Tagung an der Uni Jena zog heute Bilanz zu zehn Jahren Landwirtschaftsanpassungsgesetz
Jena (03.07.00) 29 ehemalige Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) in Thüringen "befinden sich - oftmals unerkannt - in der Liquidation", stellte jetzt der Jenaer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Walter Bayer klar. Aus der Behandlung dieser Betriebe und ihrer vermeintlichen Rechtsnachfolger resultieren zahlreiche rechtliche Probleme, die heute auf einer Tagung mit etwa 100 Fachjuristen aus allen Bereichen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena kontrovers diskutiert wurden. Ziel der Veranstaltung, die eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) zog, war die Erwartung, "dass eine juristisch niveauvolle Diskussion der wissenschaftlichen Suche nach Wahrheit Hilfestellung leisten möge", wie Prof. Bayer betonte. Dass die Tagung in Jena durchgeführt wurde, ist den Forschungen von Bayers Juristenteam zu verdanken, das seit knapp zwei Jahren die Problematik der LPG-Umwandlungen umfassend aufarbeitet.
"Im Unterschied zum Treuhandgesetz, das die Privatisierung und Restrukturierung der volkseigenen Betriebe als Staatsaufgabe in die Hände der öffentlich-rechtlich organisierten Treuhandanstalt legte, war die Anpassung der über 5.000 genossenschaftlichen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft allein deren Mitgliedern selbst überlassen", benannte Prof. Bayer die Voraussetzungen zur LPG-Umwandlung. Der rechtliche Rahmen der Transformation beschränkte sich 1990/91 auf die Vermittlung allgemeiner Grundsätze, betonte Bayer. So wurde das Privateigentum an Grund und Boden in vollem Umfang wiederhergestellt, die Gleichheit aller Eigentums- und Wirtschaftsformen bekräftigt und als Zielstellung des Gesetzes die Entwicklung einer vielfältig strukturierten und leistungsfähigen Landwirtschaft genannt - so die Theorie. Für die Verwirklichung des Gesetzes hatten die LPG-Mitglieder die Wahl zwischen der Fortführung der bestehenden LPG in neuer Rechtsform oder deren Auflösung. "Dabei war das einzelne LPG-Mitglied an eine von der Mehrheit getroffene Umwandlungsentscheidung nicht gebunden", unterstrich Prof. Bayer. Jedes Mitglied konnte austreten und hatte dann "uneingeschränkt Anspruch auf seine Abfindung in der gesetzlich angeordneten Höhe". Ein Problem, das mehrere Gerichte seit längerer Zeit beschäftigt, wie die heutigen Diskussionen zeigten. Auf die Aktualität dieses Problems und die Dringlichkeit, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, verwies auch der Thüringer Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt Dr. Volker Sklenar.
Die Art der vollzogenen Umwandlungen, die im Regelfall vom alten LPG-Vorstand durchgeführt wurden, ist ebenfalls Streitfall der Gerichte. "Die Übernahme der LPG durch einige wenige Mitglieder auf Kosten einer Vielzahl billig abgefundener Mitglieder entsprach eindeutig nicht der Vorstellung des Gesetzgebers - weder der Volkskammer noch des Bundestages", verwies Prof. Bayer auf eine Schwierigkeit, auf die er bei seinen Forschungen vielfach stieß.
Während der Tagung setzten sich die Referenten zum einen kritisch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Scheitern der Umwandlung auseinander und beschäftigten sich zum anderen mit den Folgen einer gescheiterten Umwandlung für die ehemalige LPG. Gerade dieser Problembereich ist für die Rechtspraxis von höchster Bedeutung, denn, wie erste Ergebnisse der rechtstatsächlichen Arbeit des Forschungsprojektes gezeigt haben, sind allein in Thüringen ca. 8 Prozent der Umwandlungen als gescheitert anzusehen.
Ein Großteil der durch die gesetzlichen Vorschriften aufgeworfenen Probleme konnte mittlerweile von Rechtswissenschaft und -praxis bewältigt werden, zeigte das Jenaer Symposium. Gleichwohl existieren nach wie vor viele Detailprobleme, für die umsetzbare und praxisnahe Lösungen erarbeitet werden müssen. Dies betrifft in erster Linie die Frage nach der Ermittlung des vorhandenen Vermögens sowie nach den Kriterien der Verteilung unter den Mitgliedern. Auf diesen Gebieten werden die zukünftigen Schwerpunkte der Forschungen des Jenaer Juristenteams liegen, unterstrich Prof. Bayer zum Abschluss.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Walter Bayer
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 3
07743 Jena
Tel.: 03641/942140
Fax: 03641/942142
E-Mail: mscheffel@lawnet1.recht.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Politik, Recht, Tier / Land / Forst, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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