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28.06.2000 17:35

Gleichstellung im Konflikt mit Personalpolitik. Praxis und Theorie beruflicher Geschlechterkonkurren

Dr. Barbara Keddi Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Jugendinstitut e.V.

    Iris Bednarz-Braun

    Gleichstellung im Konflikt mit Personalpolitik. Praxis und Theorie beruflicher Geschlechterkonkurrenz im internationalen Vergleich: USA, Großbritannien, Deutschland
    München: DJI Verlag 2000
    ca. 260 S., ca. DM 35,-
    ISBN 3-87966-389-0

    Das Buch wendet sich an Praktiker- und PolitkerInnen einerseits und an theoretisch Interessierte aus der Frauen- und Geschlechterforschung sowie der Industrial Relations For schung andererseits. Die in den Ländern USA, Großbritannien und Deutschland entwickelten beruflichen Gleichstellungspolitiken mit ihren frauenfördernden Maßnahmen werden ausführlich dargestellt und die länderspezifischen Erfahrungen mit der Umsetzung dieser gleichstellungsorientierten Instrumente anhand vorliegender empirischer Untersuchungsergebnisse sowie politischer Auseinandersetzungen beschrieben.

    Die Analyse zeigt, daß sich die in den untersuchten Ländern entwickelten Maßnahmen in ihrer Reichweite und Wirksamkeit deutlich voneinander unterscheiden. Im Vergleich zu den USA und Großbritannien fehlt es in Deutschland an wirkungsvollen Kontrollbehörden und einschneidenden Sanktionsmöglichkeiten, wenn gegen Gleichstellungspolitik im Rahmen personalpolitischer Entscheidungen verstoßen wird. Das Gemeinsame besteht darin, daß die Umsetzung frauenfördernder Maßnahmen in privatwirtschaftlichen Betrieben und öffentlichen Verwaltungen auf gleiche Barrieren stößt. Einflußreiche betriebliche Akteure versuchen, eine gleichstellungsorientierte Personalpolitik zu umgehen. Dabei kommt es zu heimlichen Allianzen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen. Länderüber greifend zeigt sich, daß das Festhalten der Personalverantwortlichen an den Prinzipien der Geschlechterneutralität und Bestenauslese, die hohe Bedeutung des Senioritätsprinzips im Handeln von Arbeitnehmervertretern und der Widerstand männlicher Belegschaften sowie des Mittelmanagements wesentliche Gründe darstellen, die eine gelungene Umsetzung von Gleichstellungspolitik verhindern. Erfolge zeigen sich demgegenüber, wenn personell gut ausgestattete Kontrollbehörden mit Klagebefugnis geschaffen werden, die die Umsetzung von Gleichstellungspolitik im öffentlichen Dienst und der Privatiwrtschaft überwachen und wenn die Gerichte diskriminierende Personalpraktiken mit hohen finanziellen Strafen ahnden.

    Die Untersuchung kommt zu der politischen Schlußfolgerung, daß die in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten staatlichen Maßnahmen zur frauenfördernden Gleichstellungspolitik sehr viel stärker als dies bisher der Fall ist, mit personalpolitischen Entscheidungsprozessen auf der betrieblichen Ebene verzahnt werden müssen. Dazu ist es nötig, Antidiskriminierungsgesetze für den gesamten Erwerbsbereich zu schaffen, außerbetriebliche Kontrollbehörden mit wirkungsvollen Sanktionsmitteln zu installieren, die Arbeitsgerichtsbarkeit geschlechterparitätisch zu besetzen, die betriebliche Position der Frauenbeauftragten durch Übertragung von Klagebefugnissen zu stärken, die Vergabe öffentlicher Mittel an die Aufstellung und Umsetzung von Frauenförderplänen zu binden und das Senioritätsprinzip von seinen Frauen diskriminierenden Effekten zu bereinigen.

    Der Theorieteil verbindet Grundannahmen aus der Frauen- und Geschlechterforschung mit solchen aus der Industrial Relations Forschung. Dabei werden die vorrangig im staatlichen Bereich initiierten Gleichstellungsmaßnahmen in Beziehung gesetzt zum Einfluß der Frauenbewegung und ihren frauenpolitischen Verbänden. Sie stellen im Vergleich zu den traditionellen Tarifvertragsparteien neue makropolitische Arenen dar, die durch die Schaffung einer frauenfördernden Lobby ein Gegengewicht zu der gleichstellungspolitischen Abstinenz von Tarifparteien entwickelten. Diese makropolitischen Ergebnisse der Studie werden mit mikopolitischen Entscheidungsprozessen in Betrieben und Verwaltungen und der interessengeleiteten Ausschöpfung vorhandener Handlungskorridore durch personalpolitisch wichtige Akteure verknüpft. Dabei zeigt sich eine verdeckte, aber wirkungsvolle Koalition zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Personalmanager kalkulieren in ihren Entscheidungen den weiblichen Lebenszusammenhang ein und machen ökonomische Effizienzkriterien geltend, die zu einem Ausschluß von Frauen aus attraktiven Berufspositionen und zu ihrer strukturellen Diskriminierung führen. Dieses arbeitgeberseitige Verhalten wird schließlich ergänzt durch den Einfluß männlicher Belegschaften auf ihre Arbeitnehmervertreter, die eine grundsätzliche Neugestaltung der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung im Produktions- und Reproduktionsbereich zu verhindern suchen, um auch weiterhin den exklusiven Zugang von Männern zu knappen und gut entlohnten Tätigkeiten zu sichern.

    Der Ertrag einer Verknüpfung theoretischer Annahmen aus der Frauen- und Geschlechterforschung mit denjenigen aus der Industrial Relations Forschung besteht darin, daß die personalpolitischen Interessen und Handlungsstrategien verschiedener betrieblicher Akteure in ihrer Bedeutung als mikopolitische Diskriminierungsmechanismen aufdeckt werden können. Auf diese Weise ist es sowohl möglich, die Hervorbringung asymmetrischer Geschlechterverhältnisse im Erwerbsleben als sozial konstruierte Prozesse strategisch handelnder Personen abzubilden, als auch die Auseinandersetzung um berufliche Gleichstellungspolitik als ein gesellschaftliches Konflikt- und Konkurrenzverhältnis zwischen den Geschlechtern zu beschreiben, dessen Kern durch das Ringen um eine paritätische Aufteilung von Familien- und Berufsarbeit geprägt wird.

    Weitere Informationen:
    Dr. Iris Bednarz-Braun
    Deutsches Jugendinstitut
    Nockherstr. 2
    D-81541 München
    Telefon (089) 62306-222


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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