Nr. 265
Zu Unrecht angegriffen: Erfolgsmodell Flächentarifvertrag
30 Prozent mehr Lohn, ein eigener Tarifvertrag, Streik und Streikverbot: Der Tarifstreit der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) mit der Deutschen Bahn hält Deutschland seit Wochen auf Trab. Die Fronten sind längst verhärtet, Überraschungen gibt es nicht mehr, und eigentlich blickt keiner mehr durch: Hat die GDL recht mit ihren Forderungen? Oder sind sie hemmungslos überzogen? War das gerichtliche Streikverbot in Ordnung? Prof. Dr. Ludger Pries, der an der Ruhr-Universität Bochum den Lehrstuhl für Organisationssoziologie und Mitbestimmungsforschung innehat, gibt Antworten und schafft Überblick. Seine Stellungnahme mit den wichtigsten Fragen und Antworten finden Sie im Internet unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/soaps/download/GDL-DB-Konflikt-2007.pdf
Harte Bedingungen - nicht nur fürs Fahrdienstpersonal
Haben die Lokführer besonders harte Arbeitsbedingungen, die eine Abkoppelung von den anderen DB-Beschäftigtengruppen rechtfertigen? Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass auch andere Gruppen bei der Deutschen Bahn unter ähnlich schwierigen Bedingungen arbeiten wie das Fahrdienstpersonal. Wechselschicht, wechselnde Einsatzorte, flexible Dienstpläne und große Verantwortung sind für viele an der Tagesordnung, zum Beispiel auch in den Stellwerken. "Im Vergleich zu diesen Gruppen gibt es kein 'Alleinstellungsmerkmal' der von der GDL mobilisierten Beschäftigtengruppen", gibt Prof. Pries zu bedenken. "Ob das generelle Entlohnungsniveau des Fahrdienstpersonals 'gerecht' ist, ist eine gesellschafts- und verteilungspolitische Frage und hängt von den Bezugs- bzw. Vergleichsgruppen und -kriterien ab: Sollte ein Abteilungsleiter oder Hochschullehrer drei Mal, ein Topmanager dreihundert Mal so viel verdienen wie ein Lokführer?"
Eigener Tarifvertrag wäre ein Dammbruch
Entsprechend ist es auch strittig, ob die Forderung eines eigenen Tarifvertrags gerechtfertigt ist. Nein, meint Pries, und blickt auf die möglichen Folgen: "Anachronistische Privilegienverteidigung einiger weniger Gruppen wie der Lokführer, der Fluglotsen und der Ärzte oder eine Welle von Tarifverträgen für kleine, aber handlungsstarke Beschäftigtengruppen und deren Interessenorganisationen wären die Folge. In jedem Betrieb wären in der Konsequenz viele Interessengruppen und betriebsexterne Gewerkschaften und andere Interessenverbände vertreten und tätig. Das wäre der worst case im Hinblick auf die Produktivität von Unternehmen und auf die Zufriedenheit der Beschäftigten."
Einstweilige Verfügungen sind eine Peinlichkeit
Die einstweiligen Verfügungen und Richtersprüche gegen das Recht der GDL auf Streik kritisiert Pries scharf: "Das vom Arbeitsgericht Nürnberg am 8. August 2007 erlassene und u.a. 'mit dem starken Ferienreiseverkehr' begründete Verbot des angekündigten Streiks des Zugpersonals ist rechtlich nicht haltbar, gesellschaftspolitisch unausgewogen und unangemessen und unter Aspekten der Rechtsstaatlichkeit eine Peinlichkeit. Das durch das Grundgesetz geschützte Streikrecht ist ein hohes Gut. Streiks zielen immer auf für die Gegenseite nachteilige und fühlbare Wirkungen, und sie wirken in aller Regel indirekt auch auf nicht am Konflikt Beteiligte. Deshalb sollten Streiks grundsätzlich durch verantwortungsvolle Verhandlungen vermieden werden - hierfür sind immer mindestens zwei Seiten verantwortlich."
Weitere Informationen
Prof. Dr. Ludger Pries, Luitpold Rampeltshammer, Peter Ittermann, Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24067, /-22987, Internet: http://www.rub.de/soaps, E-Mail: luitpold.rampeltshammer@rub.de, peter.ittermann@rub.de, ludger.pries@rub.de
http://www.ruhr-uni-bochum.de/soaps/download/GDL-DB-Konflikt-2007.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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