundfunkprogramme sowie Kurzinformationen und Bilder mit niedriger Aufloesung empfangen werden - Knopfdruck genuegt!

    Was ist WorldStar? Das US-Unternehmen WorldSpace wurde 1990 gegruendet mit dem Ziel, Satellitendienste aufzubauen, die eine Ausstrahlung von Radioprogrammen in die heute unterversorgten Gebiete ermoeglichen. In die neue Technik werden insgesamt mehr als 800 Millionen US-Dollar investiert. An der technischen Realisierung waren Fraunhofer-Forscher vom Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS massgeblich beteiligt. Sie sind nicht nur die geistigen Vaeter des Layer-3-Codierungsverfahrens, sondern haben zur Entwicklung des Uebertragungssystems und der portablen Geraete einen entscheidenden Beitrag geleistet.

    Ihr Ansprechpartner fuer weitere Informationen: Dr.-Ing. Heinz Gerhaeuser Telefon 0 91 31/7 76-2 00, Telefax 0 91 31/7 76-9 99 Fraunhofer-Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS Am Weichselgarten 3, D-91058 Erlangen email: ghs@iis.fhg.de

    Mikroelektronik: Neue Produkte made in Germany

    Seit ueber dreissig Jahren treiben die Fortschritte der Mikroelektronik immer breitere Bereiche der Wirtschaft an. Miniaturisierung und Leistungssteigerung der elektronischen Bauteile haben nun einen Stand erreicht, dass gemeinsam mit Mechanik, Sensorik, Uebertragungs-, Display- und Energiespeichertechnik voellig neue Produkte geschaffen werden koennen. Mit diesen neuen Anwendungsfeldern wachsen neue Maerkte und neue Arbeitsplaetze. Damit Deutschland den Anschluss nicht verpasst, hat der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik eine Initiative gestartet: Ziel ist - gemeinsam mit Unternehmen - neue Produktideen am Standort Deutschland in Serienprodukte umzusetzen.

    Die Mikroelektronik revolutioniert seit 1960 die Wirtschaft. Sie ist Treiber von Produktivitaet, Funktionalitaet und Innovation. In der ersten Phase verbesserte die Datenverarbeitung die Produktivitaet der Arbeitsablaeufe in Verwaltung, Forschung, Entwicklung und Fertigung. In der zweiten Stufe, die 1970 begann und bis heute andauert, eroberte die Mikroelektronik die Produkte selbst. Sie erweiterte die Funktionalitaet und verbesserte die Betriebssicherheit und den Komfort von vorhandenen Produkten. Die Steuerung durch Mikroprozessoren ist heute in Fertigungsmaschinen und Messgeraeten ebenso selbstverstaendlich, wie in allen Fahrzeugen und Haushaltsgeraeten. Selbst in manchen Spielzeugen fuehrt ein Chip den Taktstock. Heute beginnt die dritte Phase der Mikroelektronik: Durch die Kombination mit anderen Mikrotechniken wird sie mit neuen Produkten zahlreiche voellig neue Anwendungsgebiete erschliessen. "Ein Teilhaben am Erfolg dieser Phase wird fuer die wirtschaftliche Entwicklung und fuer die Sicherung von Arbeitsplaetzen und Lebensstandard in Deutschland entscheidend sein", verweist Prof. Dr. Herbert Reichl, der Vorsitzende des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik, auf die kommenden Wachstumsmaerkte. Die durch die Mikroelektronik ausgeloesten Innovationswellen werden alle Bereiche des Berufs- und Privatlebens ergreifen und einschneidend veraendern. Sie werden eine Vielzahl neuer Telekommunikationsmittel schaffen, Kosten in Verwaltung und Produktion senken, das Verkehrswesen entlasten und das Gesundheitswesen verbessern helfen. Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Man sollte die Dynamik dieser neuen Maerkte nicht unterschaetzen. Vom Boom der Handies, die sich in kuerzester Zeit im Alltag verbreiteten, waren selbst die Hersteller ueberrascht. Das Beispiel zeigt: Wenn neue Ideen schnell aufgegriffen und konsequent in marktfaehige Produkte umgesetzt werden, laesst sich industrielle Massenproduktion am Standort Deutschland zurueckgewinnen. Davon sind die Fraunhofer-Experten ueberzeugt.

    "Die Revolution durch Mikroelektronik geht jetzt erst richtig los", erlaeutert Reichl die Visionen der Fraunhofer-Forscher: Sprachgesteuerte Computer, falt- oder aufrollbare Flachbildschirme, elektronische Zeitungen, Bildtelefone in der Armbanduhr, intelligente Chipkarten fuer alle Faelle, implantierbare Hoer- und Sehprothesen, Medikamentendosiersysteme und Sensoren, die rund um die Uhr Blutdruck, Puls und andere Gesundheitswerte ueberwachen. All diese futuristisch anmutenden "Systeme" werden bald viele Menschen so selbstverstaendlich mit sich herumtragen, wie heute Armbanduhren, Geldboersen, Handtaschen und Handies. Denn sie werden auf die Dimension von Knoepfen, Ansteckern oder Scheckkarten schrumpfen, so dass sie weder stoeren noch belasten. Die Geraete werden selbstaendig und drahtlos miteinander Daten austauschen und ihre Energie aus einer Batterie im Schuhabsatz beziehen, die sich beim Gehen wieder auflaedt. Die Armbanduhr wird zum Handy, ein Knopf im Ohr oder die Brille dient zur Ausgabe von Toenen, eine faltbare, intelligente Folie wird zum universellen Ein- und Ausgabegeraet fuer Bilder und Texte - Handies, Walkmen und manch anderer Mutant des elektronischen Geraeteparks waeren dann wieder verschwunden.

    Neue Mikrosysteme werden Sicherheit und Komfort nicht nur in Autos erhoehen. Schluessel werden bald der Vergangenheit angehoeren, weil Tueren die Personen an Fingerabdruck, Gesicht oder Stimme erkennen. Fahrzeuge koennen mit Verkehrsleitsystemen und anderen Informationsquellen kommunizieren. So werden intelligente Kreuzungen moeglich. "Wir erhoehen mit der Mikroelektronik die technische Intelligenz der Produkte", sagt Professor Reichl. Selbst ein banaler Alltagsgegenstand wie eine Milchtuete wird durch ein elektronisches Etikett intelligent. Sie weiss, dass sie eine Milchtuete ist und im Kuehlschrank steht, wie weit sie noch gefuellt ist und wann ihre Haltbarkeit abgelaufen ist. Der Kuehlschrank fragt ihre Daten ab und meldet an die elektronische Einkaufsliste: Milch kaufen! Durch Kombination und Vernetzung vieler solcher Komponenten werden ganze Haeuser und auch Autos intelligent.

    All das und noch vieles mehr wird moeglich durch die Miniaturisierung und Leistungssteigerung der Elektronik. Wenn die Mikroelektronik gemeinsam mit Sensorik, Mechanik, Display- und Energietechnik ins Kleine waechst, entstehen echte Mikrosysteme. Durch die Verkleinerung werden die Geraete mobil und damit auch die Arbeitsplaetze. Durch die Verbindung mit leistungsfaehigen Kommunikationsnetzen und verbesserten Datenuebertragungs- und Datenkompressionsverfahren kann jeder da arbeiten, wo er sich gerade befindet. Die Kombination von Sensorik und Datenverarbeitung wird eine voellig neue Dimension der Informationsgewinnung eroeffnen. Intelligente und autonome Mikrosensorsysteme werden Anwendungen fuer eine kontinuierliche Datenerfassung erobern, an die heute wegen Groesse, Energieverbrauch und Kosten der Messgeraete noch nicht gedacht wird.

    Das Gesundheitswesen ist ein weiterer grosser Wachstumsbereich, denn gerade bei Kranken, Behinderten oder alten Menschen kann Lebensqualitaet durch Hilfsmittel erheblich verbessert werden. Neue Informations- und Kommunikationsmittel geben den Patienten einen sicheren Kontakt zu Angehoerigen, Pflegeorganisationen oder auch AErzten. Gleichzeitig koennen diese Verbindungen zur Fernueberwachung oder auch Ferndiagnose genutzt werden. Implantierbare Mikrosysteme dosieren die Abgabe von Medikamenten in optimaler Praezision und ersparen darueber hinaus den haeufigen Gang zum Arzt. Winzige elektronische Prothesen helfen, die Hoer- und Sehfaehigkeit wenigstens rudimentaer wieder herzustellen. Es bahnen sich sogar Moeglichkeiten zur Ueberbrueckung von unterbrochenen Nervenstraengen durch die Verbindung von mikroelektronischen Strukturen mit menschlichem Gewebe an. Grosse Wachstumsraten attestiert Professor Reichl auch den Chipkarten, wenn sie sich durch mehr Intelligenz, Funktionalitaet und Sicherheit zu "Smart Cards" entwickeln. "Diese Systeme muessen autonom funktionieren, also ohne Bedienung oder Eingriffe von aussen." Die elektronisiche Geldboerse oder die Krankenkarte sind nur der Anfang. Bald werden auch Displays die Funktionen der Chipkarte erweitern.

    Der weltweite Mikroelektronik-Verbrauch wird bis zum Jahr 2001 jaehrlich um 15 Prozent zunehmen, sagt die VDE-Trendanalyse "97 voraus. Der europaeische Anteil am Weltmarkt hat sich zwar "96 verbessert und bei 20 Prozent stabilisiert. "Europa verarbeitet aber zu wenig Halbleiter", behauptet Dr. Armin Wieder von der Siemens-Forschungsabteilung, denn Europa verbrauche pro Kopf nur halb soviel wie die Konkurrenzlaender in USA und Asien. Und wenn der Chipanteil ein Mass fuer die eingebaute Intelligenz der Produkte ist, dann sei klar, warum deutsche Elektronikprodukte nicht die modernsten sind. "Europa produziert auch zu wenig Halbleiter", betont Wieder, "denn wir stellen nur etwa die Haelfte der Chips her, die wir einbauen." Der Siemens-Experte betont, dass Siemens inzwischen in Europa fast allein auf weiter Flur steht, sei zuwenig. Herbert Reichl legt eine Kalkulation des Fraunhofer-Verbunds vor: "Analysen zeigen, dass auf 1 000 Arbeitsplaetze in Chipfabriken noch einmal 2 000 im direkten Umfeld entstehen. Das bedeutet allein 6 000 neue Arbeitsplaetze durch das Siemens-Engagement in Dresden. Fuer Deutschland waere es wegen der Querschnittswirkung von entscheidender Bedeutung, etwa 10 neue Halbleiterfabriken anzusiedeln. Das entspraeche etwa dem weltweiten Anteil am Informationstechnik-Markt." So waeren allein schon 30 000 Arbeitsplaetze geschaffen. Wenn man aber die Wirkung der Mikroelektronik auf die davon abhaengigen Branchen hochrechnet, kommt die Abschaetzung sogar auf mehrere Millionen von gesicherten oder neugeschaffenen Arbeitsplaetzen. Doch um dieses Potential nutzen zu koennen, muesste sich Deutschland neben der Ansiedlung neuer Halbleiterfabriken auf die Herstellung intelligenter Systemloesungen besinnen.

    Chips koennen natuerlich ueberall gekauft werden. Doch fuer das Umsetzen in innovative Produkte reicht nicht das Zusammenfuegen von Komponenten aus, sie muessen als System konzipiert, entwickelt und produziert werden. Ohne die Beherrschung der dazu erforderlichen Technologien wird die Industrie keine neuen Produkte entwickeln koennen. Die modernen Halbleitertechnologien liefern die Basis, hinzu kommen die drahtlose Datenuebertragung, die Sensorik, Aufbau- und Verbindungstechnik, Anzeigentechnologien und neuartige Stromversorgungstechniken. Selbst erfolgreiche mittelstaendische Unternehmen sind nicht in der Lage, sich den Zugang zu all diesen Hochtechnologien zu sichern und drohen daher den Anschluss zu verlieren. "Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik wird sich daher auf die Aufgabe konzentrieren, eine verbindende Bruecke zwischen der grossindustriellen Halbleiterindustrie und den mittelstaendischen Systemherstellern zu bilden", skizziert Reichl die zukuenftige Strategie. Diese sieben Institute verfuegen durch ihre unterschiedliche Spezialisierung ueber die ganze Breite der technologischen Kompetenz und ueber langjaehrige Erfahrung in der Umsetzung innovativer Anwendungen. Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik hat im Rahmen des Ideenwettbewerbs fuer Leitprojekte des BMBF zusammen mit der deutschen Industrie eine Reihe von Themen vorgeschlagen, mit denen Deutschland eine Chance erhaelt, mit neuen High-Tech-Massenprodukten industrielle Arbeitsplaetze zurueckzugewinnen, die in den letzten Jahrzehnten an das Ausland verloren wurden. Denn nur durch eine "Gemeinschaftsanstrengung von Forschung, Wirtschaft und Staat" kann es Deutschland gelingen, sich einen lukrativen Anteil an den kommenden Wachstumsmaerkten zu sichern. Franz Miller

    Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik: Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik ist der Zusammenschluss der sieben mikroelektronik-orientierten Institute der Fraunhofer-Gesellschaft. Schwerpunkt des Verbundes sind Entwurf und Bau von Ein- und Multichip-Systemen in Silizium und GaAs, Entwicklung von multifunktionalen Bausteinen in Silizium sowie die Entwicklung von Systemintegrationstechniken, Spezialtechnologien und Fertigungsgeraeten. Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik zaehlt zu den vier weltweit fuehrenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet. Mit seinen knapp tausend Mitarbeitern ist er die groesste ausserindustrielle Einrichtung dieser Art in Deutschland.

    Interview mit Prof. Dr.-Ing. Dr. E.h. Herbert Reichl; Leiter des Fraunhofer-Instituts fuer Zuverlaessigkeit und Mikrointegration IZM und Sprecher des Verbundes:

    Warum wurde der Verbund nun straffer organisiert? "Die Rahmenbedingungen fuer Mikroelektronik-Forschung haben sich im letzten Jahrzehnt erheblich veraendert. Um auch in Zukunft eine wettbewerbsfaehige Forschung und Entwicklung betreiben zu koennen, ist ein koordiniertes Vorgehen erforderlich. Die gewuenschte Entwicklung gemeinsamer, institutsuebergreifender Strategien, verlangt auch neue Organisationsformen. Nun treten die Leiter der beteiligten Institute individuelle Gestaltungsrechte an ein Direktorium ab, das alle groesseren Vorhaben der Institute, sowie ihre strategische Ausrichtung gemeinsam abstimmt und festlegt. Das Direktorium setzt sich aus den Institutsleitern zusammen, die aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden fuer drei Jahre waehlen. Zur effizienten Wahrnehmung dieser Aufgaben wird das Direktorium durch einen Beirat aus der Wirtschaft unterstuetzt. Wichtigste Aufgabe ist die Ausarbeitung einer institutsuebergreifenden Strategie und eines Marketingkonzepts."

    Wohin fuehrt die neue strategische Ausrichtung? "Die zukuenftige strategische Ausrichtung des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik geht einher mit einer Umorientierung seiner Institute. Frueher standen bei einigen Instituten Technologie und Gesamtprozessentwicklung im Vordergrund. Heute wird die vorderste Front der technologischen Entwicklungen in der Mikroelektronik von den grossen Halbleiterfirmen vorangetrieben - wegen der immensen Entwicklungskosten zunehmend in weltweiten Allianzen. Die Fraunhofer-Institute haben sich daher von der Gesamtprozessentwicklung zurueckgezogen und fuehren nur noch Prozessmodifikation fuer spezielle Anwendungen durch. Der Verbund wird sich nun auf die Entwicklung innovativer Produkte konzentrieren - also die Beduerfnisse der mittelstaendischen Unternehmen. Im Vordergrund steht technologische Kompetenz zur Entwicklung von Spezial-ASICs und die Aufbau- und Verbindungstechnik."

    Was heisst Bindeglied zwischen Halbleiterindustrie und mittelstaendischer Anwenderindustrie? "Die mittelstaendische Industrie benoetigt oft nur kleine Stueckzahlen anwendungsspezifischer Chips, um ihre neuen Ideen rasch umsetzen und in Pilotserien testen zu koennen. Da sich die grossen Halbleiterunternehmen auf die Grossserienfertigung von Standardbausteinen wie Speicher oder Mikroprozessoren konzentrieren, sind Kleinserien ein Stoerfaktor. Daher klafft hier oft eine kritische Luecke. Gerade in dem Bereich kleiner Stueckzahlen ist der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik in der Lage, anwendungsspezifische Loesungen wesentlich schneller zu entwickeln und herzustellen. Da die unterschiedlichen Fraunhofer-Produktionslinien von Halbleiterherstellern qualifiziert sind, kann spaeter ohne Redesign auf Grossserienproduktion umgeschaltet werden. Durch dieses Zusammenspiel fleissen wertvolle Anregungen an die Halbleiterindustrie zurueck. Im uebrigen gehen Mittelstaendler, weil sie mit dem Entwurf ihrer anwendungsspezifischen Schaltungen auch ihr Spezial-Know-how offenbaren muessen, lieber zu unabhaengigen Instituten als zur Grossindustrie, die oft gleichzeitig Konkurrent ist. Der Fraunhofer-Verbund kann als Bindeglied zwischen der Halbleiterindustrie und den Systemherstellern zu einem wichtigen Stabilisierungsfaktor fuer den Hochtechnologiestandort Deutschland werden."

    Wie kommt die Neuorientierung an? "Wirtschaft und Politik begruessen unsere Strukturreform als beispielhafte Vorgehensweise, wie Forschungskapazitaeten effizienter strukturiert und auf strategische Ziele ausgerichtet werden koennen. Durch die thematische Abstimmung und gemeinsame Projektakquisition erzielen wir eine Effizienzsteigerung. Unter dem Dach des Verbundes koennen bei gemeinsamen Projekten Detailaufgaben an die Spezialisten der jeweiligen Institute vergeben werden. Das erhoeht die Leistung und spart Kosten. Die konsequente Umsetzung dieser Integration wird die Attraktivitaet des Verbundes fuer den potentiellen Kundenkreis nicht nur in Deutschland erhoehen. Die breite, aufeinander abgestimmte Palette von Themenfeldern, die gemeinsam und koordiniert bearbeitet wird, eroeffnet den ueberwiegend mittelstaendischen Kunden neue Perspektiven und Zukunfts-chancen."

    Der Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik hat seine neue Strategie vor dem Hintergrund der Trends in der Mikroelektronik und den technologischen Entwicklungen in einer Broschuere von 54 Seiten dargestellt.

    Sie kann bei folgender Adresse angefordert werden: Ansprechpartner fuer weitere Informationen: Dr.-Ing. Joachim Pelka Telefon 0 30/4 64 03-1 77, Fax 0 30/4 64 03-1 11 Fraunhofer-Institut fuer Zuverlaessigkeit und Mikrointegration IZM Gebaeude 17, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 Berlin email: pelka@izm.fhg.de


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    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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