Greifswalder Mediziner raten, Signale ernst und Hilfe in Anspruch zu nehmen
Am kommenden Montag, dem 10. September 2007, findet zum fünften Mal der Welt-Suizid-Präventionstag* statt. Jährlich nehmen sich rund 1 Million Menschen das Leben. Das bedeutet, dass dabei im Jahr mehr Menschen ums Leben kommen als durch alle Kriege der Welt zusammen. "Dieses Jahr ist das Motto des Informationstages 'Hilfe für Menschen jeden Alters', um die Tatsache zu verdeutlichen, dass Suizide in allen Lebensphasen vorkommen und Interventionsstrategien an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Altersgruppen angepasst werden müssen", informierte der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Greifswald, Prof. Harald J. Freyberger.
Im Jahr 2005 starben in Deutschland 10.260 Menschen (M-V 181) durch Suizid (7.523 Männer/M-V 148 und 2.737 Frauen/M-V 33). Im Vergleich dazu verloren im Straßenverkehr im selben Zeitraum 5.361 Menschen (M-V 195) unfreiwillig ihr Leben. In der Altersgruppe der 15 bis 35-Jährigen ist der Freitod nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache. Männer sind generell etwa zwei- bis dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Fast jeder zweite Selbstmord bei Frauen erfolgt in der Altersgruppe über 60 Jahren. Suizidversuche finden 10 bis 15 Mal häufiger statt. "Erschreckend ist", so der Greifswalder Psychiatrieprofessor Hans Jörgen Grabe (Foto), "dass die Selbstmordraten in den neuen Bundesländern immer noch deutlich über denen der alten Länder liegen." In den östlichen Bundesländern sterben etwa 28 von 100.000 Männern am Suizid, in den westlichen Bundesländern sind es 18,6 von 100.000. Mitte der 80er Jahre betrug die Rate in der ehemaligen DDR für Männer und Frauen zusammen sogar 43 pro 100.000.
"Die Suizidraten haben sich dennoch in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren positiv entwickelt. Starben 1991 noch 21 Menschen auf 100.000 durch Selbsttötung waren es 2001 nur noch 12,8 pro 100.000 und 2006 trotz leichtem Anstieg (M-V Suizid 2006 Männer 157, Frauen 43, Verkehrstote 186) 11,8 pro 100.000 Männer und Frauen. Somit kommt der Nordosten im Vergleich zu den anderen neuen Ländern auf eine relativ niedrige Selbsttötungsrate."
Die Suizidforschung hat inzwischen eine Reihe von Risikofaktoren erarbeitet. Neben dem Überwiegen des männlichen Geschlechts spielen höheres Alter, Scheidung oder Tod des Ehepartners, eine niedrige soziale Schicht, Arbeitslosigkeit und das Leben in Großstädten eine wichtige Rolle. Vor allem der drohende Verlust an zwischenmenschlicher Bindung und Beziehung und die daraus resultierende oder befürchtete Vereinsamung können neben akuten Kränkungen selbst zerstörerische Kräfte freisetzen. In den meisten Fällen späterer Suizidversuche oder vollendeter Suizide gehen seelische Erschöpfungs- und Erkrankungssymptome voraus. Oft geraten diese Menschen in einen Teufelskreis, in dem die Depression dem Betroffenen zusätzlich zu den belastenden Lebensereignissen die Kraft, die Zuversicht, das Selbstvertrauen und die Lebensfreude raubt und ein Zustand der Hoffnungslosigkeit sich ausbreitet.
"Der Freitod ist eine vermeidbare Katastrophe", betonten Freyberger und Grabe und sehen vor allem bei Angehörigen und Freunden einen Weg, frühzeitig auf Signale zu reagieren. "Nahestehende können diesen Zustand erkennen und eine ärztliche oder psychologische Beratung suchen. Zusätzliche Symptome, die eine Depression mit Suizidgefährdung anzeigen sind Schlafstörungen, Grübelneigung, und erkennbare Konzentrationsstörungen. Der Erkrankte sondert sich ab, ist durch nichts zu erfreuen und wirkt angespannt, gequält oder kraftlos. Suchterkrankungen wie Alkoholabhängigkeit oder körperliche Erkrankungen erhöhen das Suizidrisiko erheblich. Depressionen und Lebenskrisen können in der Regel mit ärztlicher und psychologischer Hilfe therapiert und bewältigt werden. Der Weltsuizidtag ist ein Appell, genau hinzuschauen und auf ernsthafte Probleme im eigenen Umfeld zu reagieren. So ließen sich viele Tausende Suizidfälle in Deutschland jedes Jahr verhindern."
Eine direkte Anlaufstelle bieten die psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken in Greifswald und Stralsund, hier können auch nachts Notfälle akut behandelt werden. Über ein Netz von niedergelassenen Therapeuten kann eine weiterführende stabilisierende ambulante Therapie erfolgen. Sinnvoll ist auf jeden Fall die frühzeitige Behandlung, nicht erst wenn ein Suizidversuch stattgefunden hat - denn jeder Suizidversuch kann tödlich enden.
*http://www.welttag-suizidpraevention.de
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2003 erstmals den 10. September als Welt-Suizid-Präventionstag ausgerufen. Seitdem finden jährlich an diesem Datum Veranstaltungen statt, die vorwiegend von Organisationen aus dem Gesundheitsbereich bzw. der Suizidprävention veranstaltet werden. Die WHO begründet die Ausrufung dieses Aktionstages damit, dass Suizid eines der größten Gesundheitsprobleme der Welt darstelle.
Kontaktadressen:
Institutsambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Greifswald
Telefon: 03831/45 21 70
Telefon: 03834/86 69 09
Poliklinische Psychotherapieambulanz (PIA) am Institut für Psychologie der Universität Greifswald
Telefon: 03834/86 37 38
Universitätsklinikum Greifswald
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Direktor: Prof. Harald J. Freyberger
Rostocker Chaussee 70, 17437 Stralsund
T +49 3831 45 21 00
Ellernholzstraße 1 - 2, 17475 Greifswald
T +49 3834 86 69 09
Leitender Oberarzt: Prof. Hans Jörgen Grabe
E grabeh@uni-greifswald.de
T +49 3831 45 21 06
E psychiat@uni-greifswald.de
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
regional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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