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16.06.2000 00:00

Sexuelle Gewalt: Was Mythen anrichten

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    (München) Vergewaltigte Frauen und Mädchen sind nicht nur die Opfer der Täter. Sie werden darüber hinaus auch zu Opfern von Mythen und Vorurteilen. Forschungsergebnisse, präsentiert auf dem 53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, belegen, dass Vergewaltigungs-Mythen die Prävention sexueller Gewalt erschweren und auch bei
    jenen Menschen verbreitet sind, die professionell mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben.

    "Sie hat es doch so gewollt!", "Sie ist selber schuld!", "Sie hat es verdient!" - solche Aussagen über vergewaltigte Mädchen und Frauen sind häufig. "Vergewaltiger sind geistesgestört!", "Männer können ihre Sexualität nicht kontrollieren!", "Wenn die Frau nicht schwer verletzt ist, war es keine Vergewaltigung!" - solche Aussagen über die Täter sind ebenfalls weit verbreitet.

    "Vergewaltigungsmythen", nennt Dr. Gerd Bohner, Psychologe an der Universität Kent, solche typischen Vorurteile. "Diese tragen", so der deutsche Forscher weiter, "zur Rechtfertigung sexueller Gewalt bei, halten ein Klima aufrecht, das die Gewalt begünstigt, und leisten der sekundären Viktimisierung der Opfer Vorschub." Vergewaltigungsmythen sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Das belegen Umfragen.

    Doch woher kommen solche Vourteile? Generell, meint Bohner, dienen sie "der Aufrechterhaltung des Glaubens an eine gerechte Welt". Denn wenn das Opfer selbst schuld, der Täter hingegen unschuldig und selbst Opfer ist, bleibt die Welt heil. Auch sexistische Einstellungen und eine traditionelle Vorstellung über die Geschlechterrollen haben einen großen Einfluss.

    Vergewaltigungsmythen, an die viele Männer und Frauen gleichermaßen glauben, haben für das jeweilige Geschlecht jedoch noch eine besondere Funktion: Wenn Frauen opferfeindliche Mythen akzeptieren, dient dies in erster Linie der Abwehr eigener Ängste. Wenn sie daran glauben, dass die Opfer durch "Fehlverhalten" selbst schuld sind, dass "normale" Männer keine Bedrohung darstellen und dass frau sich nur "richtig" verhalten muss, um nicht Opfer zu werden, "dann halten sie sich selbst für unverwundbar - denn "so eine" ist man ja nicht.

    Vorurteile vermitteln Frauen eine Illusion der Unverwundbarkeit

    Dies belegen Untersuchungen und psychologische Experimente von Gerd Bohner mit Studentinnen. Frauen, die Vergewaltigungsmythen nicht akzeptieren, werden durch die Konfrontation mit dem Thema in ihrem Selbstwert und ihrer emotionalen Befindlichkeit beeinträchtigt. Hingegen bleiben jene, die den Mythen zustimmten, "cool". "Ironischerweise", so Bohner, "bieten also Vorurteile, welche die Traumatisie-rung von Vergewaltigungsopfern noch verstärken können, anderen Frauen eine Illusion der Unverwundbarkeit."

    Vorurteile fördern männliche Gewaltbereitschaft

    Ebenso hat Bohner durch Experimente mit Studenten herausgefunden, dass bei "normalen" Männern sowohl die eigene Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen als auch die wahrgenommene Akzeptanz solcher Vorurteile innerhalb der eigenen männlichen Bezugsgruppe ursächlich zur Bereitschaft beiträgt, sexuelle Gewalt gegen Frauen auszuüben.

    "Fatal ist", so Bohner, "dass die Mythen nicht nur in den Köpfen der Leute existieren, sondern auch kommuniziert werden. Dadurch werden die Opfer sexueller Gewalt zusätzlich diskriminiert". Studien zeigen, dass die Mythen auch unter jenen Menschen verbreitet sind, die professionell mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben: Polizei, Justiz, Ärztinnen und Ärzten.

    Bei Rückfragen:
    PD Dr. Gerd Bohner
    Senior Lecturer
    Department of Psychology
    University of Kent
    GB-Canterbury, Kent CT2 7NP
    Tel.: 0044-1227-823085
    Fax: 0044-1227-827030
    e-mail: G.BOHNER@UKC.AC.UK

    Pressestelle DGGG-Kongress:
    Pressestelle: Barbara Ritzert; ProScientia GmbH,
    Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
    Tel.: 08157/93 97-0; Fax: 08157/93 97-97
    e-mail: proscientia@t-online.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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