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18.06.2000 14:59

"Kriminalprognose" - Worum geht es da?

Dipl.Pol. Justin Westhoff UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
Universitätsklinikum Benjamin Franklin

    4. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie und Psychologie zum Thema "Kriminalprognose"
    Veranstalter:
    Institut für Forensische Psychiatrie der FU Berlin/UKBF
    Termin:
    Freitag, 23. Juni 2000
    ort:
    Hörsaal des Instituts für PharmakologieThielallee 67-73, 14195 Berlin

    Zu lebenslanger Haft Verurteilte, Straftäter mit Sicherungsverwahrung und psychisch kranke Rechtsbrecher kommen nur in Freiheit, wenn eine Strafvollstreckungskammer festgestellt hat, dass von ihnen keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr ausgeht. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung werden von Psychiatern und Psychologen kriminalprognostische Gutachten eingeholt. Seit Januar 1998 muss zudem auch bei Sexual- und Gewaltstraftätern mit befristeter Freiheitsstrafe ein Gutachten eingeholt werden, falls sie vorzeitig entlassen werden sollen.
    Können Justiz und forensische Psychiatrie eine hinreichend sichere Kriminalprognose stellen? Tatsächlich ist der wissenschaftliche Kenntnisstand deutlich besser als das, was in der Praxis oft geleistet wird. Die Tagung des Instituts für Forensische Psychiatrie der FU Berlin, die sich an Strafjuristen und an Psychowissenschaftler richtet, wird in auch allgemein verständlicher Sprache (vor allem vormittags) wissenschaftliche Erkenntnisse über Rückfälligkeitsfaktoren vermitteln sowie (nachmittags) die heute zu fordernden Qualitätsstandards in der Prognosebegutachtung darstellen.
    Der Leiter des Instituts für Forensische Psychiatrie, Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber wird den Unterschied zwischen Gefährlichkeit und Rückfälligkeit beleuchten und anhand der angloamerikanischen und deutschen Rückfallforschung wesentliche Einflussfaktoren darstellen: früher Delinquenzbeginn, frühe Gewaltdelinquenz, fehlende berufliche Qualifikation, unstrukturiertes Freizeitverhalten, Alkoholmissbrauch, vielgestaltige Kriminalität, antisoziale Einstellungen, in Verbindung mit psychischen Risikofaktoren wie Empathiemangel, Destruktivität und Persönlichkeitsstörungen. Kröber hat u.a. eine DFG-geförderte Langzeitstudie an 130 Gewaltstraftätern über Einflussfaktoren auf deren Rückfälligkeit durchgeführt und eine Standardveröffentlichung zur Kriminalprognose im Einzelfall verfasst (s.u. Literatur).
    kroefor@zedat.fu-berlin.de
    Prof. Dr.phil. Rudolf Egg ist Leiter der renommierten Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden. Egg hat mit seinen Mitarbeitern alle 4.933 im Jahr 1987 wegen Sexualstraftaten Verurteilten erfasst und geprüft, wie viele von diesen und welche im Verlauf von 10 Jahren wieder rückfällig wurden. Die Ergebnisse zeigen deutlich unterschiedliche (teilweise sehr niedrige) Rückfallquoten je nach Deliktart (Exhibitionismus, sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung und weitere gewaltsame Sexualdelikte) und Tätertyp (hohes Risiko insbes. bei Tätern, die auch anderweitig kriminell sind). Egg wird über Rückfälligkeit bei gewaltsamen Sexualdelikten berichten.
    krimzegg@aol.com
    Steffen Lau ist Psychiater und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Forensische Psychiatrie an der FU Berlin. Er wird über die Rückfallquoten psychisch gestörter Rechtsbrecher berichten, die nicht in Haft, sondern wegen schlechter Prognose in psychiatrische Unterbringung kamen. Trotz der ursprünglich schlechten Prognose sind die Rückfallraten bei den Entlassenen um etwa 20 % besser als bei Haftentlassenen. Lau führt gemeinsam mit Kröber gegenwärtig ein Forschungsprojekt durch über die psychisch gestörten Rechtsbrecher, die - noch zu DDR-Zeiten verurteilt - aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1992 und 1995 binnen Tagen aus dem Maßregelvollzug entlassen werden mussten.
    stlau@zedat.fu-berlin.de
    Dipl.Psych. Dr.phil. Klaus-Peter Dahle wird die Problematik der praktischen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf den Einzelfall einleiten und die Methodik der gutachterlichen Kriminalprognose darstellen. Dahle leitet am Institut für Forensische Psychiatrie die "Berliner CRIME-Studie" zur lebenslangen Rückfälligkeit von 400 Strafgefangenen, die im Jahr 1976 in Berliner Haftanstalten inhaftiert wurden. Hier wurden bereits wesentliche Informationen zur Unterscheidung von Intensivtätern und Gelegenheitstätern gewonnen.
    k.p.dahle@zedat.fu-berlin.de
    Dr.jur. Thomas Wolf, ehem. wiss. Mitarbeiter des Bundesgerichtshofs, ist Vorsitzender Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg und als solcher zuständig für alle psychisch gestörten Rechtsbrecher, die im Maßregelvollzug des Landes Hessen (in Gießen und Haina) untergebracht sind. Er wird aus langer, teils auch leidvoller Erfahrung über die Erwartungen der Strafvollstreckungskammer an das Prognosegutachten sprechen und Qualitätsstandards aus juristischer Sicht erläutern.
    Strafgefangenen, die in Freiheit entlassen werden wollen, steht ein Verteidiger zur Seite. Hansgeorg Birkhoff ist ein renommierter und engagierter Berliner Strafverteidiger und wird, basierend auf einer Umfrage bei seinen Kollegen, über Probleme des Strafverteidigers mit Prognosegutachten berichten. Gefangene und Untergebrachte haben ein legitimes und grundrechtlich geschütztes Interesse, nicht über Gebühr und trotz geschwundener Gefährlichkeit in Freiheitsentziehung zu bleiben.
    Prof. Dr.med. Norbert Leygraf, Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität/GH Essen, wird anhand seiner Erfahrungen mit fragwürdigen Gutachten und fragwürdigen Gerichtsentscheidungen typische Fehler beleuchten, welche die gegenwärtige Begutachtungs- und Entscheidungspraxis beeinträchtigen. Leygraf hat einschlägige Untersuchungen zur Kriminalprognose bei psychisch gestörten Straftätern vorgenommen und ist einer der bundesweit renommiertesten Gutachter.
    norbert.leygraf@uni-essen.de
    Das Essener und das Berliner Institut sind die einzigen Universitätsinstitute für Forensische Psychiatrie in Deutschland und kooperieren seit langem in Forschung und Weiterbildung.
    Die Veranstaltung wird sicherlich die Notwendigkeit unterstreichen, wissenschaftliche Erkenntnisse rascher in die Praxis umzusetzen und insbesondere eine entsprechende Weiterbildung für psychiatrische und psychologische Gutachter, aber auch für die Strafjuristen verbindlich zu machen. Denn die Entscheidungen treffen die Richter und Staatsanwälte in der Strafvollstreckung.
    Veranstalter und Ansprechpartner:
    Prof. Dr.med. Hans-Ludwig Kröber und Steffen Lau
    Institut für Forensische Psychiatrie/Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin.
    Limonenstr. 27, 12203 Berlin
    Tel. (030) 8445-1411; Fax-Nr. -1440,
    e-mail: kroefor@zedat.fu-berlin.de

    Literatur:
    H.-L. Kröber: Gang u. Gesichtspunkte d. kriminalprognostischen Begutachtung. Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1999 Heft 12, S. 593-599 (www.beck.de)
    H.-L. Kröber, K.-P. Dahle (Hrsg.): Sexualstraftaten und Gewaltdelinquenz, Verlauf - Behandlung - Opferschutz. Kriminalistik-Verlag, Heidelberg, 1998
    K.-P. Dahle, Psychologische Begutachtung zur Kriminalprognose. In: H.-L. Kröber, M. Steller (Hrsg.) Psychologische Begutachtung im Strafverfahren - Indikationen, Methoden und Qualitäts- standards. Steinkopff Verlag, Darmstadt, 2000


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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